laut.de-Kritik

Die Gender-Aktivistin feiert einen tollen Einstand.

Review von

Seit Sade etwas Neues veröffentlicht hat, verstrichen fast 15 Jahre. "Heights Of Love" von Léa Mondo kann einstweilen als Nachschub durchgehen, solange das Original verstummt ist. Léa gelingt genau jene Art Cocktail-Jazzpop-Atmosphäre von Klassikern wie "Your Love Is King", und ihr rauer Gesang sorgt dafür, dass das nicht zu süßlich gerät. Die EP "Rising Woman" stammt zwar ebenfalls aus London, Léa, die sich Sade Adu zum Vorbild nahm, hat aber ebenso wie der 80er-Star Wurzeln auf dem afrikanischen Kontinent.

Bei ihr reichen sie teils nach Südafrika, teils in die DRC, also den Teil Kongos, der früher belgische Kolonie war und eine Zeitlang Zaire hieß, mit Kinshasa als Hauptstadt. Auch wenn man beim Namen Léa Mondo und beim oberflächlichen Hinhören kurz Portugiesisch assoziieren mag, ist die Sprache im Opener "Mwasi" Lingala, anteilig auch im verträumt klingenden "Brave New World". Damit setzt Mondo eine vokalreiche und per se musikalische Sprache ein.

Die Newcomerin muss auf jeden Fall Jazz-Fan sein, das machen die Saxophon-durchzogenen Arrangements in "Vices" und "Nah Mate" deutlich. Sie selbst nennt gerade für "Nah Mate" Aaliyah und TLC als Inspiration. Der Track eröffnet mit Telefon-Tuten aus mehreren Tonspuren und geht dann über in einen Dialog über die Telefonleitung mit Alltags-Ausrufen wie "What the fuck?! What d'you mean?". Das Gestaltungsmittel ist den Interludes alter R'n'B-Alben von Janet bis Missy entlehnt. Es folgt ein typischer Neo-Soul-Groove der Marke India Arie aus der Y2K-Phase und der damaligen Welle.

Eine Strophe ist gerappt: Is it serendipity / that I can feel your energy ... " usw. Mondo pflegt hier wie generell eine Vorliebe fürs große Finale, wo in diesem Fall Stimmen aus mehreren Layers mit den Bläsersätzen zu einem theatralen Tam-Tam verschmelzen. Das Lied dient als Aufruf, Personen mit negativer Ausstrahlung links liegen zu lassen und sich aus Situationen zu befreien, die nichts bringen und nur Energie absaugen.

Mondo ist eine expressive Sängerin, stellt Wörter gern plastisch und lebendig dar. Sie hat auch viel mitzuteilen, warnt etwa in "Brave New World" vor den Gefahren einer konsumsüchtigen Gesellschaft und benennt das Stück nach dem Buch Aldous Huxleys. Kein Wort überlässt sie dem Zufall. Dass eine EP für sie nicht einfach ein Ansammeln von sechs Tracks ist, sondern einen dramaturgischen Bogen spannt, verträgt sich gut mit ihrer ursprünglichen Motivation. "Eigentlich kam ich für die Schauspielerei nach London, aber ich geriet in die Musik, weil sie eine große Rolle in meinem Leben spielt. Würde ich nicht etwas Kreatives machen, würde ich wohl Psychologie studieren", verrät sie dem englischen Pilotmagazine.

Für den Überbau hinter und zwischen den Songtexten muss man schon etwas Sinn für Psychologie und auch für Spiritualität mitbringen. Die Liner Notes beschreiben es so: 'Aus der Asche aufstehen, nachdem du von den Irrungen und Wirrungen des Lebens verbrannt wurdest, die alte Haut abschälen und in deiner Wahrheit leben.' Die Singer/Songwriterin beschäftigt sich gerne mit Mental Health ebenso wie mit Politik, politischen Normen und überhaupt dem Zustand der Welt.

Léa spielt Gitarre auf den Songs, ihre zwölfköpfige Begleitgruppe beinhaltet mehrere Frauen an Instrumenten, zum Beispiel an der Harfe (Catriona Bourne), als Bassistin (Jasmine Burton) und an Saxophon und Querflöte, wo mit Allexa Nava auch eine Frau mit peruanischem Migrations-Hintergrund die Vielfalt der Londoner Bühnen widerspiegelt. All das ist Léa sehr wichtig, zumal sie der Jazz-Szene eine hetero-männliche Hegemonie vorhält, sich als "black woman" an der Seite des Spielfelds sah und etwas dagegen unternommen hat. Sie gründete, hart am Rande der Finanzierbarkeit, zusammen mit zwei Mitstreiterinnen Peng Femme Jam, eine 14-tägliche Event-Reihe. Ein Sportartikel-Hersteller und MTV supporten die Aktion.

"Peng Femme Jam ist eine Gender-diverse Gemeinschaft. Wir hatten das Gefühl, nicht einbezogen zu sein in die Londoner Jam-Kultur-Szene. Meistens werden Frauen hier nur als Sängerinnen eingesetzt. Man rechnet nicht damit, dass sie am Schlagzeug sitzen oder Gitarre spielen", schildert sie bei MTV. "Entsprechend frustriert waren wir."

Ihre Kumpanin Winnie, ebenfalls Gitarristin, hatte bei einer Veranstaltung nicht auftreten dürfen, weil man es ihr als Frau nicht zutraute. Léa wollte etwas dagegen tun, und aus einer als Witz gemeinten Bemerkung entstand ein handfester Plan und dann die Umsetzung. Die Jams richten sich an Trans-Menschen, Lesben, überhaupt an Frauen, aber auch an Non-binaries, sowohl auf Seiten der Fans als auch der Musizierenden. "Wir sind ziemlich stolz drauf", resümiert die Newcomerin. Und so erklärt sich der EP-Titel "Rising Woman".

Es ist derweil nicht nur ihr Aktivismus und das mitunter Wuselige ihrer Musik, das fasziniert. Es ist die Dynamik aus verträumten Sequenzen mit dem Tropen-Flair der Kora-Harfe wie in "Kitoko", einem Stimmungsbild über eine kongolesische Frau in traditioneller Kleidung beim Flanieren auf der Straße, und andererseits treibenden Phasen. Als Ko-Producerin ihres Debüts beweist Léa erlesenen Geschmack.

"Vices", laut Mondo vom Rhythmusmuster des RHCP-Hits "Californication" inspiriert, speist sich aus ziemlich massivem Trommel-Geschehen. In der zweiten Hälfte kommt eine wunderschöne Bassline hinzu, und auf diese Kontrabass-Grundierung antwortet dank der dreifach besetzten Position am Bass dann eine Bassgitarre. Instrumentale Stellen laden zum Sinnieren, Träumen oder Nachdenken ein, und bei aller Gedrungenheit des vollen, satten und warmen Sounds gilt für die ganze EP, dass sie zugleich auch luftig gehalten ist. Ein sehr guter Einstand!

Trackliste

  1. 1. Mwasi
  2. 2. Heights Of Love
  3. 3. Vices
  4. 4. Nah Mate
  5. 5. Brave New World
  6. 6. Kitoko

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