laut.de-Kritik

Was Heino kann ...

Review von

Sie haben schon ein hartes Brot zu kauen, diese Schlagerstars von früher. Kaum einer, der sich erinnern kann, wird nicht sofort an "Jenseits Von Eden" denken, sobald der Name Nino de Angelo fällt. Verständlich, dass einen das irgendwann nervt. Nachvollziehbar, dass ein Künstler sich beweisen und aus der Ecke ausbrechen will, die die öffentliche Wahrnehmung ihm zugedacht hat.

Nachdem sein letztes Album weitgehend ohne Widerhall blieb, wolle er das vorliegende "Konzeptalbum" für eine "Korrektur" seiner "Karriere", nutzen, sich "mehr in die Pop- und Rockmusik" bewegen, erklärt der Sänger im Interview. Ist ja interessant, Herr de Angelo. Das wirft gleich mehrere Fragen auf:

Was für ein "Konzept" soll denn bitte hinter der uralten Idee stecken, die sattsam bekannten Hits anderer Leute nachzusingen? Das, mit Verlaub, geht doch bestenfalls als eine Masche durch und müffelt nach dem Versuch, mit möglichst wenig Aufwand größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Hat bei Heino ja auch funktioniert.

Während sich der mittlerweile zum "Metal-Star" gesinneswandelte Enzian-Barde "Mit Freundlichen Grüßen" ausschließlich durch angesagte Hits coverte, wählte Nino de Angelo (oder die Strippenzieher hinter diesem Projekt, wer weiß das schon so genau?) für "Meisterwerke" Stücke aus einem weiter gesteckten Zeitrahmen aus. Joachim Witts "Goldener Reiter" aus besten NDW-Tagen galoppelt da einträchtig neben Michael Holm zum Schlagerklassiker gemachten "Tränen Lügen Nicht" her. Radio-Erfolge von Silbermond oder Ich + Ich treffen auf ehrwürdige Chanson-Kunst des Kalibers "Merci, Chérie".

Im Prinzip hätte das durchaus Potenzial, allein schon der Fallhöhe wegen. Drückte Nino de Angelo diesen Nummern tatsächlich einen eigenen Stempel auf, man würde ihm vielleicht sogar abkaufen, es handle sich um die "Lieder seines Lebens", wie der Untertitel behauptet. Auch, wenn ich in den Alltime-Favorites eines Musikers schon irgendwie mehr erwartet hätte, als ausgenudelte Xavier Naidoo- oder Rosenstolz-Songs. Oder doch wenigstens etwas Spannenderes.

Aber mit Mainstream-Hits erreicht man den Mainstream, so muss wohl die Überlegung ausgesehen haben. Allein: Wer sollte diese kreuzbrav instrumentierten, mit reichlich Streicherpathos glasierten Interpretationen von Popstückchen den Originalen vorziehen? Und warum? Um sich glaubwürdig "mehr in Richtung Pop- und Rockmusik" zu orientieren, müsste man vielleicht doch ein wenig eigenes Herzblut investieren. Die Stimme hier und da leise verkrampft in eine Röhre zu pressen, reicht dafür nicht aus.

Dabei schadet es eigentlich gar nichts, wenn das Schicksal Spuren auf den Stimmbändern hinterlässt. Ein wenig angeknackst darf jemand gerne wirken, wenn er seine Erfahrung (die Nino de Angelo zweifellos besitzt) dann auch nutzt, um seiner Musik Ausdruck zu verleihen, ihr Leben einzuhauchen. Diese Coverversionen dagegen lassen - und das sollte eigentlich das vernichtendste Urteil für einen Künstler bedeuten, im besseren Fall vollkommen kalt. Beispiele hierfür liefern "Vom Selben Stern", Philipp Poisels "Wie Soll Ein Mensch Das Ertragen" oder "Sag Es Laut": Nein, es tut nicht mehr weh.

Stücke, die man schon immer schauderhaft bis unerträglich fand - ich sag' nur "Sinfonie" - rettet in den rarsten Fällen der Umstand, dass man sie von einem anderen Interpreten auch noch eingetrichtert bekommt. (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.) Stücken, die man richtig super findet dagegen, kann ein anderer Interpret nur äußerst selten noch mehr hinzufügen. "Meine Soldaten" wird niemals jemand intensiver darreichen als Maxim, dessen Feder das Stück entstammt. Bezüglich "Merci, Chérie" schrieb ich es unlängst erst: Niemand singt Udo Jürgens-Songs wie Udo Jürgens. Niemand.

Leidlich klar gehen "Goldener Reiter" (obwohl Nino de Angelos Version die Abgründe zuschüttet, indem er den harten Kontrast zwischen Manie und Depression, der das Original trägt, fast komplett verwischt) oder "Der Spieler". Trotzdem: So frisch, dass man eine Neuauflage dringend gebraucht hätte, erscheint keiner der Tracks. Wenn de Angelo die Rockstimme auspackt, klingt die so aufgesetzt wie das Lachen der Person, der Echt unterstellen: "Du Trägst Keine Liebe In Dir".

Och, nö. So wird das aber echt nix mit der "Korrektur". Der durchwegs elend traurige Blick, den Nino de Angelo die komplette Fotostrecke im Booklet über spazieren trägt, lässt vermuten, dass er das längst weiß: Spätestens zu den Klängen von "Merci, Chérie" tanzt eine Karriere den langsamen Walzer in Richtung Vergessen, "wo jede Hoffnung nur ein Horizont ist, den man niemals erreicht."

Trackliste

  1. 1. Goldener Reiter
  2. 2. Vom Selben Stern
  3. 3. Symphonie
  4. 4. Schwanenkönig
  5. 5. Wie Soll Ein Mensch Das Ertragen
  6. 6. Meine Soldaten
  7. 7. Wir Sind Am Leben
  8. 8. Tränen Lügen Nicht
  9. 9. Du Trägst Keine Liebe In Dir
  10. 10. Der Spieler
  11. 11. Sag Es Laut
  12. 12. Merci, Chérie

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