laut.de-Kritik
Fußball, Ficken, Melancholie.
Review von Stefan JohannesbergDie allseits bekannte wie beliebte Formel "Fußball, Ficken, Alkohol" trug lange Jahre auch Lotto King Karl, Deutschlands bester Deutsch-Rocker, wie eine Hochsitzbrause vor sich her. Auf seinem neuesten Album "Aus Liebe zum Spiel" unterzieht Lotto alias Karl König dieses universelle Lebensmotto einer kleinen Reifeprüfung: die Hopihallidos und Hörnerwhiskeys fehlen dieses Mal.
Der Andy Brehme unter den Musikern ist eben nicht mehr der jüngste, und so weicht die feucht fröhliche Partystimmung endgültig einer Hambuger Hafen-Melancholie, die ja schon immer das Salz in Lottos Fischsuppe war. Im Midtempo-Stück "Nimm Mich Mit" fährt er durch Deutschland, erkennt aber "tief im Osten die Elbe, der gleiche Fluß und doch nicht der selbe". Taschentücheralarm herrscht beim "Schlaflied", nach "Wir Sehen Uns Oben" Lottos zweiter Hommage an einen verstorbenen Freund.
Doch auch wenn der gute König nicht mehr jeden Tag bis drei Uhr nachts im Logo feiert, die Jagd nach runden Bällen unter der HSV-Bettwäsche und im Stadion geht jedenfalls weiter. Ob im treibenden Rocker "Wieder Zurück" mit Zeilen wie "ich hab für gelb die Rote kassiert" oder in klaren Fußballhymnen wie dem ab AC/DC angelehnten "Hamburg gegen alle" oder dem frommen, balladesk dargebotenen Wunsch jeden HSV-Fans "Auswärtssieg", der Fußball lebt in und außerhalb der AOL-Arena.
Der letzte Punkt der anfangs erwähnten Triologie lässt wie immer für Lotto King Karls Wortspielereien sehr viel Platz in der engen Hose. Auf "Lang Lebe Kelly Trump" huldigt er dem Pornostar für Mittvierziger in seiner ureigenen Art: "Seh ich dich auf dem Bildschirm, geht mir alles gut von der Hand. Lang lebe Kelly Trump". Etwas subtiler spricht der schmissige Popsong "Einfach Nur Küssen" von der schönsten Nebensache der Welt.
Größten Bockmist verzapft er jedoch bei der peinlichen Old School-Persiflage "Mein Ding", die mit schlechten Großmaul-Raps und Rammstein-Gitarren anwidert. Was für ein Unterschied zum Hymen wie "Kannst Du Das" mit Versen wie: "Kannst du mir sagen, wie es weiter geht? Kannst du mir sagen, wie es zur Halbzeit steht?" Die wichtigsten Dinge im Leben eben. Auch ohne Alkohol.
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