laut.de-Kritik
Melodic Death-Frauenpower im Metal-Männerzirkus.
Review von Yan TemminghoffNita Strauss ist als Frau ein bunter Vogel und zugleich Vorreiterin im Metal-Männerzirkus. Ihren Bekanntheitsgrad steigerte sie als Gitarristin der Cover-Combo The Iron Maidens. Aktuell tourt sie mit Alice Cooper um die Welt und spielt auf dessen Album "Road" eine tragende Rolle.
Ihre Sozialisation erfährt das 36-jährige Energiebündel in den Neunziger- und Nuller-Jahren und dies mitnichten zur Metal-Musik der alten Herren, sondern zum damals angesagten Sound rund um die schwedische Szene. Was für andere The Beatles sind, sind für Strauss In Flames. Den Spirit von Alben wie "Clayman" und "Reroute To Remain" hat die Virtuosin konserviert. Dieser Sound legt nun die Grundlage für das zweite Soloalbum "The Call Of The Void".
Anders als der rein instrumental gehaltene Erstling "Controlled Chaos", fährt Nita Strauss heuer zweigleisig: einmal präsentiert sie die feine Klinge instrumentaler Saitenkunst. Zum anderen reichert sie ihr gewachsenes Verständnis als Songwriterin mit einer illustren Gästeschar an, die ihren Stücken die Stimme leihen.
Instrumental passiert mit Blick auf das Songwriting wesentlich mehr als bei den Gesang-gestützten Liedern. Das Interesse hält sie gekonnt auf hohem Niveau durch Justierungen in Sachen Dynamik, Tempiwechsel und metrische Feinheiten sowie ausgedehnte Solopassagen.
Das abschließende Instrumental-Duett "Surfacing" mit Ex-Megadeth Saitenheroe Marty Friedman führt die Lied ohne Worte-Kunst von Strauss zur Meisterschaft. Auch das harsche "Consume The Fire", das epische "Scorched" und das balladeske "Kintsugi" geben keine Lückenfüller ab.
Die Kollaborationen scheinen nach dem Clickbait-Prinzip gewählt zu sein. Hier geben sich etliche namhafte Persönlichkeiten der jüngeren und älteren Härtner*innen-Zunft das Mikro in die Hand. Ihr aktueller Arbeitgeber Alice Cooper veredelt das zynisch-zünftige "Winner Takes All".
Lzzy Hale von Halestorm hat die Hook in "Through The Noise" gepachtet, einer Nummer, die durchaus an Joan Jetts "I Love Rock'n'Roll" gemahnt. Für Disturbed-Fronter David Drainman ist das elektronisch geprägte "Dead Inside" maßgefertigt.
Die Melodic Death Roots brechen sich in den Stücken mit Alissa White-Gluz (Arch Enemy) und Anders Friden (In Flames) Bann, die neben ihren gewohnt gutturalen Parts, auch einen annehmbaren Klargesang beisteuern.
Nita Strauss besticht mit einem modernen Spielstil, was die Riffs und Sounds angeht und im Dunstkreis von Animals As Leaders oder Soilwork angesiedelt ist. Die Soli klingen austariert zwischen technisch-virtuos und Melodie-verwöhnt und folgen der Diktion, wie sie Michael Schenker oder Randy Rhoads in Stein gemeißelt haben.
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