laut.de-Kritik
Schön räudiger Bluegrass - aber die Compilation bleibt unvollständig.
Review von Giuliano BenassiAls Teenager brachte Critter Fuqua seinem Schulfreund Ketch Secor ein Bob Dylan-Bootleg aus dem Urlaub mit. Eines der enthaltenen Song-Fragmente mit dem Titel "Rock Me, Mama" gefiel Secor besonders gut. "Zwischen 17 und 26 habe ich es ständig gesungen" erzählte Secor später. Da hatte er mit Fuqua längst die räudige Bluegrass/Country-Truppe Old Crow Medicine Show gegründet, die Stammgast in der Grand Ole Opry in Nashville war und viele Genregrößen on the Road begleitet hatte.
Als die Band 2003 ihr eigentliches Debüt aufnahm, klopfte Secor bei Dylan bezüglich der Songwiting-Rechte an. Sie einigten sich auf 50/50. "Er musste ein Teenager sein, als er das tat. Kein Mensch über 30 hätte den Mut, einen Bob Dylan-Song zu schreiben" soll Sohnemann Jakob Dylan kommentiert haben, als er Secor Jahre später traf.
Der Mut zahlte sich aus, denn "Wagon Wheel", wie der Song heißt, hat sich seitdem über eine Million Mal verkauft und ist der bekannteste der Band. "So rock me mama like a wagon wheel / Rock me mama anyway you feel ... / Rock me mama like the wind and the rain / Rock me mama like a south-bound train", lautet der Refrain, schunkelnd begleitet von Akustikgitarre, Fiddle, Kontrabass, Schlagzeug und Banjo, die Melodie an Bruce Springsteens "I'm Going Down" angelehnt.
Ein würdiger Eröffnungstrack für die erste Best Of der Band, die sich 1998 in Upstate New York gründete und die Doc Watson bei einem Straßenkonzert 2000 in North Carolina entdeckte. Der mittlerweile verstorbene Bluegrass-Sänger und -Gitarrist bewies mal wieder ein gutes Händchen, nachdem er bereits 1971 bei den Sessions zu "Will The Circle Be Unbroken" eine zentrale Rolle spielte.
Wie damals die Nitty Gritty Dirt Band singen Old Crow Medicine Show mehrstimmig und spielen traditionelle Instrumente, jedoch weniger virtuos und mit einer punkigen Attitüde. Fröhliche, tanzbare Musik, in der es um die Dauerbrenner Liebe und böse verführerische Mädels geht, alles mit einem Augenzwinkern natürlich.
Zu eigenen Stücken gesellen sich Cover-Versionen, etwa "CC Rider", bei dem sie sich an die Interpretation Lead Bellys aus den 1930er Jahren anlehnen. "I Hear Them All" sang das 2011 ausgestiegene Gründungsmitglied William Watson beim denkwürdigen Konzert "Another Day, Another Time". Hier und da hat Bob Dylan seine Spuren hinterlassen (etwa "Subterranean Homesick Blues" in "Alabama High-Test"), bei "Black-Haired Québécoise" haben dagegen Ernest Tubbs und Loretta Lynns "Who's Gonna Take The Garbage Out" Pate gestanden.
Es ist der eine unveröffentlichte Track neben dem abschließenden "Heart Up In The Sky". Zwei Schmakerl, die die große Schwäche dieser Zusammenstellung mindern, aber nicht tilgen. Denn sie stellt sich ausschließlich aus Tracks von "O.C.M.S." (2004), "Big Iron World" (2006) und "Tennessee Pusher" (2008) zusammen, also jenen Alben, die bei Nettwerk erschienen, das auch für diese Veröffentlichung verantwortlich zeichnet.
Es fehlen neben dem früheren, eher obskuren Material also auch Auszüge aus "Carry Me Back" (2012) und vor allem "Remedy" (2014), für das die Band einen Grammy für das beste Folk-Album gewannen. Dennoch steht fest: Wenn auch nicht vollständig, ist diese Best Of hörenswert.
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