laut.de-Kritik

Gute Mine!

Review von

Es war ein beschissenes Jahr, da gibt es nichts zu beschönigen. Mine tut das auch nicht. Aber wie mit all den Emotionen, Gedanken und der Situation umgehen, ohne sich melancholischen Einheitsbrei zu verstricken? Mine hat da ihre eigene Herangehensweise gefunden und erzählt in ihrem neuen Album mal genervt, dann gefühlvoll, fast lyrisch von ihrer Gedankenwelt. Mit Power, Pop, etwas Funk und textlich überzeugend ohne viel drum herum. Mine eben.

In ihr viertes Soloalbum "Hinüber" wurden gewisse Erwartungen gesteckt, hatte ihre 2019 erschienene Platte "Klebstoff" doch viel Lob eingeheimst. Nominiert für den Preis für Popkultur in drei Kategorien, 2016 hatte sie diesen bereits als 'Beste Künstlerin' gewonnen. Die Tour war komplett ausverkauft.

Dann kommt ein Jahr, das Live-Auftritte verbietet und viel Zeit zum Nachdenken lässt. Das hat Mine auch getan. Zwar war ein Album sowieso geplant, doch nun konnte sie so viel Arbeitszeit wie nie zuvor in dessen Entstehung investieren.

Streicher und Trommeln machen gleich im Titeltrack "Hinüber" den Standpunkt klar und steigern sich bis ins Dramatische. So hört es sich eben an, wenn sich die ganze Welt auf die Brust setzt. Wenn der Mensch als argloses Geschöpf das Meer mit Plastik vermüllt, "bis alles hinüber ist". Mine und ihr Feature-Gast Sophie Hunger geben gleich zu Beginn Gas – mit klaren Worten und Paukenschlag.

Mine ist in der lukrativen Situation, vom Musikmachen leben zu können. Des Privilegs ist sie sich bewusst, sie kennt genügend Künstler*innen, denen es anders ergeht. Daraus wollte sie etwas machen und spielte mit Fatoni ein Spendenkonzert.

Aufgenommen wird dieser Blick auf die Welt in "Hinüber" sowie im letzten Track "Unfall", mit dem Mine die Album-Promo im Januar startete. Sie teilte vorher Noten und Text unter singMINEsong.de, damit sich Fans und Künstler*innen schon vorab ihre eigene Version zusammenreimen konnten. Bei Mine beginnt der Song eher zart, dann wird eine Frage nach der anderen in den Raum geschmettert, dazu dröhnen die Klänge, unterstreichen die Gedanken. "Was ist Freiheit? / Wer beengt mich?". "Ich glaube nur an Glück / Du hast es oder nicht / Und was du damit tust / Entscheidest alleine du."

Das Album startet und endet schwer. Heißt aber nicht, dass nicht auch Platz für andere Dinge bliebe. Wie die Ballade "Mein Herz". Würde Liebeskummer-Aufarbeitung immer so authentisch und nicht so überemotional kitschig klingen, hätte die Pop-Industrie mit ihren Jim Pandzko-Verschnitten weniger Image-Probleme.

Nicht umsonst wird Mine nachgesagt, dass sie Pop macht, der anders klingt. Obwohl es nicht ganz richtig ist, sie ins Regal zu aktuellen Pop-Alben zu stellen. Mit Elektro, Funk und HipHop spielt sie mit mehreren Elementen, die sich ergänzen, den Texten aber nicht ihre Kraft nehmen.

So klingt "Bitte Bleib" zuerst noch hoffnungsvoll, meint aber doch "Bleib NICHT wie du bist". Eindringlich beschreibt Mine die Gefühlslage von Abschied und notwendiger Veränderung. Gefühlsmäßig kommt sie einem auch auf die Schliche, wenn sie in Kopfstimme den "Elefant" besingt, um die Metapher im Porzellanladen einzufangen. Inspirieren ließ sich Mine angeblich von schlechter Fahrstuhlmusik. Rauszuhören ist das auch wegen den Funk-Elementen eher schwer.

Bei "Audiot" sind Dexter und Crack Ignaz zu Gast. Unmissverständlich ausgedrückt mit "Du magst Scheiße, doch das is schon ok" haben sie am Formatradiomist etwas auszusetzen. Tut ja auch keinen weh, oder kann man doch an schlechtem Musikgeschmack sterben?

Dagegen hilft Mine hören. In "Hinüber" findet sie die richtigen Worte und bringt mit ihrer aufrichtigen und direkten Art das rüber, was vielen im Kopf rum geht. Vielleicht mit dazwischen etwas dramatischen Klängen, bringt sie es trotzdem auf den Punkt. Ja, auch wenn es abgedroschen ist und sich wiederholt: Mine macht Pop hörbar.

Trackliste

  1. 1. Hinüber (feat. Sophie Hunger)
  2. 2. Bitte Bleib
  3. 3. KDMH
  4. 4. Mein Herz
  5. 5. Audiot (feat. Dexter, Crack Ignatz)
  6. 6. Eiscreme
  7. 7. Lambadaimlimbo
  8. 8. Elefant
  9. 9. Tier
  10. 10. Unfall

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