laut.de-Kritik
Nicht nur die späte Geburt steht der Rat-Pack-Mitgliedschaft im Weg.
Review von Dominik LippeMit Dean Martin fing es einst an. In einer Show Rudi Carrells sang Mark Keller "Everybody Loves Somebody". Doch die musikalische Karriere blieb aus. Er verdingte sich stattdessen als Fernsehschauspieler zwischen "Alarm für Cobra 11" und "Der Bergdoktor". Im angehenden Herbst seiner Laufbahn holt er den früheren Traum nach. "Mein Kleines Glück" verspricht "swingenden Rhythmus" und "orchestralen Glanz". Dafür sorgt Komponist Claudio Pagonis, der früher hörbar mit Roger Cicero zusammengearbeitet hat, aber auch mit weniger glanzvollen Namen wie dem Ex-Schlagerpiloten Frank Cordes.
"Einmal Mehr Aufstehen" bemüht sich direkt um Sinatra-Stimmung im Big-Band-Format. Anders als bei Loredanas Orchester-Ausflug weiß Pagonis, dass seinem Sänger auf dem Weg zur Rat-Pack-Mitgliedschaft mehr als die späte Geburt im Wege steht. Statt die limitierte Stimme gleich zu Beginn zu überfordern, setzt er mit Piano und dezenten Streichern auf Leichtigkeit, die Mark Keller mit der ironischen Haltung seiner Vorbilder bedient. Altersweise blickt er auf seine wilden Jahre zurück und gibt Lebensweisheiten zum Besten, die vom Vater bis zum eigenen Nachwuchs reichen.
Mark Kellers enge Beziehung zu seinen Söhnen mutet zwar sympathisch an, entschuldigt aber keinesfalls die Kollaboration "Wie Der Vater, So Der Sohn" mit Filius Aaron. "Wie der Junge, so der Mann. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", floskeln sie sich durch das peinliche Duett. Mal als Dialog, mal feixend, mal im Gesprächsgesang offenbart der Stammhalter seinem "Lieblingsvater", in einer wilden, heißen Nacht versehentlich "die eine Frau" geschwängert zu haben und nun Geld für "einen glitzernden Diamanten" und die Aufzucht des Sprösslings zu benötigen.
Seinen zweiten Auftritt feiert Aaron Keller in "Liebe Ohne Leiden", die Cover-Version eines Duetts von Udo Jürgens mit Tochter Jenny. Gleich drei Songs des übergroßen Vorbilds knüpft sich Keller vor. Die Hingabe des Österreichers in "Ich Weiß, Was Ich Will" ist niemals zu spüren. Eher müht er sich, in der Neuauflage mit dem Orchester überhaupt Schritt zu halten. Und wenn Jürgens in "Was Ich Dir Sagen Will" von der "Brandung, die den Fels umspült, die dich erfasst und mit sich in die Tiefe reißt" singt, klingt es exakt danach. Sein Nachfolger wirkt so, als wolle er bei einem Sport Augenhöhe erreichen.
Wenn er zu den Seifenoper'esken Gefühlen des Sinfonieorchesters entfesselt "Das Alte Lied" anstimmen möchte, verabschiedet sich jegliche Emotion aus seiner Stimme. "Martin Mein Einziger Freund" erklingt im Swing-Gewand, und es genügt minimale Vorstellungskraft, um seinen variantenarmen Vortrag durch den einst bestens aufgelegten Roger Cicero zu ersetzen. Till Brönner schwankt im pathetischen "Danke Sagen" zwischen Schwarzwaldklinik und Soldatenfriedhof. Besser schlägt sich Keller, wenn er in "Herz Verloren" locker aus der Hüfte gepfiffen zugibt, einen "leichten Hau" zu haben.
"Die großen Gefühle", verspricht der Pressetext hochtönend, "mal melancholisch, mal mitreißend, aber immer bedingungslos ehrlich vorgetragen" - und zwar "mit einer Stimme, die zu den besten in Deutschland zählt." Mark Keller verfügt über ein geradezu optimales Organ, um Hörbücher einzulesen, doch um Schmachtfetzen zu schmettern, ist er schlicht zu schwach auf der Brust. Telamo schraubt die Erwartungshaltung unnötigerweise in unerreichbare Höhen. Dabei blickt der Barde selbst nüchtern und demütig auf sein Werk: "Dieses Album war ein Traum und den hab' ich mir erfüllt."
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"Wie der Junge, so der Mann. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm", floskeln sie sich durch das peinliche Duett."
Knaller