laut.de-Kritik
Comeback-Konzert in London vor großer Kulisse.
Review von Michael SchuhIm Nachhinein ist man meistens schlauer und dass ich New Orders Comeback-Album "Get Ready" seinerzeit nicht mit der Höchstpunktzahl bedacht habe, regt mich bis heute auf. Zehn Songs wie aus einem Guss, mitreißend, kraftvoll, hymnisch. Ein Highlight der Bandgeschichte. Es bedarf keiner allzu großen Prophetie, dass es die jüngeren Manchester-Lads von Oasis kaum schaffen werden, mit Mitte Vierzig ein solch stimmiges Werk abzuliefern.
Auch auf den Bühnen feierten New Order 2002 ein gigantisches Comeback, vor allem dank der frisch entwickelten Zuneigung zu alten Joy Division-Krachern. Vor uns liegt nun eine DVD-Aufnahme des Konzerts im rappelvollen Londoner Finsbury Park, wo es der Herkunft des Hauptacts entsprechend den ganzen Tag in Strömen schüttete. Beim Opener "Crystal" hatte dann selbst Petrus ein Einsehen und die Regenschirme durften endlich zugeklappt werden.
Bernard Sumner und Co. sind gut in Form und kredenzen den mitgealterten Fans sechs lupenreine Joy Division-Oldies, wenn man "Ceremony" auch als solchen zählt: Gesetzt waren wie schon auf hiesigen Bühnen "Transmission", "Atmosphere" und "Love Will Tear Us Apart", dazu gibts diesmal "She's Lost Control", dessen Refrain einmal mehr aufzeigt, wie fünf simple, der Tonleiter nach ansteigende Akkorde rocken können. Wow!
Bei "Digital" wünscht man sich dann endgültig sowas wie "An Evening With Joy Division played by New Order". "Viele Leute schreiben uns und sagen, hey, eure alten Stücke sind besser als eure neuen. Ich finde unser neues Album gut. Im Gegensatz zu unseren alten Sachen fehlt ihnen nur eine Geschichte." Schöner als Sänger Sumner hätte es kein Kritiker formulieren können. Dennoch spielen sie in London nur drei "Get Ready"-Songs, lassen sogar das mächtige "Rock The Shack" weg. Doch schuld hat hier klar das Publikum, das bei einer Songabstimmung Sumners einträchtig für "Blue Monday" votiert.
Bei dem Disco-Brenner darf Barney wieder seinen Tanzbär rauslassen, wie schon bei "Bizarre Love Triangle". Traurig nur, dass der Mann nach wie vor all seine Texte vom Monitor ablesen muss, was auf einer DVD-Aufnahme recht eindrücklich zur Geltung kommt. Basser Hookys hüpfendem Wohlstandsbauch sieht man dagegen immer gerne zu. Währenddessen zieht Drummer Morris von Beginn der Show an ein Gesicht, als würde er für jeden Viervierteltakt ans Äußerste seiner Reserven gehen. Zum Abschluss gibts das getragene "Your Silent Face", das den Abend sanft ausklingen lässt. Die 17 Minuten lange Bonusmaterial-Rubrik fällt allerdings etwas schmal aus. Einige Konzertmitschnitte (u.a. mit Billy Corgan in Liverpool), weitere Joy Division-Songs und ein paar Interviews mit Sumner und Fans ergänzen das Konzert.
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