laut.de-Kritik
Die Sinfonie-Metaller blicken zurück zum ersten Demo.
Review von Manuel BergerSo verschrieen sie sein mögen, auch Best-Ofs haben ihren Nutzen. Zum Beispiel für Leute, die noch nicht alle Platten der jeweiligen Band besitzen und sich einen kompakten Überblick verschaffen wollen. Wer mit dieser Absicht an Nightwishs "Decades" herangeht, holt die CD vermutlich nach fünf Minuten entnervt aus dem Player. Denn kein eingängiger Hit eröffnet die Compilation, sondern das beinahe halbstündige Epos "The Greatest Show On Earth".
Das hat natürlich einen Grund. Das Doppelalbum ist chronologisch sortiert, der Hörer startet beim neuesten Song der Tracklist ("The Greatest Show On Earth" beschließt das 2015 erschienene "Endless Forms Most Beautiful") und arbeitet sich durch bis zum ältesten – dem Demo "Nightwish" von 1996. Mastermind Tuomas Holopainen sieht "Decades" dabei nicht als klassische Best-Of, sondern begründet die Auswahl der Songs mit ihrer Bedeutung für die Band. Und ja, da ergibt es natürlich Sinn, den längsten Song der Bandhistorie aufzunehmen, zumal Bassist Marco Hietala ihm einmal zuschrieb, alles zu vereinen, wofür Nightwish stehen.
Schön, dass Holopainen bei der Auswahl das aktuelle Line-Up nicht bevorzugte, sondern die Anteile recht gleichmäßig verteilte. So ist Floor Jansen nur in den ersten drei Songs – "The Greatest Show On Earth", dem wunderbar melodischen Folk-Rocker "Élan" und "My Walden" – zu hören, bevor Anette Olzon für fünf Songs von "Imaginaerum" und "Dark Passion Play" übernimmt. Zwei Drittel stemmt folgerichtig Tarja Turunen.
Tatsächlich ergibt sich so ein schönes Bild der einzelnen Epochen Nightwishs: vom sinfonischen Opener, über die rockigere Olzon-Phase und den Bummsbeat-Ausrutscher "Wish I Had An Angel" zum Kapitel "Oceanborn", das mit vier Songs die stärkste Kraft auf dem Album stellt. Wohl zurecht, denn die Entwicklung vom Debütalbum bis dorthin ist ob des gesanglichen Totalausfalls "The Carpenter" deutlich erkennbar. Weil sie den einst aber als erste Single auskoppelten und es gar bis auf Platz 3 der finnischen Charts schafften, muss natürlich auch dieser rein.
Sämtliche Tracks remasterte die Band natürlich, so tönen die älteren Songs etwas kraftvoller, vor allem in den Gitarrenspuren. Da Nightwish aber selbst zu Demozeiten nie wirklich einen schlechten Sound hatten, fällt das nur minimal ins Gewicht. Mangels zusätzlicher Bonustracks (Holopainen: "Wir haben einfach keine“) ist "Decades" für Fans deshalb mehr Regal-Deko als essenziell, aber wenigstens eine, die Spaß macht, zu hören.
1 Kommentar mit einer Antwort
Lese ich da ernsthaft eine gewisse Kritik an "I wish I had an Angel" heraus?
Das war ja auch n Kacklied. Hat mir als damals erste Anspielstation instant die Band verdorben, was erst einige Jahre später wieder durch zufällig gehörtes 7 Days To The Wolves ausgehebelt wurde.