laut.de-Kritik

Brückenschlag zwischen Bob Marley, Protoje und Jah9.

Review von

"Shelter From The Storm" verdient das Prädikat 'perfektes Roots Reggae-Album'. McAnuff stammt aus einer musikalischen Familie. "Trommeln und singen lagen immer in der Luft, als ich Kind war", sagte Nadia, Tocher von Winston McAnuff, einmal dem Magazin N9. An seiner Seite war sie als Nyabinghi-Drummerin beim Inna De Yard-Kollektiv zu erleben. Der legendäre Geschichtenerzähler aus Jamaika gehört neben Jimmy und Toots zu den Rasta-Vertretern, die Genregrenzen übertraten: So nahm er Acoustic-Songs auf und mehrere Chanson-Reggae-Fusion-CDs mit einem französischen Akkordeonisten.

In dieser Koop liegt bereits die Wurzel von Nadias Verbindung zu Frankreich, wo ihre Band und ihr Label beheimatet sind. Auf "Shelter From The Storm" rappt auch Nadias Sohn Yslam. Kush McAnuff, ein Bruder Nadias, wiederum versucht, im Windschatten des Rummels um ihre LP noch mal seine Solokarriere zu pushen und brachte diesen Frühling nach langer Pause zwei Singles heraus. Beide klingen schön, bewegen sich indes strikt im Roots-Rahmen. Im Gegensatz dazu fächert die Singer/Songwriterin ihren Radius entlang mehrerer Genre-Verzweigungen auf. Erfahrung dafür sammelte sie jahrelang mit ihrer Funk-Band Agape. Als eines ihrer Lieblingslieder zähltsie zudem Björks "All Is Full Of Love" auf.

In "Freedom Of Peace" bettet sie ihr hypnotisch vorgetragenes Friedens-Meinungsfreiheit-Mantra in Afrofunk-Trommeln und Trompete ein. Schon hier kommt der Eindruck einer meditativen Platte auf. Im Laufe ihrer Kindheit machte sich Nadia bereits mit dem Kuku-Rhythmus an Djembe-Trommeln und mit westafrikanischen Manjini-Beats vertraut. Ihr Move in Richtung Nigeria ist insoweit völlig authentisch.

Das noch sakraler anmutende "Know Who" flowt auf einer Soul-Architektur mit schneidender E-Gitarre und sportlichen Keyboards-Sprüngen zwischen klirrendem Klimpern und bebenden Tieftönen. Das Ganze badet in HiFi-Raumklang. Das Mastering besorgte Tippy von den Virgin Islands, bekannt für seine Arbeit mit Vaughn Benjamin. Großartig arrangiert Nadias Backing-Band The Ligerians aus Tours im Nordwesten Frankreichs die Background-Vocals, wie es kein Kirchenchor besser könnte. Das einprägsame und schwermütige Lied handelt vom Wolf im Schafspelz, einem im Rasta-Milieu ungebrochen beliebten Metaphern-Motiv.

"Yes We" ist ein atmosphärisch inszenierter Rub-a-dub mit besagter Rap-Einlage des Sohnemanns. Vortragstechnisch erinnert Nadia an ihre jüngere Kollegin Lila Iké. Viele Artists von Blvk H3ro bis Yaadcore etabliert seit einigen Jahren einen R'n'B-artigen Reggae, der sich Spoken Word- und Rap-Einlagen öffnet. In diesen Trend fügt sich der Track ein.

Daneben gibt es auch reichlich typische Roots-Dub-Standardkost, wenn auch auf spielerisch hohem Level. "Waiting Room" beeindruckt als Spagat aus History-Ballade und andererseits treibenden Beats. Das Systemkritik-Repatriation-Thema erinnert an die Sklaven-Verschleppung früherer Jahrhunderte. Der Titelsong "Shelter" klingt sanfter und verhandelt das Thema 'Jah Love' auf brillanten Keyboard-Reverbs. "Fade Away" fußt auf einer fetten Bassdrum, "Sorry" erzählt überzeugend von Musik als Orientierungshilfe und Seelenrettung.

Gerade das geniale Tastenspiel von Emma Hocquellet dominiert die Scheibe. Somit eignet sich "Shelter From The Storm" stilistisch für Fans von Groundation, Tribal Seeds, Third World, Mykal Rose, Sebastian Sturm und Xana Romeo. Wem diese Artists zusagen, wird hier ziemlich sicher happy.

Der Brückenschlag zwischen konsequentem Purismus und stilerweiternden Unterbrechungen gelingt bestens und macht das Album gut hörbar. Es ist ein Werk für lebenserfahrene Reggae-Fans, die den fernen Zeiten Bob Marleys nachtrauern, so erscheint das gute Teil folgerichtig auch auf Viny. Gleichzeitig kann ein Tune wie "So Jah Seh" mühelos die jüngere Fraktion abholen, Fans, die Protoje, Jah9 und Micah Shemaiah rotieren lassen. Nadia (Harris) McAnuff sollte man auf jeden Fall im Auge behalten, ein Artist to watch.

Trackliste

  1. 1. Love Divine
  2. 2. So Jah Seh
  3. 3. Freedom Of Peace
  4. 4. Know Who
  5. 5. Holy
  6. 6. Waiting Room
  7. 7. Shelter
  8. 8. Fade Away
  9. 9. Sorry
  10. 10. Yes We

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