laut.de-Kritik

Hymnischer geht Noiserock kaum.

Review von

"FranticFireworksBleepPop" stand auf dem Stempel, den ich im Februar sowohl hilflos wie restlos begeistert für Parts & Labor erfand. Gerade erst war dieser extravagante Noiserock-Dreier im Zuge des Showcase-Festivals South By Southwest entdeckt worden. Klar, dass das 2007er-Album "Mapmaker" dann schnell oben auf der To-Do-List landete.

Darauf bannten die Brooklyner völlig ungestümen, aufgekratzten, maßlosen und wahnwitzig energetischen Freejazz-Noise-Drone-Punk in Popformat. Die übersteuerten Rasereien an Keys, Saiten und vor allem Drums überschlugen und verschluckten sich regelrecht. P&Ls Instrumente und ihre so signifikant nasal-nölenden Stimmen flirrten und flatterten durch eine fortlaufend explodierende Wall of Sound.

Was diesen affekthaften Husarenritt durch die Lärm-Historie (Sonic Youth, The Mae Shi, Battles) seinerzeit letztlich zu einem der definitiven Geheimtipps des Jahres machte, formulierte ein Pitchforkmedia-Kollege treffender als jeder andere: "What Parts & Labor have figured out how to do, in a way no one else really has, is to make noise anthemic."

Für "Receivers" hat es jetzt einige Veränderungen gegeben. Zum einen räumt Drumkit-Berserker Christopher Weingarten den Platz für Joe Wong. Zum anderen ist die Band nach der Hinzunahme von Gitarristin/Elektrofricklerin Sarah Lipstate auf Quartettgröße angewachsen.

Nun bedeutet so ein Besetzungswechsel im Hause Parts & Labor zunächst nicht viel - Dan Friel und B.J. Warshaw tauschten damit zum bereits dritten Mal den Schlagzeuger aus, ohne dass sich im Soundbild allzu viel getan hätte. Und doch kommt mit dem vierten Album einiges anders.

In dunkler Vorahnung einer - bei allen Alleinstellungsmerkmalen – stilistischen Sackgasse ziehen die beiden Gründungsmitglieder heuer die Handbremse nicht voll, aber spürbar an. All die Trademarks der Vorgängeralben sind auch hier vertreten: "Receivers" atmet nach wie vor Psychedelia, Chaos und cracked Electronica. Immer noch würde sich der bei Jagjaguwar (Okkervil River, Bon Iver) gesignte Act theoretisch gut ins roughe Touch & Go-Rooster einfügen.

Nein, es ist die bedingungslose Explosivität, der Hang zur Freisetzung größtmöglicher Endorphinmengen, die einem reflektierteren, ruhigeren Approach weicht. Als Paradebeispiel dient "Nowheres Nigh", das anfängliche Noise-Kaskaden sukzessive in fast zuckrige Pophymnen umleitet. "Mount Misery" lässt hinter weißem Rauschen astreinen US-Folk durchschimmern, bevor "Little Ones" alle falsche Scham ablegt und sich beinahe ohne Tarnanzug an Lynyrd Skynyrd-Southern-Country versucht.

Nach Kompromiss zugunsten größerer Eingängigkeit klingen die New Yorker trotz weiter gestiegenem Mitsing-Appeal allerdings noch lange nicht. Der bewährte E-Dudelsack aus Friels Keyboard etwa schont den Hörnerv keineswegs.

Weil darüber hinaus zwar das Tempo gedrosselt, der Salto-Faktor der Instrumente hingegen kaum reduziert wurde, geriert sich das Album stellenweise als fragiler Jengaturm. Zum Wohl des Songs bricht die Soundbrandung aber nur selten über den Takten zusammen. Und es geschieht ausschließlich in diesen seltenen Momenten im letzten Drittel, dass "Receivers" gegenüber "Mapmaker" knapp den Kürzeren zieht.

Trackliste

  1. 1. Satellites
  2. 2. Nowheres Nigh
  3. 3. Mount Misery
  4. 4. Little Ones
  5. 5. The Ceasing Now
  6. 6. Wedding In A Wasteland
  7. 7. Prefix Free
  8. 8. Solemn Show World

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