laut.de-Kritik

Lovecraft-Metal auf Pilzen.

Review von

Nocte Obducta. MuSs mAn dIe kEnNen?! Warum finden die eigentlich schon zum vierten Mal in Folge auf laut.de statt?

Könnte daran liegen, dass die Mainzer immer noch vielen Progressive-Black-Metal-Freunden mit ihrem bravourösen, inzwischen schon 15 Jahre alten "Nektar"-Zweiteiler im Kopf geblieben sind. Aber davor, ja Kinder, lange bevor jeder Opeth-hörende Nischenfan die gesamte Band-Diskografie über ominöse Blogspot-Links downloaden konnte, da war Nocte Obducta einmal so etwas wie eine richtige Black-Metal-Band – also zumindest richtig genug, um in der konservativen Underground-Szene der Neunziger akzeptiert zu werden.

"Irrlicht (Es Schlägt Dem Mond Ein Kaltes Herz)" zeigt, warum. Knapp zwanzig Jahre nachdem die Gruppe um Gitarrist Marcel Breuer begann, auch Progressive-, Gothic- und Avantgarde-Einflüsse zuzulassen, rotzen sie uns ganz nonchalant das punkige Black-Metal-Werk vor die Nase, das uns Darkthrone seit Jahrzehnten immer wieder versprechen. Rau, schmutzig, ungestüm – keine Werbelüge ziert das simple Schwarzweiß-Cover, sondern ein schraffiertes Pendant zur rohen, negativen Energie seines Inhalts.

Doch je tiefer man in die 52 Minuten Musik vordringt, desto mehr arbeiten sich Nocte Obducta zum warmen, faserigen Kern vor. Wie gewohnt lebt Breuer seinen Analog-Fetisch zwischen Proberaum-Sound und First-Take-Attitüde aus, dem sich die Gruppe seit spätestens "Mogontiacum" verschrieben hat. Zwischen Geschrammel und Geschrei gibt's Effekt-Board-Wabern und samtigen Baritongesang – Charakteristika, die Nocte Obducta schon Jahre vor den genannten "Nektar"-Alben als die ihrigen etabliert haben.

Hätte diese Band nicht schon vor 15 Jahren so einen saftigen Haufen auf die Erwartungshaltung von Schwarzmetallern gesetzt, die hierzulande florierende Post-Black-Szene hätte sich wohl deutlich schwerer getan, erfolgreichere Bands wie etwa Der Weg Einer Freiheit hervorzubringen. Nicht ohne Grund aber entzogen sich Nocte Obducta schon ein Jahr nach ihrem vermeintlichen Karrierehöhepunkt auch derartigen Hörgewohnheiten und konzentrierten sich unter dem Namen "Dinner auf Uranos" auf ambitionierten Songwriter-Düster-Prog.

Spuren dieser non-metallischen Entfremdungsphase finden sich auch auf "Irrlicht". Logisch, wer die Tracks nur nebenbei auf seinem Tchibo-Radiowecker antestet (auch wenn Darkthrone es qualitativ wohl nicht anders gewollt hätten), dem wird es ein Leichtes sein, "Irrlicht" als weiteres 08/15-Einheitsgekloppe abzutun. Etwas zu leicht könnte einem entgehen, dass Nocte Obducta hier eimerweise starke Fragmente nicht nur aus Black, sondern auch aus Death, Dark und vor allem Doom Metal einweben.

Wenn "Bei Den Ruinen" fast unbemerkt vom Psych-Rock in leicht swingende Telecaster-Parts gleitet, wie sie wohl "Sequenzen Einer Wanderung"-Fans zu schätzen wissen dürften – dann ist das das Resultat ebender auf dem Frontcover dargestellten Verblendung, die der Fünfer mit instrumentaler Finesse, psychedelisch wütendem Sound und seiner Necronomicon-meets-griechische-Mythologie-Lyrik heraufbeschwört. Lovecraft auf Pilzen.

Die wahre Kunst: Wann immer "Irrlicht" kurzzeitig mediokre Passagen zu offenbaren droht, mischen Nocte Obducta neue, wärmende Melodien bei, die Bandkopf Breuer seit nun über zwei Jahren nur so aus dem Ärmel schüttelt.

Eine besonders einlullende Tonfolge hat er sich für das Finale dieses erneuten Highlights einer highlightreichen Diskografie aufgehoben: Denn zu "Noch" erlebt die Band diesen jedem Musizierenden bekannten Proberaum-Moment, in dem man plötzlich diese eine magische Melodie gefunden hat – und die manchmal eben auch einfach genug ist, um die kommenden paar Minuten zu füllen. Dreivierteltakt, Doom-Atmo, ein Riff für kalte Rotwein-Stunden. Der pure Nektar. Eine Momentaufnahme von vielen, für die man Nocte Obducta lieben sollte.

Trackliste

  1. 1. Zurück Im Bizarren Theater
  2. 2. Von Stürzen In Mondmeere
  3. 3. Rot Und Grau
  4. 4. Der Greis Und Die Reiterin
  5. 5. Der Alte Traum
  6. 6. Bei Den Ruinen
  7. 7. Noch

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LAUT.DE-PORTRÄT Nocte Obducta

Nocte Obducta - unter dem Schleier der Nacht. Ein durchaus passender Name, den sich die Mainzer Band da gewählt hat, denn darin findet sich sowohl der …

2 Kommentare mit 22 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Habs jetzt nicht gehört. Aber Romanzenlyrik, die 11jährige schreiben wenn sie sich für wahnsinnig ergreifend halten, scheint in der schwarzen Szene immer noch voll angesagt zu sein. Ich hab ja irgendwie immer was für sie übrig. Aber die Hellsten waren sie noch nie, die Goths (haha). Wäre mir nicht sicher, wer in einer Schlacht der Doofheit gewinnen würde - Goths oder Hip-Hopper.

    • Vor 3 Jahren

      Find ich unsinnig, weil die Speerspitze eines jeden aus einer Subkultur entstandenen, kommerziellen Genres zu 90% aus Idioten besteht, die ihre kalkulierte Müllmusik verkaufen wollen. Metal, Indie, Electro etc pp stehem dem in nix nach.

    • Vor 3 Jahren

      Ist auch was dran. Mir fällt nur auf, daß es in dem Genre kaum Ausnahmen für diese hoffnungslos blöde, sprachlich ungelenke Schnulzlyrik gibt. Selbst im Hip-Hop gibts ja gelegentlich mal halbwegs gute Texte.

    • Vor 3 Jahren

      Goths sind mit Sicherheit die helleren Kerzen. Altbekannt, aber immer noch unterhaltsam. https://exclaim.ca/music/article/us_study_…

    • Vor 3 Jahren

      Schon mal was von systemischen Rassismus gehört? Die angeführte Studie ist das Papier nicht wert, auf das Sie gedruckt wurde.

    • Vor 3 Jahren

      Ja, was ein Quark. Wie viele deutsche Studentinnen kriegen bei Max Giesinger ne feuchte Buchse und kaufen ihm naiv as fuck jedes Wort als selbst ersponnen ab, weil er es auf ihrem Heimsender 1live beteuert. Natürlich gibt es auch innerhalb eines Genres unterschiedlichste Zielgruppen. Prezident und Mero werden kaum in derselben Playlist zu finden sein.

    • Vor 3 Jahren

      Jetzt würd ich gern wissen, was Rassismus und schlechter Musikgeschmack (Spackenmukke und ihre Hörer sind keine „Rasse“ - Rassen gibt es bei uns Menschen nichtmal) miteinander zu tun haben sollen? Auf das Konstrukt bin ich echt gespannt.

    • Vor 3 Jahren

      "His findings? People from schools with high test scores favour U2, Radiohead, Sufjan Stevens, Counting Crows, Guster, Ben Folds, Bob Dylan, Norah Jones and the Shins. People from schools with low test scores, on the other bands, prefer Lil Wayne, Beyoncé, T.I. and the Used. "

      SAT test scores sind in an Schulen, die nicht genug Geld haben und in Bezirken liegen, wo es massive Probleme mit Gangs und Drogen gibt generell niedriger als an Schulen wo es das nicht gibt... Sind an schwarzen Schulen niedriger als an weißen. Da wundert es kaum, dass weiße Musik da oben liegt und schwarze Musik unten.

    • Vor 3 Jahren

      Asiaten haben die höchsten SAT Scores. Warum wird k-pop nicht erwähnt?

    • Vor 3 Jahren

      Danke, Kollegen Chris, Capslock und Lora. Im Übrigen sind heutige Musikwissenschaften an sich auch zum Großteil im begründeten Verdacht, rassistisch zu sein. Finds gar nicht so traurig, daß ich dieses Studium abgebrochen hab.

    • Vor 3 Jahren

      Es liegt hier der Irrtum vor, dass es da um „schwarze“ vs. „weiße“ Musik geht. Schaut euch den Score von Outkast an. Das ist einfach nur Musik mit mehr Hirnschmalz als die 10. Beyonce-Klingeltonmukke. Hip Hop ist momentan populär und damit wird auch mehr Müll in dem Bereich erzeugt. Man könnte auch Schlager vs Klassik ins Rennen schicken. Hat auch nichts mit Rassismus zu tun, nur mit Scheiße vs. Qualität.

    • Vor 3 Jahren

      "His findings? People from schools with high test scores favour U2, Radiohead, Sufjan Stevens, Counting Crows, Guster, Ben Folds, Bob Dylan, Norah Jones and the Shins. People from schools with low test scores, on the other bands, prefer Lil Wayne, Beyoncé, T.I. and the Used. "

      SAT test scores sind in an Schulen, die nicht genug Geld haben und in Bezirken liegen, wo es massive Probleme mit Gangs und Drogen gibt generell niedriger als an Schulen wo es das nicht gibt... Sind an schwarzen Schulen niedriger als an weißen. Da wundert es kaum, dass weiße Musik da oben liegt und schwarze Musik unten.

      Was genau bemängelst du jetzt? Dass man an einer schlecht gestellten Schule mehr Hip Hop hört? Ist hier auf einer Hauptschule (ups, das gibt es ja nicht mehr) genauso und hat nichts mit der Hautfarbe zu tun. Oder ist dir die Realität schon wieder zu rassistisch, dass du vergisst, dass Bildung nichts mit Intelligenz zu tun hat? Nur weil jemand auf ner schlechten Schule ist, ist er nicht dumm.

    • Vor 3 Jahren

      Lora: Zu denken, dass alle Asiaten K-Pop hören bzw, dass alle Asiaten Koreaner sind, ist hingegen schon rassistisch :D

    • Vor 3 Jahren

      Ich will mal wenig hilfreich einwerfen, daß Beyoncé mit "Single Ladies" einen musiktheoretisch verrückteren Hit herausgebracht hat als alles, was ich von Outkast kenne (die ich natütlich auch schätze, ist Pflicht).

    • Vor 3 Jahren

      Wenig hilfreich ist immer gut????. Auch wenn ich Beyonce auf den Tod nicht hören mag und vermutlich eine Armada von Ghostwritern sich ein goldenes Näschen mit ihr verdient hat.

    • Vor 3 Jahren

      Sorry, ??? Sollte ein Emoji sein.

    • Vor 3 Jahren

      In dem Fall waren es glaube ich vier. Songwriter (inklusive ihr selbst). Nach heutigen Maßstäben eher wenig. Heute bräuchte es vermutlich 25 Songwriter, um "Alle Meine Entchen" zu schreiben.

      Bin wirklich kein Riesenfan von ihr. Der Haushalt der Knowles hat aber so einige Musiker hervorgebracht. Wäre nicht weit hergeholt, davon auszugehen, daß sie außer Singen noch etwas mehr auf dem Kasten hat.

    • Vor 3 Jahren

      Mag alles stimmen bzw. weiß ich darüber viel zu wenig, um irgendwas widerlegen zu können (noch will ich das). Wenn sie mehr am Kasten hat, dann wäre sie leider nicht die/der Erste, die/der sich unter Wert verkauft für den schnellen Reibach. Womit wir wieder beim Thema wären: Warum gibts so viel Schrott im Hip Hop Bereich? Geld stinkt halt noch immer nicht.

    • Vor 3 Jahren

      Karl Kraus sagte mal sinngemäß, daß das Problem von Sprache ist, daß sie jedem verfügbar ist. Sie ist also hilflos allen Blödheiten ausgesetzt.

      Das spielt bei Hip-Hop ne große Rolle. Die Rapper sind ja selbstredend nur sehr selten gute Musiker. Eben weil es ziemlich einfach ist, mal eben ein paar Reime hinzuschreiben und sie zu rappen.
      Das war halt früher mal geil, als Hip-Hop mal die Kunst der Straße war, weil sie keine Instrumente brauchte. Da ging es auch umso mehr darum, lyrisch was hinzukriegen.

      Heute, wo man alle erdenklichen Instrumente hinterhergeworfen bekommt, und man für 500€ ein sehr brauchbares Heimstudio bauen kann, gibts keine Ausreden mehr. Was übrig bleibt sind halt die Kackfaulen, die mit ihrem "Das-könnte-ich-auch"-Appeal im Moment sehr gefragt sind.

      Es gehen ja auch gerade hierzulande Youtuber gut durch die Decken, die einen auf nahbar machen und bewußt weit unter ihren Möglichkeiten produzieren. Das füttert gleichzeitig die Illusion, man selbst könne jederzeit mühelos berühmt sein, und ernährt sich von ihr.

      Munter drauflos geraten. Ist vermutlich totaler Stuss.

    • Vor 3 Jahren

      Absolute Zustimmung meinerseits! Das Phänomen der Wurstproduktion war schon in anderen Dekaden nichts Unbekanntes. Die 90er hatten ihren Eurotrash (ein Rapper, eine Sängerin und fertig war die „s“Hitfabrik) und für die 80er reichte es, ein Synthieriff und eine peinliche Frisur zu haben, um der King vom Schulhof bis zur Disco zu sein. (Musik)Geschichte wiederholt sich halt. Wenn der Trend dann endet, kommt auch wieder mehr Qualität aus der Ecke. Bleiben dann ja nur die mit echter Leidenschaft an der Sache übrig.

    • Vor 3 Jahren

      Ey, nichts gegen Snap und Konsorten!

    • Vor 3 Jahren

      "Lora: Zu denken, dass alle Asiaten K-Pop hören bzw, dass alle Asiaten Koreaner sind, ist hingegen schon rassistisch "

      das stimmt. selbstverstänlich sind natürlich auch auch c-pop, j-rock, j-metal, j-pop, v-core und In-hop gänzlich unterrepräsentiert

    • Vor 3 Jahren

      Dann aber auch bitte andere Götter und ihre Kreaturen des Genres nicht vergessen! Baumwollaugen Sepp, Herr Eitel, Was ist Liebe? usw. usw.

  • Vor 3 Jahren

    die frühen sachen sind geil. habe ich gerne gehört. die besseren grabnebelfürsten. aber irgendwann hat der spaß dann halt auch ein loch. und das ist bei agrypnie und co erreicht. agathodaimon hatten welpenschutz. die waren soo schwul denen konnte man nix übel nehmen. nicht mal ihre statements gegen JFN/Absurd