laut.de-Kritik
Entrückungen zwischen Dreampop und Prog-Rock.
Review von Alexander CordasMittlerweile muss man vor dem Label KScope wirklich den Hut ziehen. Um die Flaggschiffe Porcupine Tree, bzw Steven Wilson sowie Anathema und Bands wie den Engineers, Pineapple Thief und Ulver bauen die Herrschaften ein ganz feines Label auf. Auch wenn sich einige Acts des Imprints im Prog-Bereich tummeln, legt sich KScope nicht auf diese Spielart fest. Vielmehr geben sie all denjenigen eine Heimat, die intelligente Musik machen.
Hier sind auch die Schotten der North Atlantic Oscillation zuhause, die mit "The Third Day" bereits ihr drittes Album auf den Markt werfen. Zumindest in der Fangemeinde der Obengenannten sollte die Scheibe begeisterte Anhänger finden.
Zwischen Artpop, spaceiger Psychedelica, sanften Songwriter-Ansätzen, Postrock, angeproggten Strukturen und melodieseligen Klängen erschafft das Trio in einer knappen Dreiviertelstunde einen wunderbar hypnotischen musikalischen Kosmos, der dazu einlädt, tief hinein zu tauchen.
Anno 2014 gehen die Schotten einen Tacken geradliniger zu Werke. Immer noch finden verträumte Melodien den Weg ins Oeuvre, diese betten sich jedoch ganz fein in den instrumentalen Teppich. Ätherisches Schwirren oder allzu verfremdete Vocals fallen diesmal unter den Tisch. Dabei eignet sich die Inspirationsquelle für "The Third Day" hervorragend, um aus dem Album einen musikalischen Sockenschuss zu basteln. Sänger Sam Healy ließ sich vom Codex Seraphinianus zu den Songs anregen. Jenes Buch gleicht einer Enzyklopädie einer Fantasiewelt, die in einer ausgedachten Sprache verfasst und mit allerlei seltsamen Zeichnungen versehen wurde.
North Atlantic Oscillation verfassen nun den Soundtrack für diese Welten. Das Instrumental "Penrose" mag für die Entrücktheit der Songs positiv als Beispiel herhalten. Der Name leitet sich vom Mathematiker Roger Penrose ab, nach dem eine unmögliche geometrische Form, das Penrose-Dreieck, benannt ist. So perplex man ist, wenn man versucht, das Dreieck optisch zu begreifen, so faszinierend klimpert einem die Band die Klänge dieses Instrumentals vor. Immer weiter schlägt die Melodie einen Haken nach dem anderen und kehrt schließlich zum Anfang zurück.
Zu Beginn klingen NAO bnei "Great Plains II" wie eine Dreampop-Ausgabe der Beach Boys. Mehrstimmiger Harmoniegesang und umher mäandernde Keyboards münden in Streicher-Flächen, und so plötzlich wie der Sound kam, ist er wieder verschwunden: Ihre funktionierenden Schemata reiten die Schotten nicht zu Tode, sondern wenden sich sogleich anderen atmosphärischen Strömungen hin. Wie bei einem eingängigen Radiohead-Song zwischen Beats und Piano-Tupfern falsettiert sich Healy durch "Elsewhere", ehe gegen Ende ein Crescendo aus wirbelndem Schlagzeug und verzerrten Gitarren der behäbigen Stimmung in den Hintern treten.
Ausufernde Songstrukturen sucht man trotz der abgefahrenen Klang-Konstruktionen vergeblich. Das mit über sieben Minuten daher stolzierende "Dust" ist in seiner epischen Länge die absolute Ausnahme. Ob das nun gut ist? In manchen Momenten wünscht man sich fast, NOA nähmen sich die Zeit, um Songideen weiter auszubreiten. Zumindest der famose Opener und das faszinierende "Penrose" hätten locker die doppelte oder gar dreifach Spielzeit verkraften können.
Auch wenn es eher an die Ende der Tracklist gerutscht ist, nimmt das erwähnte "Dust" eine prominente Rolle ein. So breiten NOA einen emotional aufgeladenen und warmen Teppich aus, der den Einfallsreichtum der Band mit einer engagierten Berg- und Talfahrt unter Beweis stellt. Das anrührend beginnende "When To Stop" leitet zunächst unaufdringlich dun gegen Ende hin mit ordentlich pathetischem Wumms aus dem Album heraus.
Auch wenn sie bislang noch nicht so bekannt sind wie ihre eingangs erwähnten Label-Kollegen, so haben NOA mit "The Thrid Day" einen riesigen Schritt getan, um auf Augenhöhe zu stehen. North Atlantic Oscillation ist definitiv ein Name, den man sich für weitere kommende Großtaten merken muss.
1 Kommentar mit 11 Antworten
Jungs, hört euch das Ding doch mal an ... echt jetzt. Zu jedem Popel-Album gibts zig Kommentare udn hier kein einziger? Kann doch nicht wahr sein ...
Ich wurde mit "Grappling Hooks" irgendwie nicht so richtig warm. Vielleicht hab ich dem Album zu wenig Durchläufe gegönnt (Zeit+Ruhe sind derzeit Mangelware...). Von daher hab ich mich an "The Third Day" noch nicht herangewagt, obwohl ich vieles aus dem Hause Label KScope und/oder was den Prog-Stempel trägt höre.
Popel-Alben haben wahrscheinlich viel mehr Anhänger
Ich zäume gerade das Pferd von hinten auf. Bin erst mit der "The Thrid Day" auf sie gestoßen. Finde aber die "Grappling Hook" auch sehr gelungen. Völlig eigen auf ihre Art.
Ich habe 2011 auf gut Glück “Grappling Hooks“ gekauft, weil ich zu dieser Zeit fast alles aus dem Hause KScope gefeiert habe ohne Ende und ich finde das Debut schon ganz gut, vor allem “Ritual“ und “Hollywood Has Ended“, aber so endgültig überzeugt bin ich von der Platte dann doch nicht aber sollte ich mal wieder hören. Die haben wirklich einen einzigartigen Stil, werde beim neuen Album mal zuhören.
"Fog Electric" ist laut fast jeder den NAO's Stil gefällt ihrem besten.
Mir gefällt ihr Stil sehr gut und mir gefällt das Neue am besten, gefolgt von "Grappling Hook".
notiert mein Herr.
Herr Cordas soll gesegnet sein. Die Rezi und NAO allgemein sind komplett an mir vorüber gezogen. Erste Hörprobe (August) gefällt enorm.
Das wäre dann selbst für jemanden mit meiner langen Leitung eine späte Erkentnis.
+n wie in nicht lustig.
Sorry, als Gelbschwarzer bin ich derzeit mit Schmerz-/Alk-Dauerdoppelpegel.
Ich hör mir August mal an...
ah. hier tut sich doch noch was. sehr schön.
@Kubischi, I know the pain. ;\