laut.de-Kritik
Die Hits der 80er im Visier, der Blick zur Seite aber fehlt.
Review von Sven Kabelitz"Herr Ober, ein Bier, bitte. Aber den Schaum unten." Wer kennt sie nicht, die Familienmitglieder, die seit Jahrzehnten immer denselben Witz reißen? In Gestalt von "Should I Stay Or Should I Go?" begegnet uns genau so ein Wiedergänger.
Auf ihrem mittlerweile zwanzig Jahre alten Debüt coverten Nouvelle Vague charmant durch New Wave- und Post-Punk-Klassiker, steckten diese in ein Bossa Nova- und Easy Listening-Gewand und garnierten diese gerne mit einem Hauch von französischem Accent. Das funktionierte so gut, dass Marc Collin und Olivier Libaux mit wechselnden Sängerinnen vier weitere Alben folgen ließen. Ihre Formel variierten sie dabei kaum. Bis Libaux am 29. September 2021 starb.
Auf sich alleine gestellt verspürte Collin nur wenig Lust, das Projekt weiterhin am Laufen zu halten. Erst als er Sängerin Alonya traf und beide gemeinsam The Clashs "Should I Stay Or Should I Go?" aufnahmen, kam der Stein ins Rollen. Mit Marine Quéméré, Phoebe Killdeer, Bijou, Élodie Frégé und natürlich Mélanie Pain kamen weitere Vokalistinnen hinzu. Am Ende stand plötzlich ein Album, das veröffentlicht werden wollte.
Zwei Änderungen nimmt Collin jedoch vor. Anstatt auf New Wave und Post-Punk zu setzen, wühlt er sich durch den Pop der 1980er. Dabei sucht er nicht etwa nach irgendwelchen Perlen, sondern bedient sich uninspiriert an den Songs, die "Das Beste der 80er, der 90er und das Beste von heute'-Radiosender bereits bis auf die Knochen runter gelutscht haben.
Anstatt "Too Drunk To Fuck" von den Dead Kennedys gibt es nun halt Tears For Fears' "Shout", Billy Idols "Rebel Yell" und Dead Or Alives "You Spin Me Round". Eine Songauswahl, als hätte man einfach zur erstbesten 1980er-Playlist gegriffen, die man auf dem Streaming-Dienst des Vertrauens gefunden hat. Zudem fährt er die James Bond-iness und den Dub-Anteil hoch.
Es hatte einen Grund, warum sich all diese Lieder damals zu Hits entwickelten. Nach wie vor handelt es sich um großartige, wenn auch definitiv zu oft gehörte und gecoverte Nummern, die man im Grunde in jede Verpackung stecken kann. Man muss schon viel falsch machen, damit sie nicht funktionieren. Diese für ein reines Coveralbum auszuwählen, zeugt jedoch von wenig Mut. Viel mehr auf Nummer sicher kann Collin mit seiner Auswahl kaum gehen. Zwar hatten auch alte Nouvelle Vague-Alben diese Übersongs, doch ging der Blick auch immer zur Seite. Dies geht "Should I Stay Or Should I Go?" weitestgehend ab.
Dabei sind alle Ingredienzien von einst vorhanden, aber so wirklich funktionieren mag der Longplayer nur selten. Zu steril wirken die einzelnen Stücke. Das gelungene "She's In Parties" (Bauhaus) klingt mit Killdeer nun wie der düsterste 007-Song ever, erinnert an Shirley Basseys "Diamonds Are Forever". Ein Weg, den auch Alonya in "People Are People" geht. Während sie mitsamt gerolltem "R" Dave Gahans Rolle übernimmt, singt Quéméré Gores hellere Parts.
ABCs "The Look Of Love" schwingt nun mit Quéméré wie Dusty Springfields "The Look Of Love". Natürlich nur echt mit französischem Akzent. Mit "Shout" (Bijou) und "Should I Stay Or Should I Go?" (Alonya) versucht sich Collin an Dub-Elementen. In "This Charming Man" gelingt es Mélanie Pain noch einmal an den Flair der alten Alben anzuschließen.
So bleibt auf "Should I Stay Or Should I Go?" oft nur das Rätselraten, welches Genre-Klischee Collin nun über den nächsten Hit gießt. Hat sich dies geklärt, verfliegt das Interesse schnell. Hört man sich zum Vergleich Libaux letztes Album "Uncovered Queens Of The Stone Age", fehlt es dem neuen Nouvelle Vague-Longplayer deutlich an Charme und Herz - die wichtigsten Bestandteile, die ein solches Werk ausmachen. Fehlen diese unterscheidet einen nichts mehr von der nächste x-beliebigen YouTube-Coverband.
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