laut.de-Kritik

Musik fürs alternative Straßenfest.

Review von

Es ist eines dieser typischen Straßenfeste mit einem Hauch zu viel aktiv praktizierter Alternativkultur, auf dem Noah Slee an einem warmen Sommerabend 2017 im Stuttgarter Westen spielt. Vor und auf der Bühne tanzen neben reichlich ausgelassenen Mittzwanzigern auch eine Handvoll Kinder, was den Künstler zunächst sichtlich irritiert – mit fortlaufender Dauer des Gigs scheint er sich aber damit zu arrangieren.

Der bloße Umstand lässt bereits grundlegende Rückschlüsse auf die Stärken respektive Schwächen der Musik des Wahl-Berliners mit neuseeländischen Wurzeln zu, den Blogger seit geraumer Zeit als neue R'n'B-Sensation feiern. Denn neben den Generationen, die er mit seiner Musik ganz offensichtlich verbindet, bringt Noah Slee noch Allerhand Genres zusammen.

Zu gefallen scheint es auf der Stuttgarter Westallee allen. Ja, stellenweise lässt der Künstler mit seinem tanzbaren, eklektischen Mix aus R'n'B, Soul und Hip Hop nahezu keinen kalt.

Daraus wiederum wirft sich eine ganz andere Frage auf: Gefällt seine Musik vielleicht allen nur so gut, weil sie nur zu gerne ohne klare Kante auskommt? Sein Debütalbum "Otherland", das auf dem Label des einflussreichen Stuttgarter Youtube-Channels Majestic Casual erscheint, gibt darauf eine irgendwie nur unzufriedenstellende Antwort. Die Platte legt zwar zweifelsfrei das gesangliche Talent Slee's offen – schielt beim zweiten Hinschauen aber doch gewaltig in Richtung Mainstream, wo eigentlich gar keiner nötig wäre.

Zuallererst geht es für Noah Slee jedoch einen gewaltigen Schritt nach vorne. Im Vergleich zur Vorgänger-EP, die noch in Zusammenarbeit mit KitschKrieg entstand, findet "Otherland" mit dem jungen Ben Esser einen geeigneteren Produzenten, der viel bewusster auf Noahs musikalische Sozialisation eingeht. Die Beats klingen unbeschwert und leicht, geben den Songs in den entscheidenden Situationen aber oft den letzten Drift an Dringlichkeit. Im besten Fall kulminiert dieser Mix in Songs wie "Instore", das den richtigen Mix zwischen Soundcloud-Ästhetik und dem lebensbejahenden Album-Kontext findet.

Standout-Tracks wie das im Vorfeld unheimlich erfolgreiche "DGAF" klingen hingegen etwas abgegriffen und wirken wie die x-te Auflage des typischen, weichgespülten Majestic Casual-Chill-Sounds. So verhält es sich auch mit Groß der restlichen Anspielstationen auf "Otherland": Immer, wenn Noah Slee auf eine breite Hörerschaft zielt, hört man das seinem Sound sofort an – so wirkt das Album unnötig konstruiert.

Dass er es besser kann, zeigt die vielleicht persönlichste Nummer der Platte: "Told" erzählt den Leidensweg Slees bis zu seinem Coming Out. Statt aber in Selbstmitleid zu verfallen, rappt und singsangt Slee über einen treibenden, Kaytranada-inspirierten Uptempo-Beat: Eine ungewohnte Kombination, die man sich auf einem Album, das einen Tick zu oft nach Reißbrett-Planung klingt, öfter gewünscht hätte. Für Mehr braucht es im nächsten Anlauf etwas mehr Mut zum eigenen Stil.

Trackliste

  1. 1. Kamata'anga (Intro)
  2. 2. Instore (feat. Wayne Snow & Rachel Fraser)
  3. 3. Radar
  4. 4. Invite (Interlude)
  5. 5. Lips (feat. Melodownz)
  6. 6. Told
  7. 7. Sunrise
  8. 8. Dawn (feat. Georgia Anne Muldrow) (Interlude)
  9. 9. Reality (feat. Jordan Rakei)
  10. 10. DGAF (feat. Shiloh Dynasty)
  11. 11. Wander (Interlude)
  12. 12. Stayed
  13. 13. Way Back
  14. 14. Kiez (Interlude)
  15. 15. 100
  16. 16. Silence
  17. 17. Ngata'anga (Outro)

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