laut.de-Kritik

Zwischen Berserker und Bambi.

Review von

Spiel, Satz und Sieg: Mogwai. Das makellose Portfolio der schottischen Postrock-Hools dürfte inzwischen fast jeder Instrumentalband die Schamesröte ins Gesicht treiben, die sich der Illusion hingibt, mehr als zwei gute Alben in Folge (oder überhaupt) zu Stande zu bringen.

Die einzige Band, die völlig ungeniert zugibt, dass sie ihre Musik auch an Tieren testet, hat im LAUTschen Plattenarchiv keine einzige Leiche im Keller: 4, 4, 5, 4, 5, 5, 4, 5 – auf einen ähnlich konstanten Notenspiegel brachten es nicht wenige von uns zuletzt als Pennäler im oktroyierten Religionsunterricht.

Auch im Guinnessbuch der beknacktesten Song- und Albumtitel liegen Stuart Braithwaite, John Cummings, Martin Bulloch, Barry Burns und Dominic Aitchison mit den meisten Einträgen längst uneinholbar vor Spinal Tap, Ween und Frank Zappa. Mit der evolutionstheoretisch nur schwer anzufechtenden Ansage "Hardcore Will Never Die, But You Will" hieven die Celtic Glasgow-Ultras ihr lyrisches und musikalisches Erbe auf das nächsthöhere Level.

Selbst innerhalb des genrebedingt zwischen den Phänotypen Berserker und Bambi abgesteckten Aktionsradius überraschen Mogwai immer noch mit unvermuteten Sperenzchen. So fällt der Opener "White Noise" entgegen alter Gepflogenheiten ohne langes Vorspiel mit der Tür und Breakbeat ins Haus.

Den unpeinlichen Umgang mit einem Vocoder führt uns Multiinstrumentalist Barry Burns dann eindrucksvoll im "Mexican Grand Prix" vor, während seine Teamkollegen keinen Hehl daraus machen, dass sie neben norwegischem Black Metal gelegentlich auch MGMT hörig sind. Mit straightem Uptempo-Beat und verschwurbelten Seifenblasensounds wagen sich Mogwai hier so nahe an Neonlicht beflutete Tanzflächen heran, wie nie zuvor.

Dann, nach über zehn Minuten, Auftritt: die unverzichtbare Bratgitarrenmassage. Frühaufsteher, die aus unerfindlichen Gründen meinen, eine Instrumentalband habe in den Singlecharts genauso viel verloren, wie Lothar Matthäus auf der Trainerbank eines deutschen Erstligisten, seien hiermit herzlich eingeladen, sich für den Stadionstomper "Rano Pano" einen noch mit zwei Promille aufwärts mitgrölfähigen Refrain auszudenken, auf dass wir endlich vom totge-'oh'-ten Kurvenschunkler "Seven Nation Army" erlöst werden mögen. Allen, die sich beim Musikhören vornehmlich Orientierung suchend am Gesang festkrallen, empfehle ich, "Rano Pano" fünfmal täglich in den Nachbarschaftsfrieden gefährdenden Dosen einzunehmen. Einen im positiven Sinne penetranteren Floh hat mir in diesem Jahr noch niemand ins Ohr gesetzt.

Apropos Ohrwürmer: Fiel der Quickie "The Sun Smells Too Loud" mit seinem Popappeal im Kontext des Vorgängers "The Hawk Is Howling" noch deutlich aus dem Rahmen, dampfen Mogwai ihre einst ausufernden Songstrukturen auf dem siebten Studioalbum verstärkt ein. Bei "Death Rays" oder "San Pedro" lassen sie in knappen sechs bzw. drei Minuten dank kompositorischer Raffinesse, komprimierter Dynamik und gestauchter Spannungsbögen dennoch alle Elemente aufblitzen, die ihren ureigenen Sound auszeichnen. Die Mannschaftsaufstellung ist sozusagen die gleiche geblieben, sie ziehen ihr Spiel lediglich mit einer neuen Taktik auf.

Wer Mogwai dennoch Stilbruch vorwirft, ist gut beraten, sich HWND, BYW in der Limited Edition (2CD, 2LP oder Vinyl-Box) zu KAUFEN. Der darauf enthaltene Bonustrack "The Singing Mountain" toppt mit 26 Minuten sogar die bisherige Überlänge von "My Father My King". Mogwai Will Never Die, But You Will.

Trackliste

  1. 1. White Noise
  2. 2. Mexican Grand Prix
  3. 3. Rano Pano
  4. 4. Death Rays
  5. 5. San Pedro
  6. 6. Letters To The Metro
  7. 7. George Square Thatcher Death Party
  8. 8. How To Be A Werewolf
  9. 9. Too Raging To Cheers
  10. 10. You're Lionel Richie

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