Endlich wieder Festivalsommer und Party statt Online-Vorlesung und Lockdown.
Konstanz (laut) - Zwei Jahre Online-Vorlesungen, zwei Jahre kaum persönliche Kontakte – und zwei Jahre kein Campus Festival in Konstanz! Die Corona-Pandemie hat auch viele Studierende ordentlich gebeutelt. Vorbei ist sie zwar noch nicht, gemeinsames Feiern geht aber wieder. Das nutzten am vergangenen Wochenende zahlreiche Student*innen beim Konstanzer Campus Festival mit Kraftklub, AnnenMayKantereit und vielen mehr. Neben dem richtig guten Sound sorgte die euphorische Stimmung im ausverkauften Bodenseestadion für ein echtes Highlight.
Der Freitag: lässige Juju, "Ein Song Reicht" Kraftklub
Während die meisten Besucher*innen am späten Freitagnachmittag noch in den endlos langen Schlangen vor dem Einlass stehen, liefern Power Plush und CATT schon mal für das musikalische 'Herzlich Willkommen'. Um die Hauptbühne mitten im Stadion wartet zudem viel Rahmenprogramm, von der Fressmeile über Merch-Shop bis hin zum Flunkyball-Stand.
Zusätzlich gibt es oberhalb die zweitgrößte Bühne 'Atlantis' und zwei weitere kleine, auf denen parallel gespielt wird. Zwei Tage vor Festivalbeginn hatte der Wetterbericht noch durchgängig Regen angekündigt, aber die Wettergötter zeigen sich mit den zahlreichen Studierenden, die aus Konstanz und Umgebung angereist sind, gnädig: blauer Himmel, Sonne – perfekte Bedingungen, was soll da noch schiefgehen?
Die positivste Überraschung
Um 19 Uhr steht der erste größere Act auf der Hauptbühne an: Die Indie-Pop-Jungs von Provinz sind aus ihrer Heimat in der Nähe von Ravensburg angereist. Sie heizen mit "Hymne Gegen Euch" ein, auch "Verrate Deine Freunde" geht ab, das Publikum beweist Textsicherheit und sogar ein Überraschungsgast schaut für einen Song auf der Bühne vorbei: Majan.
Dass Provinz Pandemie-bedingt noch nicht auf so vielen Festivals gespielt haben, merkt man ihnen überhaupt nicht an. Frontmann Vincent Waizenegger gibt alles. Kurz die Gitarre gewechselt, Schweiß abwischen, ein Schluck Wasser und weiter. Live klingen sie um Längen besser als erwartet, auch das Publikum ist begeistert: "So ein bisschen wie die lieben Schwiegersöhne von nebenan, aber echt mega!", befindet eine Besucherin.
Die Hochkaräter kommen aber erst noch: "Ich freue mich am meisten auf Juju und natürlich Kraftklub. Ey, Kraftklub, ich heule." Die Stimmung passt also, während die Bühne umgebaut wird, grölt das sich füllende Stadion A-has "Take On Me" mit. Ja, es ist schon jetzt eine Menge Bier geflossen.
Der beste Auftritt
Es folgt der beste Auftritt des Abends: Nein, nicht Kraftklub. Juju. Gleichgültig, was man von ihrer Musik halten mag, das war richtig geil. "Komm, wir trinken erst mal einen zusammen" eröffnet sie die Show, erzählt dann einen Schwank nach dem anderen aus ihrem Leben, witzelt herum und strotzt nur so vor Motivation: "Ey, da hinten, könnt ihr noch nen Moshpit machen, schlaft mal nicht ein!"
Man hat das Gefühl, die würde hier auch stehen, wenn sie kein Gage bekäme. Musikalisch liefert sie die bekanntesten Hits, starke Rap-Skills, das Übliche – bis auf einen unreleasten Song, gefolgt von "Fick die AfD"-Sprechchören. Ihre Bühnenpräsenz insgesamt ist an Lässigkeit kaum zu überbieten.
Juju holt eine Zuschauerin zum Duett auf die Bühne, wechselt kurz darauf auch selbst runter ins Publikum, jederzeit begleitet von ihrem Drink in der Hand: "Ich trinke Tequila mit Zitrone. Ekelhafter Geschmack, aber geiler Effekt. Würd' ich euch auch empfehlen." Einfach Spaß bei der Sache, sehr Fan-nah und locker – passt optimal zum Vibe des gesamten Abends.
Die beste Musik
Dann wird es richtig gerappelt voll. Endlich, Headliner-Time: Kraftklub! Im schwarzen Regenmantel-Look spielen die Chemnitzer ihre bekanntesten Tracks von "Wie Ich" und "Schüsse In Die Luft" über "Ich Will Nicht Nach Berlin" bis hin zum immer noch brandneuen "Ein Song Reicht". Musikalisch klar der Höhepunkt des Abends, das sieht auch das ekstatische Publikum so.
"Für uns ist das das erste Mal seit gefühlt vier Jahren, dass wir auf nem Festival sind", erzählt Frontmann Kummer und ergänzt lachend "Die Ansagen sitzen noch nicht so richtig." Das merkt man. Zwischen Witzeleien über Studierende, Bafög, Krypto-Währungen und dem nur halb erfolgreichen Versuch, Ossi-Sprechchöre zu starten, merkt man, dass der Rahmen rund um die Musik noch etwas eingerostet wirkt. Vielleicht ist dieser Eindruck aber auch nur der logischerweise sehr hohen Erwartungshaltung geschuldet.
Schließlich machen Kraftklub richtig gut Stimmung, mit roter Pyro-Fackel und allem, was das Herz sonst noch so begehrt. Natürlich stets im Blick: das Wohlergehen des Publikums. "Ein Moshpit ist nur gut, wenn sich auch Frauen darin wohlfühlen. Und wenn jemand umfällt, kümmert euch umeinander." Mit dem Auftritt ist die große Party vorbei. Nach der Party ist aber natürlich vor der Party, so ruft Kummer zum Weiterfeiern auf dem Campingplatz auf: "Wir haben so 'nen Buss, da nehmen wir paar Leute mit."
Der emotionalste Act
Ein weiteres Highlight des Freitags sei noch erwähnt: Majan spielt parallel zu Kraftklub auf der 'Atlantis'-Bühne. Nur halb so viele Menschen, die Stimmung ist trotzdem mindestens genauso gut. Vor allem gegen Ende bei bekannten Hits wie "Tag Ein Tag Aus" oder der emotionalen Darbietung von "Es Geht Mir Gut". Ein Abend ohne Feuerzugschwenken, einen Gruppenhug auf der Bühne und ein bisschen Sentimentalität wäre ja irgendwie auch langweilig gewesen. Der Freitag war aber natürlich erst der Anfang.
Der Samstag: Schwiizerdütsches Highlight, Gänsehaut bei AnnenMayKantereit
Die Bezeichnung Sonnabend für Samstag passte nie besser als am zweiten Festivaltag. Kein Wunder also, dass nun auch die letzten Konstanzer (Studies) bei idealem Festivalwetter am Start sind. Das Finale des ESC am selben Abend interessiert hier die wenigsten. Allerdings der Sieg des VfB: In den Bussen, vor den Eingängen und im Bodenseestadion schallen Jubelrufe über den Klassenerhalt der Stuttgarter. Auf der Main Stage aka 'Charivari'-Bühne heizt Alli Neumann um kurz vor sechs mit "Bike Boy" und "Banditen" ein. Doch eigentlich warten die meisten vor allem auf Jeremias, Faber und natürlich AnnenMayKantereit.
Die positivste Überraschung
Jeremias, benannt nach ihrem Frontmann, sind sowas wie die Provinzler aus dem Norden. 2019 sangen die Hannoveraner noch "Grüne Augen Lügen Nicht", 2021 auf einmal "Blaue Augen". Die Auflösung folgt im neueren Song: "Grüne Augen werden blau, doch ich bin immer noch dabei." Am Samstag spielen die vier Jungs beide Tracks, ebenso wie zwei noch unveröffentlichte. Doch zum Einstieg geht es erst mal von "Paris" zu "Hdl". Klingt kitschig, aber dennoch lässig. Die Musik kommt übrigens mindestens genauso super an wie Sänger Jeremias. Für ihn tönen "Ich will ein Kind von dir"-Rufe aus dem Publikum.
Wenn die Stimmung schon so top ist, wie wärs dann mit "Liebe Zu Dritt"? Die sommerliche Nummer, eigentlich ein Feature gemeinsam mit Majan und Provinz, singt das Publikum auch ohn diese Protagonisten textsicher mit. Natürlich werden am Ende auch die Handytaschenlampen gezückt. Dass es noch taghell ist, stört dabei keinen.
Der beste Auftritt
"Und ich hab' mehr Highlight im Gesicht als im Leben / Ich finds schön, wenn es regnet / Ich frag mich: Was hab' ich denn getan? / Ich Hure wollte euch doch nur gefallen." Solche Lyrics singen nicht viele, ohne dass es unangenehm wird. Er schon: Faber. Der Schweizer beginnt seinen Gig mit gleichnamigem Song. Unterstützt wird er von seiner Band, die klamottentechnisch irgendwo in den 70ern hängengeblieben ist. Nach dem fulminanten Auftakt kommt die Nummer, die das Publikum nicht zu ernst nehmen sollte: "Jung & Dumm". Außerdem folgen "Nie Wieder", "Generation YouPorn" und ein Song auf Schwiizerdütsch. Auch ohne explizite Lyrics wird es hier heiß.
"Wenn ihr heute Nacht nicht allein nach Hause gehen möchtet, dann macht es besser als Vivaldi." Welches Lied folgt, dürfte klar sein. Spätestens jetzt bleibt keiner mehr stillstehen. Stichwort: Moshpit. Energietechnisch bieten Faber und Band alles auf, musikalisch sowieso. "DJ Real Madrid hat Geburtstag", meint Faber zwischendrin. Wer das ist? Der Dude an Schlagzeug und Posaune. Für ihn stimmt das Publikum selbstverständlich "Happy Birthday" an. Schöner Moment, ebenso wie der Kracher "Tausendfrankenlang". Tausendstundenlang hätte das Konzert noch weitergehen können.
Die beste Musik/der emotionalste Act
Um Viertel vor zehn startet die große AnnenMayKantereit-Show und der letzte Auftritt beim Campus Festival in diesem Jahr: "Es ist so schön wieder hier zu sein." Es folgen "Nur Wegen Dir", "Marie", "Wohin Du Gehst" und ein neuer Track. Die drei Jungs um Sänger Henning May haben noch drei Mädels zur Unterstützung dabei. Nach dem Klassiker "Oft Gefragt" ruft May: "Danke für die Gänsehaut." Gänsehaut bekommt das Publikum vor allem bei "Ozean" zu spüren. Den Song spielen sie auf einer kleinen Bühne inmitten der gut 20.000 Fans.
"Es tut mir leid..." – klar, "Pocahontas" darf natürlich nicht fehlen und wird lautstark mitgesungen, mitgetanzt wird bei "Jenny Jenny". Einige Moshpits und die Zugabe von "Barfuß Am Klavier" später, spielen sie zum Ende "Tommi" in der Konstanz-Edition. Gänsehaut, die zweite. AnnenMayKantereit liefern und zählen neben Kraftklub zu Recht zu den besten deutschen Festivalbands.
Eine gute Zeit!
Am Ende bleiben neben vielen Begegnungen, gutem Essen, viel Spaß, super Stimmung und natürlich viel toller Musik vor allem die Worte von Majan hängen: "Vor ein paar Wochen waren wir noch im Lockdown und jetzt stehen wir alle wieder hier und haben so eine gute Zeit." Trifft den Nagel auf den Kopf. Man merkt über das gesamte Wochenende, dass alle einfach froh sind, endlich wieder ausgelassen feiern zu können. Ein Event, der richtig Bock auf den Festivalsommer macht.
Text: Lena Bayer und Jakob Hertl.
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