1. Juni 2010

"Man darf Sex nicht abschwächen!"

Interview geführt von

Die bisherigen Reaktion sind sich zumindest in einem Punkt einig: Mit "Road Salt" haben sich Pain Of Salvation mal wieder neu erfunden. Kein Wunder, meint auch Daniel Gildenlöw, der nichts mehr hasst als Stagnation. Aber muss man deswegen gleich am nationalen Vorentscheid für den diesjährigen Eurovision Song Contest teilnehmen? laut.de hakte nach.Unser Treffen findet nachmittags vor dem ersten Gig der Transatlantic Europa-Tour vor der Batschkapp in Frankfurt statt. Hier gastiert Daniel Gildenlöw, Sänger und Gitarrist der schwedischen Proggies Pain Of Salvation, mit dem Tourtross um Neal Morse, Mike Portnoy (Dream Theater) und Co. und frickelt munter als Gastmusiker mit. Sicherlich ironisch gemeint, aber dennoch mit einem ernsten Hintergrund fällt die Aussage aus, er sei sich nicht sicher, ob er sich auch an die ganzen Songs erinnern könne. Sind Transatlantic doch dafür bekannt, die Bühne selten vor Ablauf von mindestens drei Stunden zu verlassen.

Heute geht es jedoch u.a. um die neue Platte von Pain Of Salvation, die mit ihrem rohen Seventies-Sound und einer großen Palette von Genre-Adaptionen gekrönt von Gildenlöws formidabler Stimme seit Mitte Mai zur Diskussion steht.

Wie kam es zu eurer Teilnahme am schwedischen nationalen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest "Melodifestivalen" mit dem Titeltrack des neuen Albums "Road Salt"?

Ich nenne diese Vorentscheidung ausschließlich Melodiefestival. Das ist bedeutend einfacher auszusprechen (grinst). Viele tragen ein großes Fragezeichen auf der Stirn, wenn man nur diesen Namen ausspricht. Aber jedes schwedische Kind wächst mit diesem Event auf. Es ist eine dieser Hass-Liebe-Beziehungen. Wirklich jeder hat einen Bezug dazu, da dieser Event jedes Jahr zur selben Zeit stattfindet.

Wie es dazu kam? Wir waren gerade bei den Aufnahmen zum neuen Album und hatten einiges Material in der Hinterhand. Unser Vertrieb SPV ging Bankrott, es gab einige bandinterne Besetzungswechsel und somit befanden wir uns in einem Schwebezustand. Als ich mit meiner Familie, meiner Frau und meinen Kindern im Zoo unterwegs war, bekam ich einen Anruf meines damaligen Managements.

Einer der Hauptverantwortlichen dieses Contest war im Studio gewesen und war mehr unbeabsichtigt und zufällig auf der Suche nach geeigneten Songs und Künstlern, die angemessen auf dem Melodiefestival platziert werden könnten, auf eine Live-Version unseres Songs "Undertow" gestoßen. Er war sehr beeindruckt. Dieser Song transportierte seiner Ansicht nach Attribute wie "heavy" oder "authentisch". Aber kann man harte Musik bei einem entsprechenden Contest platzieren? Er rief mich also an und ich stimmte direkt zu, da genügend neues Material zur Auswahl stand.

Allerdings hatten wir nicht erwartet, an diesem Contest teilnehmen zu können und von der Jury ausgewählt zu werden. Immerhin gibt es drei- oder viertausend Bewerber pro Jahr. Und welche Musik du bei solch einem Contest auch erwartest, unsere gehört sicherlich nicht dazu. Entsprechend waren wir sehr angetan daran teilzunehmen.

"Road Salt" ist nun ein sehr atmosphärischer Track, zwar sehr elektronisch und modern konzipiert, aber eine Ballade. Warum habt ihr nicht einen Song wie "Disco Queen" oder "Linoleum", die druckvoller und unmittelbarer klingen, eingereicht?

Diese Songs waren zu dem Zeitpunkt schon veröffentlicht, so dass wir sie nicht verwenden konnten.

Aber ein Song solcher Machart hätte sicherlich mehr Chancen auf Erfolg gehabt.

Die Organisatoren konnten zwischen "No Way", "Road Salt" und "Sisters" wählen, die jeweils in einer Edit-Version von drei Minuten vorlagen. Ich dachte, wenn es ein Song schafft, dann würde es "Sisters" sein. Aufgrund der rockigen Vibes räumte ich vielleicht noch "No Way" Chancen ein. "Road Salt" war eher ein Bonus und da er es schon in der Ausgangsversion nur auf drei Minuten bringt, konnte ich ihn bequem verwenden. Wir arbeiteten gerade am Video zu "Where It Hurts" und dann bekam ich den Anruf mit der Nachricht, dass unser Song "Road Salt" für das Melodiefestival ausgewählt wurde. Ich konnte es zunächst nicht glauben und war verwirrt.

Am Ende bin sehr froh darüber, dass wir es mit diesem Song versucht haben. Wir traten mit einer Nummer auf, die im Contest-Kontext sehr originell war. Betrachtet man sich alles in der Retrospektive, war es eine mutige Wahl. Wir gingen mit dem ruhigsten Song und zudem ohne Knalleffekte in die Ausscheidung. Bei der Aufführung wollte ich auch nicht die großen Kameraschwenks auffahren. Das ist mittlerweile schon Standard, aber ich wollte eine fixierte Kameraposition mit unterschiedlichen Fokussierungen.

Meine ursprüngliche Idee, dass es zu Anfangs völlig dunkel ist und du nichts anderes als Silhouetten wahrnimmst und sich dann die Szenerie nach und nach aufhellt, um schließlich in einem an einen Sonnenuntergang erinnernden Licht zu gipfeln, war so leider nicht tragbar. Für die Aufführung vereinbarten wir einen Kompromiss, da es den Organisatoren doch zu dunkel war. Wir begannen mit dem orangenen Licht. Die Klamotten, die wir anhatten, waren wahrscheinlich die billigsten der gesamten Contest-Historie. Die anderen Teilnehmer trugen alle speziell designte, sündhaft teure Kostüme. Ich stand da im Unterhemd und in zerschlissenen Jeans. Ich bin sehr glücklich, dass wir uns nicht verbogen haben. Das war genau unser Ding.

Ich las, dass ihr mit Lob überschüttet wurdet. Der Song stieg daraufhin sogar in die Charts ein. Wie denkst du darüber, zwar eine gewisse Popularität zu besitzen, aber keine populäre Musik zu spielen.

Als Queen mit "Innuendo" einen Song veröffentlichten, der trotz seiner Dauer von sechs Minuten die Charts von hinten aufrollte, war das noch wirklich möglich. Heutzutage geht das fast nicht mehr. Für uns wäre selbst ein Misserfolg beim Melodiefestival ein größerer Gewinn gewesen als die Veröffentlichung eines Jahrhundertalbums, das von der Öffentlichkeit ausgeschlossen gewesen wäre. So tickt heutzutage die Musikszene. Die schwedische Musikszene klingt sehr amerikanisiert. Die meiste Musik ist simpel gestrickt, nicht besonders einfallsreich und einfach nur trendorientiert. Die einzigen Aussichten auf Erfolg stellen "Swedisch Idol" und das Melodiefestival dar. Trotzdem bin ich mit unserem Beitrag sehr zufrieden.

Fühlt ihr euch nach diesem Teilerfolg ein wenig unter Zugzwang?

Alle anderen teilnehmenden Künstler haben große Labels im Rücken, spezielle Agenten, die sich um sie kümmern. Sie können ihren Weg problemlos gehen. Wir können uns im Prinzip einzig auf den Song verlassen. Wir haben keinen schwedischen Booking-Agenten, um den Erfolg in der Gänze auszuschlachten. Allerding wäre ein solcher Weg nichts für unsere Band. Wenn wegen meiner Anwesenheit Tumulte auf der Straße ausbrechen würden, wäre ich wahrscheinlich deprimiert und würde Schweden verlassen. Der Contest könnte uns eine gute Ausgangsposition verschaffen, mehr aber auch nicht.

Sagt dir der Name Lena Meyer-Landrut etwas? Sie geht für Deutschland an den Start und ist ein 18-jähriges Schulmädel.

Nein, die kenne ich nicht. Kann sie gut singen?

[Anm. d. Red: Das Interview fand kurz vor Lenas Sieg beim Grand Prix statt]

Sie ist recht hübsch.

Ah ok, ich verstehe (grinst).

Du kennst sicherlich die schwedische TV-Show "Körslaget", an der Hammerfall-Sänger Joacim Cans teilnahm und sogar gewann. In deiner Band ist jedes Mitglied als Sänger aufgelistet. Da dürfte es doch nur eine Frage der Zeit, bis ihr teilnehmt?

Wir könnten unseren eigenen Chor aufstellen (lacht). Ich habe mir bislang die Frage noch nicht gestellt. Um da rein zu kommen, benötigt man Beziehungen. Wir nehmen im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder am Melodiefestival teil und danach vielleicht auch bei Körslaget.

"Die Musik zu "Kill Bill" ist besser als der Film"

Immer wieder beschleicht mich beim Hören von Pain Of Salvation die Frage, wie denn der Sound eurer Band wohl einzuordnen wäre ...

Ich sehe das jetzt einfach mal als Kompliment.

Ihr reizt das musikalische Spektrum immer wieder aufs Neue aus, es gibt mannigfache Stile und Genres, die ihr in euren Sound integriert. Gerade die neue Platte hat Anleihen an Theater oder Film, im Sinne einer szenischen Gestaltung, oder an ein Hörspiel, da ihr den Zuhörer förmlich zu Assoziationen und Bildern zwingt. Am Ende klingt für mich die Platte wie ein Film ohne das zugehörige Bild.

Ich wollte schon immer mal einen Soundtrack komponieren. "Road Salt" würde sicherlich auch eine gute Filmmusik abgeben. Jemand muss die Coen-Brüder oder Tarantino kontaktieren (lacht).

War dies eigentlich dein Anspruch?

Ich glaube nicht, dass ich das vorsätzlich gemacht habe. Mein Hauptanliegen ist nach wie vor, in meine Musik einzutauchen und eine Geschichte zu erzählen. Das Geschichtenerzählen ist generell die Aufgabe von Musik. Man könnte die neue Platte sicherlich als Soundtrack für einen noch nicht gedrehten Film bezeichnen. Diese Frage hab ich bislang in vielen Interviews gestellt bekommen, aber so einfach ist das sicherlich nicht, einen Soundtrack zu schreiben.

Ich stecke einfach mein Maximum an Qualität in meine Musik und kann dann nur darauf hoffen, dass der Rest der Welt dies auch für sich entdeckt. Ich bin nicht besonders gut darin, die Werbetrommeln zu rühren. Dafür gibt es andere Leute. Meine Hoffnung ist, durch Kontinuität und gute Alben den Unterschied auszumachen.

Gibt es einen Film, den du zurzeit bevorzugst und wenn ja, hat er dich beeinflusst? Du sprachst beispielsweise von Tarantino.

Ja, er verwendet definitiv sehr gute Musik in seinen Filmen. Es ist nicht so, dass ich seine Filme übermäßig mag. Die Musik zu "Kill Bill" finde ich wesentlich besser als den Film.

Aber die Musik ihrerseits ist nur kompiliert.

Klar, aber dass es ihm gelingt, unterschiedliche Songs herauszugreifen und in den passenden Kontext zu setzen, ist schon eine große Leistung. Keine effekthascherischen Streicher, sondern einfach die passende Musik zur entsprechenden Szene. Ich mag beispielsweise "No Country For Old Men" von den Coen-Brüdern. Es fällt mir sehr schwer, diesen Film einzuordnen. Ist der Film nun ein Drama, Action oder Komödie. Weder noch, er vereint all diese Elemente in sich.

Bei solch einem breiten musikalischen Spektrum habt ihr aber bei Produktion darauf geachtet, möglichst roh und organisch zu klingen, ohne Click-Track oder synthetische Overdubs. Die Produktion klingt sehr Seventies-lastig. Warum habt ihr diese Wahl getroffen?

Die alten Produktionen klingen einfach gut. Man hört das musikalische Können. Wenn ich mir die alten Beatles anhöre, dann berührt mich das unmittelbarer als jede perfekt zurechtgestutzte Def-Leppard-Produktion. Die lässt mich kalt. Getriggerte und gesampelte Drums bringen mich schier zur Verzweiflung. Ob der Schlagzeuger nun gut spielt oder nicht, ist nicht auszumachen, da sich alles haargenau gleich anhört. Das ist zu viel Symmetrie für meine Ohren und schlussendlich langweilig. Ich kann die Songs nicht mehr fühlen.

Ich wollte zurück zu einer Vintage Produktion, einem möglichst trockenen und rohen Sound und einem asymmetrischen Klangspektrum. Bei vielen Songs auf dem neuen Album kommt der Gesang nicht aus der Mitte, sondern ist ein wenig zur Seite verschoben. Man kann das mit einem Bild vergleichen: Eine asymmetrische Bildaufteilung sieht interessanter aus als die spiegelbildliche Platzierung der Bildbestandteile. Es ist natürlich weniger formelhaft, die richtige Balance auszuloten, aber gerade das forderte mich heraus.

Auf der letzten Platte "Scarsick" war die Produktion eher an Ayreon, Porcupine Tree oder Devin Townsend angelehnt. Auf der neuen CD gibt natürlich auch heavy-Parts, aber in einem anderen, mehr emotionalen Sinne.

Bei "Road Salt" haben wir einfach versucht, Kompromissen aus dem Weg zu gehen. Der einzige Kompromiss war, den Titeltrack auf der ersten CD zu platzieren, da er eigentlich für die zweite Hälfte des Konzepts geplant war. Ebenso sollte "Linoleum" auch auf der zweiten CD erscheinen. Da wir zu diesem Song ein Video gedreht haben, wär diese Entscheidung aus marktstrategischen Gründen nicht sinnvoll gewesen. Und nach unserer Teilnahme am Melodiefestival wurde ich von unserem Label förmlich bekniet, "Road Salt" auf das Album zu packen.

Du sprichst davon, dass die beiden Songs, "Linoleum" und "Road Salt" eigentlich für den zweiten Teil geplant waren. Dann ist das Konzept, das beiden Alben zugrundliegt, sicherlich keine fortlaufende Story.

Genau. Es ist nicht so, dass jeder Song seinen zugewiesenen Platz einnimmt. Meines Erachtens repräsentiert der Song "Road Salt" mehr das Ende der emotionalen Reise, die wir – so ist zumindest meine Hoffnung – gemeinsam mit den Hörern erleben. Die Idee spiegelt sich in der Metapher wieder, dass man den Lebensweg als Straße begreifen könnte; wie das Abschreiten einer Straße, denn alles was wir tun und entscheiden kann mit einem solchen Bild aufgefasst werden. Einerseits gibt es die enge, unebene Straße, andererseits auch den ausufernden Highway.

Aufgrund der Besetzungswechsel und der SPV-Pleite bestand die Idee darin die Reise entlang der Straße als Sinnbild zu verwenden. Ich bin nun mal eine Person, die immer versucht den Fokus auf neue Ziele auszurichten, die erstrebenswert erscheinen. Es ist manchmal auch keine richtige Wahl, da man in allem was man tut, auch Opfer erbringen muss.

In alles was ich verfolge, investiere ich eine Menge. Solange man in Bewegung ist, nimmt man die Kosten nicht wahr. Aber wenn du nicht mal anhältst und dir bewusst machst, woher du kommst und wohin du dich bewegst, stürzt irgendwann alles auf dich ein. Wir fühlten uns nach dem Bankrott und den internen Differenzen leer und ausgezehrt. Natürlich stellt man sich die Frage, woher du die Energie nehmen willst, um wieder aufstehen und weiterzumachen.

"Road Salt" drückt diese Stimmung perfekt aus. Dass auch wenn man am Boden liegt sich trotzdem aufraffen und weiter gehen kann. Es geht um Schlüsselszenen, die deine Entscheidung, aber auch dein Schicksal betreffen und die einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sicherlich auch darum eine andere Perspektive einzunehmen und deinen Einsatz zu balancieren. Das bringt das gesamte Konzept auf einen gemeinsamen Nenner. Jeder Song versucht, eine Balance herzustellen. Jeder Song offeriert sozusagen eine Möglichkeit, eine Handlungsoption und einen Preis, der zu bezahlen ist oder ein Opfer, das man erbringen muss.

"Es gibt sicherlich Gründe dafür, dass viele Werbespots auf Sex anspielen"

Du sprachst über die Energie, die man aufbringen muss. Neal Morse (Key, Voc.) würde dazu sicherlich Gott sagen. Bist du gleichermaßen religiös, wie das bei Neal der Fall ist?

Ich bin für mich zu dem Entschluss gekommen, dass keine Religion einen Wahrheitsanspruch hat. Wenn es wirklich etwas Größeres geben sollte, dann entzieht es sich unserer Vorstellungskraft und Wahrnehmungsrezeption. Man kann es mit einem zweidimensionalen Raum vergleichen, in dem sich zwei Menschen aufhalten, und es dem zweiten zugebilligt wird, das Göttliche zu sehen, das in einer dreidimensionalen Struktur existiert. Die Menschen sehen einen Gegenstand von zwei Seiten, aber sie können das Konzept eines dreidimensionalen Gegenstands nicht verstehen. Sie sind für den Rest ihres Lebens dazu verdammt Vermutungen darüber anzustellen.

Und sie können sich über diese Frage sogar töten, da jeder gleichermaßen von seiner Perspektive aus meint Recht zu haben. Und keiner von beiden wird verstehen, warum der andere mit seiner Einschätzung so falsch liegen kann, weil je nach Standpunkt sich die Gegenstände fundamental voneinander unterscheiden. Jede Religion wird von einem dieser beiden Personen verkörpert. Es gibt meines Erachtens keine plausible Erklärung dafür, dass einer von beiden Recht haben könnte. Wenn jemand Recht hätte, dann wäre er Gott.

Wenn ich mir das Cover-Artwork betrachte, meine ich eine Synthese aus berühmten Covern der Rock'n'Roll-Historie, wie Queens "2" oder Rainbows "Long Live Rock'n'Roll" zu erkennen, im Stil einer Bleistiftzeichnung und in einer Art in Stein gemeißelten Farbton gehalten.

In erster Linie wollte ich die Close-Ups der Bandmitglieder auf dem Cover haben. Es übt auf mich eine besondere Ausstrahlung aus, wenn die Band auf dem Cover zu sehen ist. In unserer heutigen Zeit ist das nicht besonders angesagt. In einem gewissen Sinne sehne ich mich nach dieser Old-School Darstellungsform mit der Band auf dem Cover. Desweiteren wollte ich viele Fotos im Booklet zeigen. Wir haben viel Zeit damit verbracht unterschiedliche Situationen, in denen die Band involviert ist, auf Foto festzuhalten. Ich wollte nicht diesen auf die Kamera fixierten Blick, sondern interessante Situationen zeigen. Aus diesen Sessions gibt es noch tonnenweise Material, das wir für den zweiten Teil verwenden können. Hast du das Booklet bereits bestaunen können?

Nein, ich wurde online bemustert. Der entsprechenden Datei lagen zwar auch Fotos mit bei, die die von dir geschilderte Konzeption erkennen lassen. Allerdings hab ich das Booklet als Ganzes noch nicht gesehen.

Das ist natürlich der Nachteil an Download-Promos oder auch herkömmlichem Promo-Material. Es vermittelt einfach nicht dasselbe Bild wie der fertige Tonträger.

Als ich mir die neue Platte angehört habe, sind mir weitere Gedanken zu dem Konzept gekommen. Ist der Name des Titels möglicherweise auch in seiner herkömmlichen Bedeutung als Streusalz relevant, um der Kälte beizukommen, die einem in unserer heutigen Gesellschaft oft entgegenschlägt.

Ich beschäftige mich schon länger mit dem Sinnbild der Straße. Und natürlich gibt es in Schweden witterungsbedingt eine Menge Streusalz. Aber zum Terminus Salz gibt es so viele Assoziationsmöglichkeiten. Es ist das Gewürz des Lebens und kommt in vielen Redensarten vor. Andererseits kann es auch sehr letal sein. Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Tote Meer sehr salzhaltig ist. Ich mag solche Dualismen sehr gerne.

Die Assoziationskette bei dem Titel liegt auf der Hand, es ist eine vielschichtige Ausdrucksweise: Das Streusalz, um die Straße vom Glatteis zu befreien, das Salz, um die Wunde zu reinigen, oder die Salzrückstände in getrocknetem Schweiß. Das ist zumindest meine Hoffnung, dass das Konzept auch so verstanden wird.

In Ermangelung eines Booklets konnte ich mich nicht angemessen mit den Texten beschäftigen. Allerdings sind durchaus ein paar Textfragmente aufgefallen. Gibt es eine autobiografische Ebene oder Referenz zu deiner Lebenswirklichkeit, wenn du singst: "My Love Is Sodomy"?

(Lacht) Na ja, man muss es als Übertreibung sehen. Ich habe relativ früh beschlossen, Fiktion und Realität miteinander zu kombinieren und mich danach zu richten, was der Song bewirken soll. In dem von dir angesprochenen Song klassifiziere ich Liebe und Sex als zwei Extreme und spiele die Geschlechter gegeneinander aus. Selbstverständlich mit einer gehörigen Portion Humor und Karikatur. Viele Prog- und Metal-Musiker und Fans können sich mit dem Humor von Monty Python identifizieren, aber zeigen diese Seite niemals in ihrer Musik.

Diese Songzeile stammt aus dem Song "Curiosity", die daneben auch noch die nette Zeile enthält "We Believe It's Personality, But It's Really Sexuality".

Man darf Sexualität nicht abschwächen. Darum geht es am Ende doch. Was die Gesellschaft von uns verlangt, sozusagen eine zivilisatorischen Überbau über die Menschen zu stülpen und die Tatsache komplett auszusparen, dass wir, von einem bestimmten Punkt aus gesehen, zunächst nur Tiere sind. Es gibt sicherlich Gründe dafür, dass jeder Eis-Werbespot sexuelle Anspielungen enthält und dann glauben einige, dass wir frei von Sex sein könnten. Es gibt dieses schöne englische Sprichwort: "It Would Be Terrible If The Truth Would Be Found, That A Cock In A Hole Makes The World Go Around" (lacht). Es ist halt alles Evolution.

In deiner Band bist du der unbestrittene Leader, während du bei Transatlantic nur die zweite Geige spielst. Ist das für dich in Ordnung?

Es fast schon entspannend, nicht in alle Angelegenheiten involviert zu sein und den anderen bei der Arbeit zuzusehen, seinen Job zu machen, die Musik anderer Musiker zu lernen und sich damit auseinanderzusetzen. Es ist eine sehr spannende Erfahrung, die ich hier machen darf und kann. Das schmeichelt mir natürlich.

Womit kannst du dich bei Transatlantic am meisten identifizieren, mit den Lyrics oder der Musik?

Weder noch. Transatlantic sind sehr proggig, mit vielen Höhepunkten in jedem Song, und die Texte sind halt sehr religiös. Ich erkenne das selbstverständlich an und respektiere das.

Wobei Musik und Text, oder speziell die jeweilige Sprache eine untrennbare Symbiose eingehen. Man höre sich nur den C-Part in "No Way" an, der eindeutig vom Sprachrhythmus beeinflusst ist. Da kann auch kein Click-Track im Spiel gewesen sein, oder?

Wir haben allenfalls auf ein oder zwei straighten Songs einen Click-Track verwendet. Wir haben meine Aufnahmegeräte in den Proberaum gekarrt, um die Magie, die sich in speziellen Momenten einstellt, auch direkt einfangen zu können. Wenn du dann noch den Zwischenschritt einplanen musst ins Studio zu gehen, um die Musik zu reproduzieren, geht die Magie des ersten Moments verloren. Die Basic-Tracks haben wir auch entsprechend zur selben Zeit eingespielt. Bei einigen Songs habe ich alle Instrumente selbst gespielt, da ging das natürlich nicht zur selben Zeit.

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