laut.de-Kritik
Ein Hauch von Freiheit, Rebellion und Currybuden-Romantik.
Review von Toni HennigIn den frühen 90er-Jahren galt Peter Maffay vielen Leuten als alternder Rocker, der nichts mehr zu sagen hat. Um so größer schien die Überraschung, als er sich mit "Siehst Du Die Sonne" 1996 lautstark zurückmeldete. Mit seiner markanten, rauen Stimme beklagte er in dem Track die Sinnlosigkeit des Jugoslawien-Krieges: "Ich sehe brennende Straßen, Rauch, der im Himmel hängt ... Ruinen, zerbombte Räume, eine Stadt die in Gewalt zerbrach." Dazu schwingt sich der Refrain zu einem leidenschaftliches Plädoyer gegen Hass auf. Dieses Stück, das die Compilation "Plugged - Die Stärksten Rocksongs" fulminant einleitet, stammt aus dem Album "96".
Dem heute 68-jährigen Musiker bescherte es seine erste Nummer-Eins-Platzierung nach sieben Jahren. "96" beinhaltete sein bis dato kraftvollstes Material. Der 1,68 Meter kleine Sänger mit dem großen Herz, der nach zurückgenommenen und gezähmten Platten wie "38317" (1991) und "Freunde und Propheten" (1992) ein wenig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, machte seinem Ruf als musikalisches Schwergewicht plötzlich wieder alle Ehre. Auch mit den nachfolgenden Werken gelang es Maffay souverän, sich als gestandener Deutschrocker neu zu definieren. Auf diese überaus erfolgreiche Phase blickt "Plugged - Die Stärksten Rocksongs" in großen Teilen zurück.
Deshalb versammelt die Compilation vorwiegend solide und gitarrenbetonte Tracks, die sich vor allem um die Themen Freiheit ("Bis Ans Ende Der Welt", "Freier Fall") und Freundschaft ("Glaub An Mich", "Bis Zum Schluss") drehen. Im Grunde genommen lässt sich auf dieser Zusammenstellung zumindest aus textlicher Sicht kaum etwas finden, was Maffay ohnehin nicht schon längst vor "96" angesprochen hätte.
"Falsche Propheten" aus dem Album "Freunde Und Propheten" überzeugt nicht nur lyrisch, wenn Maffay mit der scheinheiligen Doppelmoral selbsternannter religiöser Heilsbringer, die aus dem Leid des Menschen Eigenkapital schöpfen, knallhart vor Gericht zieht, sondern auch musikalisch als ausgelassenes Funk-Stück mit schmissig-souligen Backgroundgesängen.
Dagegen tropfen in "Kein Weg Zu Weit" von der gleichnamigen Scheibe von 1989, der Referenzen an die metallischen Sounds Judas Priests aufweist, Schweiß und Motorenöl aus jeder einzelnen Note. Kompromisslos und gleichzeitig geerdet nimmt die rebellische Nummer keine Gefangenen. Letzten Endes bietet der Track Maffay'sche Currybuden-Romantik in Vollendung. Weiterhin hat man in seinem umfangreichen Repertoire die groovige Außenseiter-Hymne "Du Bist Nie Der Kassierer" aus dem Album "Lange Schatten", das ein Jahr zuvor erschien, häufig zu Unrecht übersehen.
Trotzdem ist die Compilation für treue Fans, die sämtliche Werke besitzen, eine halbseidene Angelegenheit. Der tatsächliche Mehrwert countryesker ("Schatten In Die Haut Tätowiert") und symphonisch-aufgeblasener ("Sonne In Der Nacht") Neueinspielungen alter Gassenhauer aus den mittleren 80er-Jahren, als Maffay-Platten noch wie geschnitten Brot über die Ladentheke gingen, tendiert nämlich gegen Null.
Noch ärgerlicher ist jedoch die Tatsache, dass diese Zusammenstellung keine einzige Nummer aus "Steppenwolf" (1979) und dem Nachfolger "Revanche" (1980) berücksichtigt. Gerade mit diesen beiden Platten tauschte Maffay sein Schlager- und Schnulzensänger-Image gegen eine bodenständige Rock'n'Roll-Attitüde ein und erreichte dadurch seinen künstlerischen und kommerziellen Zenit. Bereits eine halbe Dekade vorher deutete er diese Entwicklung mit "Meine Freiheit" (1975) an.
Andererseits lässt sich "Plugged - Die Stärksten Rocksongs" gar nicht als ein Querschnitt durch das gesamte Schaffen Peter Maffays verstehen. Vielmehr handelt es sich bei den 19 Stücken auf dieser Compilation um eine Auswahl seiner persönlichen Favoriten. Einige der wichtigsten Stationen in seiner über 45-jährigen Laufbahn scheint er in seiner Wahrnehmung mittlerweile verdrängt zu haben. Dennoch erfüllt die Zusammenstellung als rockendes Kontrastprogramm zu "Erinnerungen - Die Stärksten Balladen" von 2017 unbestreitbar ihren Zweck.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Die Rezension klingt wie ein Promotext.
Die Rezi ist, muss das heisen.
?
wo bleibt der Meilenstein für Peters Steppenwolf?