laut.de-Kritik

In der Roboter-Brust schlägt ein Herz aus Pop.

Review von

Schon einmal überlegt, warum Figuren wie Link aus Zelda oder Mario bei den heutigen technischen Möglichkeiten nicht schon lange realen Menschen gleichen, sondern an ihrem comichaftem Aussehen festgehalten wird? Die Antwort auf diese Frage liegt in einem unheimlichen Tal versteckt. Jenes "Uncanny Valley", das zuerst vom Japaner Masahiro Mori beschrieben wurde. Wir erreichen es immer dann, wenn uns ein Roboter oder Avatar zu human vorkommt. Abstrakte Figuren schließen wir meist viel schneller in unser Herz. Nehmen wir einen kleinen Staubsaugerroboter, der hektisch nach Strom sucht, als putzig wahr, reagieren wir auf ausgefeilte menschenähnliche Androiden mit Argwohn.

Mit ihrem dritten Album begeben sich die New Robotics von Midnight Juggernauts in eben jene Schlucht. Wie viele ihrer momentanen Mitstreiter zelebrieren sie die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Die Australier versuchen uns den Zugang zu ihren auf traditionellen Instrumenten basierenden Songs mit Samples, Effekten und elektronischen Schabernack zu erschweren.

Sie scheitern kläglich. Um uns wirklich abzuschrecken verfügt ihr eigentümlicher Synth-Pop, eine Mischung aus M83, Hot Chip, ELO, OMD, Duran Duran und Air, über zu viele einprägsame Momente und große Melodien.

Die Wurzeln von "Uncanny Valley" liegen tief in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts vergraben. Bereits den Opener "HCL" durchziehen abgehakte Keyboards, wie einst von Giorgio Moroder und Japan erschaffen. Dramatisch baut sich der Song über schattenhaftem Gesang zu einem wärmebehandelten Refrain auf. Vincent Vendetta wirkt wie eine hauchende Ahnung des inhumanen Zukunftsbewohners. Ein hoch auflösender Mike Batt, der ein letztes mal "Love Makes You Crazy" gibt.

Spätestens mit dem überschäumenden Refrain von "Ballad Of The War Maschine" zeigen Midnight Juggenauts, dass unter ihrer entfremdeten Oberfläche ein Herz aus hymnischen Pop schlägt. Eine interstellare Ballade voller wild Purzelbaum schlagender Synth-Arpeggios.

"Master Of Gold" scheint wie die Erinnerung an einen frühen Air-Augenblick über das unheimliche Tal. Im Chorus des Space-Disco-Stampfers "Sugar And Bullets" bricht endgültig und aliengleich ein kleiner Jeff Lynne aus den Juggernauten. Im Weltall hört dich niemand schreien.

Allzu einfach wollen es uns die drei Androiden der Midnight Juggernauts allerdings doch nicht machen. Dem zu süßlichen klebrigen "Deep Blue Lines" folgt das über Oktaven springende und deutlich düstere "Another Land". Ein eisiges Land, in dem Vendetta seine Stimme deutlich herunter schraubt, und, oh Goth, zu einem kleinen Grufti-Außerirdischen mutiert. Der kleine Vampir im Weltall.

Mit "Uncanny Valley" erforschen die Midnight Juggernauts ihre Möglichkeiten, bleiben dabei klar und eingängig. Kein Staubkorn versperrt den Blick auf ihre fremdartigen Klanglandschaften. Ein kosmischer Italo-Disco-Soundtrack voll spitzfindiger Winkel. "Like some New Robotic looking for the TV sound."

Trackliste

  1. 1. HCL
  2. 2. Ballad Of The War Machine
  3. 3. Memorium
  4. 4. Streets Of Babylon
  5. 5. Sugar And Bullets
  6. 6. Master Of Gold
  7. 7. Systematic
  8. 8. Deep Blue Lines
  9. 9. Another Land
  10. 10. Melodiya

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Hab' mir das Album erst nachdem ich davon in dieser Rezension hier (die etwas sehr kritisch für vier Sterne klang, finde ich) gelesen habe, angehört.
    Und das war sicher kein Fehler! Vier Sterne würd' ich auch geben.
    Für mich ist das hypnotische "Memorium" der beste Song des Albums.