laut.de-Kritik

The world is his: noch ein Aufguss des Meilensteins.

Review von

Vor zwanzig Jahren veröffentlichte Nasir Jones sein Debüt-Album "Illmatic" und erschuf einen Meilenstein, eines der besten Rap-Alben aller Zeiten. Logisch, dass ein profitorientiertes Label auch zwei Dekaden später noch versucht, mit diesem Juwel Geld zu verdienen.

So bringt das Jahr 2014 eine weitere Neuauflage der Platte mit sich, namentlich "Illmatic XX" - für einen durchaus fairen Preis, sofern man sich mit der CD-Ausgabe begnügt. Die beinhaltet zum einen natürlich die zehn Perlen, mit denen anno 1994 schon das Original begeisterte.

Allein das reicht schon als Berechtigung, "Illmatic" nach der "10 Year Anniversary Illmatic Platinum Series" erneut aufzuwärmen. Schließlich ist für jeden Grund, sich das Album zum zigsten Mal anzuhören, Dankbarkeit angesagt. Ob "One Love", "It Ain't Hard To Tell", "Life's A Bitch" oder "The World Is Yours": Die Tracks dröhnen auch heutzutage noch herrlich unverbraucht und zeitlos aus den Boxen. Meilenstein bleibt Meilenstein.

Ein Fragezeichen steht folglich nur hinter der zweiten CD, die neben den zu erwartenden Remix-Versionen auch zwei bislang unveröffentlichte Stücke parat hält. Bei "I'm A Villain" handelt es sich um eine Demo-Aufnahme aus den frühen Neunzigern. Hier stellt der junge "New York City slayer" zu wohligem Schallplatten-Knacken und den Klängen der Drum-Machine klar, dass er nicht zu Späßen aufgelegt ist: "I'm out to kill like Navy Seals / I'm crazy ill and what I can't do my .38 will". Man muss sich ja zu helfen wissen im "N.Y. State Of Mind", notfalls auch mit dem Colt.

Besonders für einen bestimmten Hersteller hat Nas offenbar ein Faible: "Gimme a Smith'n'Wesson / I'll have niggas undressin'": nicht die einzige Zeile, die den Verdacht erhärtet, "I'm A Villain" sei eine frühe Demo von eben jenem "N.Y. State Of Mind". Dort trifft man exakt dieselbe Textpassage an. Bei genauerem Hinhören oder Nachlesen lassen sich etliche Ähnlichkeiten oder gar Übereinstimmungen finden. Das ist nicht einfach nur interessant, "I'm A Villain" entpuppt sich darüber hinaus als wahnsinnig guter Track. Die Bonus-CD überhaupt einzulegen, hat sich jedenfalls schon jetzt gelohnt.

Das absolute Highlight folgt aber wenig später: Im Oktober 1993 war Nas zu Gast in der "Stretch Armstrong And Bobbito Show" des New Yorker Radiosenders WKCR. Nach einem kurzen Gespräch über sein kommendes Album performte der damals 20-Jährige zusammen mit 69, Sudan, Jungle und Grand Wizard einen fünfminütigen Freestyle. Sich diese Aufnahmen in ungeschönter Radioqualität der frühen Neunziger anzuhören, einen jungen Rapper zu erleben, der noch nichts von seinem Mega-Erfolg ahnt, sorgt für einen wahrlich epischen Moment.

Die Begeisterung ebbt angesichts der übrigen Stücke jedoch ziemlich ab. Dreimal "It Ain't Hard To Tell", zweimal "One Love" - die Remixe, versehen mit mal rockigeren, mal souligeren Elementen, gehen alle als gelungen durch, sorgen aber in keinem Moment für ein völlig neues Erlebnis. Dass das durchaus im Bereich des Möglichen liegt, zeigte 2004 der Explicit Remix von "It Ain't Hard To Tell", der den Track auf eine völlig neue Stufe hievte.

"Illmatic XX" hinterlässt einen gemischten Eindruck. Die zwei unveröffentlichten Titel sorgen für erhöhten Puls bei Fans und Sammlern, die acht nur leicht veränderten und leider belanglosen Remixe der Originale lassen jedoch kalt. Nas-Fanatiker, die in siebzig Jahren einen kompletten Regalboden mit Illmatic-Reissues füllen wollen, können jedoch vor allem angesichts des Preises bedenkenlos zuschlagen.

Für den unwahrscheinlichen, ja gar unmöglichen Fall, dass da draußen ein Rap-Fan das Meisterwerk "Illmatic" noch nicht besitzt, gilt: lieber zur "10 Year Anniversary Illmatic Platinum Series" greifen. Oder zehn weitere Jahre im Tal der Ahnungslosen verbringen, bis 2024 die nächste Jubiläumsausgabe erscheint. Dann vielleicht mit markanteren Remix-Tracks und noch mehr unveröffentlichtem Material. Bis dahin: Don't sleep, "'cause sleep is the cousin of death".

Trackliste

CD 1

  1. 1. The Genesis
  2. 2. N.Y. State Of Mind
  3. 3. Life's A Bitch
  4. 4. The World Is Yours
  5. 5. Halftime
  6. 6. Memory Lane (Sittin' In Da Park)
  7. 7. One Love
  8. 8. One Time 4 Your Mind
  9. 9. Represent
  10. 10. It Ain't Hard To Tell

CD 2

  1. 1. I'm A Villain
  2. 2. The Stretch Armstrong And Bobbito Show On Wkcr October 28, 1993
  3. 3. Halftime (Butcher Remix)
  4. 4. It Ain't Hard To Tell (Remix)
  5. 5. One Love (LG Main Mix)
  6. 6. Life's A Bitch (Arsenal Mix)
  7. 7. One Love (One L Main Mix)
  8. 8. The World Is Yours (Tip Mix)
  9. 9. It Ain't Hard To Tell (The Stink Mix)
  10. 10. It Ain't Hard To Tell (The Laidback Remix)

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5 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Bezeichnend dafür, dass das Label die ganze Platte praktisch wegen zwei Tracks als neue "Deluxe Super Remix Doppel-CD Fanverarsche" veröffentlicht, ist das eben jene Titel "Im a villain" und "The Butcher.." nicht auf Spotify dabei sind. Die fünf "It ain't hard to tell" Remixe sind doch liebloser Scheiss von der Producerstange.

  • Vor 10 Jahren

    Das dicke Boxset von Get On Down -> das hier.

    Derweil bekam auch 'The Infamous' eine Wiederveroeffentlichung zum 10-jaehrigen Jubilaeum, wenn auch ein Jahr zu frueh. Im Paket mit einem neuen Album, das - wider Erwarten - gar nicht so uebel ist. Kaufgrund war aber natuerlich die Bonus-CD mit den restlichen Stuecken der Aufnahmesessions anno dunnemal. Wuerde sich vielleich eher lohnen, das nochmal zu rezensieren alles.

  • Vor 10 Jahren

    Da ich tatsächlich noch kein Besitzer von "Illmatic" bin habe ich mir auf anraten der Review mald die 10th anniversay version zu gelegt und dank dem Herrn Baude auch sofort "The Infamous" mit bestellt.

  • Vor 10 Jahren

    Ajo, 'life's a bitch and then you die...'

  • Vor 10 Jahren

    Siehe deine Mudda. Ich kaufe wg. 2 ein halb Stücken kein Album, wenn ich´s Original habe. Wer´s jedoch nicht hat, sollte blind zuschlagen. Mindestens All time Top 5, kriege die anderen gerade nicht beieinander :D

    Zudem sollte Nas das 10 fache verdienen von dem was er jetzt hat, um zumindest annähernd an Jay Z Verhältnisse zu kommen. Tja, Life´s a Bitch.