laut.de-Kritik
Herzzerreißend romantischer Schwulst.
Review von Michael SchuhOptisch zumindest ist alles wie früher: Lo Moon verpacken ihr neues Album in ein sehr ästhetisches Coverfoto. Die bereits vergilbte Schwarzweiß-Fotografie erinnert an ein Kubrick-Setting aus "2001" - plus Joy Division-Aura.
"Look at where we find ourselves / what we have when all else fails": Gleich zu Beginn von "Carried Away" hängt man Matt Lowell wieder an den Lippen, wenn seine helle Stimme aus dem samtweichen Soundteppich ganz natürlich emporsteigt und erst im Refrain etwas Nachdruck entwickelt. Die Pianokaskaden im Mittelteil vielleicht eine Spur zu coldplayesk, aber es sind hier schließlich die guten Coldplay-Zeiten gemeint und außerdem passt es zum Song, der mit Sam Stewarts schönem Gitarren-Lick dann etwas zu früh endet. Insgesamt aber ein Refrain, der in den Arenen sehr gut ankommen müsste, wenn ihn hunderte Menschen singen. Ob das dieses Jahr schon klappt, kann man in Kürze auf ihrer Tour mit The War On Drugs nachprüfen.
"Dream Never Dies" ist explizit kein Singalong, eher ein zunächst unscheinbarer, mit der Zeit aber alle schwelgerischen Qualitäten der Gruppe ausspielender Dreampop-Song. Als Vorabsingle vermisst man dennoch die Wucht von Tracks wie "Real Love" oder "Loveless", nun ja, die würden dann ja sicher noch auf dem Album kommen ... tun sie aber nicht.
"A Modern Life" ist reduzierter angelegt, die Bombast-Passagen wurden spürbar zurück gefahren, was sich auf dem Papier nicht unbedingt schlecht anhört. Doch Lo Moon machen zu wenig aus dieser Idee. Die Arrangements sind stellenweise immer noch ausladend und angenehm spacey, entwickeln in Kombination mit dem Songwriting vor allem in der zweiten Albumhälfte aber eine träge Wirkung.
Rückblickend klang das vor vier Jahren erschienene Lo Moon-Debüt insgesamt erstaunlich ausgereift und überzeugend. Hört man nun auf der angestrengten Suche nach Spannungsbögen versehentlich Zeilen wie "When I was 16, I had such big dreams / but I was born with let down expectations" ("Expectations") fördert das nicht gerade die Begeisterung. "Eyes On The Prize" beginnt mit den Worten "Fuck all your friends / they got no passion" und verliert sich dann fast schon selbstironisch in dahinplätschernder Leidenschaftslosigkeit. Die Ballade "Digging Up The Dead" ist in ihrem seichten Tran fast schon ärgerlich. "Stop" versöhnt am Ende trotz hartem Snow Patrol-Plagiatsverdacht dank herzzerreißend romantischem Schwulst.
Was sonst noch wichtig ist: Matt Lowell erinnert fast gar nicht mehr an Mark Hollis von Talk Talk, Sam ist aber immer noch der Sohn von Dave Stewart.
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