laut.de-Kritik
Halbgare Werkschau über die Hochglanzphase ab 1987.
Review von Dominik KautzMit der Werkschau "The Later Years" setzen Pink Floyd drei Jahre nach "The Early Years" ihrer finalen post-Waters Schaffensperiode ein Denkmal. Dabei konzentrieren sie sich ausschließlich auf ihr ab 1987 komponiertes und live mitgeschnittenes Oeuvre. Dafür hat David Gilmour jetzt einige Schmankerl aus der Versenkung geholt, gemeinsam mit Produzent Bob Ezrin die klang- und produktionstechnischen Schwächen der Originalaufnahmen im Studio ausgebügelt und alle Tracks als 2019er-Mix neu abgemischt.
Das erste Album ohne den 1985 ausgestiegenen Roger Waters, "A Momentary Lapse Of Reason", erschien 1987: eine schwere Geburt. Getragen von neuen Studiotechnologien, Keyboards und Synthesizer wollten Gilmour & Co. unter einer Vielzahl an Gästen und Textern mit den Möglichkeiten der Zeit gehen. Ein möglichst zeitgemäß aufgestelltes Album mit kompositorischer Orientierung am Material vor dem 1979 erschienen Doppelalbum "The Wall" sollte es werden.
Bei der Kritikerschaft allerdings fiel die auf Hochglanz polierte Platte als Gilmour-Egotrip unter Pink Floyd-Banner geschlossen durch. Wenig verwunderlich: Nick Mason experimentierte lieber mit Soundeffekten, da er aufgrund mangelnder Übung nicht alle Drumparts einspielen konnte, und Richard Wrights Name findet sich nur in der Auflistung der Gastmusiker. Trotz der zum Teil vernichtenden Verrisse feierten die Fans den Nachfolger zum Roger Waters-Alleingang "The Final Cut" "gespielt von Pink Floyd" begeistert und verhalfen der Platte damit zu riesigem kommerziellen Erfolg.
Obgleich die Songs ohne Abnutzungserscheinungen altern, sticht das aus heutiger Sicht antiquierte Klangbild von "A Momentary Lapse Of Reason" deutlich heraus. Der typisch nach den Achtzigern klingende Sound gehört dank der aktuellen Abmischungen jedoch zum Glück der Vergangenheit an. Aufgrund dezent angehobener Mitten und Bässe klingen "Sorrow", "One Slip" und "On The Turning Away" insgesamt nicht mehr so enorm hell und höhenlastig, sondern angenehm rund.
Dazu trägt auch bei, dass Gilmour und Ezrin die alten Drumspuren entfernten und gegen aktuelle, von Mason für sämtliche Songs neu eingespielte austauschten. Um das kreative Gleichgewicht der Band wiederherzustellen, fanden bei den Überarbeitungen auch einige 1987 nicht benutzte Keyboard- und Hammondorgel-Parts des 2006 verstorbenen Wright wieder den Weg auf die Platte.
Mit der gigantischen zweijährigen Tour zu "A Momentary Lapse Of Reason" brachen Pink Floyd einst alle Rekorde und spielten die weltweit erfolgreichste Konzertreise des Jahrzehnts. Den fünf Gastspiele umfassenden Abschluss des nordamerikanischen Teils im Nassau Coliseum, State New York schnitten Pink Floyd für den Konzertfilm und das Doppel-Livealbum "Delicate Sound Of Thunder" mit.
Die Aufnahmen zeigen die Band in absoluter Höchstform. Darauf befinden sich nicht nur der "Momentary"-Song und moderne Floyd-Klassiker "Learning To Fly", sondern auch das von "Dark Side Of The Moon" stammende "Us And Them" und der "The Wall"-Kracher "Run Like Hell" auf der "Highlights"-CD.
Pink Floyd befanden sich damals auf dem Zenit ihres Erfolges. Nach einer notwendigen Pause traf sich die Band 1993 in Masons Londoner Britannia Row Studios zu ersten Arbeiten zum finalen Floyd-Album "The Division Bell". Soundtechnisch orientierten sich Floyd am klassischen Material von "Meddle" und "Obscured By Clouds". Nach intensiven zweiwöchigen Jams begannen die Aufnahmen in David Gilmours zum Astoria-Tonstudio umgebauten Hausboot. Von den 65 geschriebenen Songs schafften es letztlich elf auf das Album.
Wie bereits der Vorgänger stieß auch "The Division Bell" auf ein geteiltes Echo. Während eine Seite die klangliche Rückbesinnung begrüßte, attestierte die andere den Songs mangelnde Substanz. "Einfach nur Müll ... Nonsens von vorne bis hinten", verspottete Roger Waters damals streng destruktiv die Platte. Nichtsdestotrotz zeichnete auch dieses Album eine Erfolgsgeschichte und stand weltweit auf den Spitzenpositionen der Charts. Mit ihrer monumentalen 1994er Tour übertrafen Pink Floyd, nur von den Rolling Stones geschlagen, sogar ihren eigenen Rekord.
Für "Marooned" gewannen Floyd im gleichen Jahr den einzigen Grammy ihrer Bandgeschichte in der Kategorie 'Best Rock Instrumental Performance'. Die auf den "Highlights" erstmals veröffentlichte Version "Marooned Jam" kommt ohne das Intro und mit einem leicht abgewandelten Solo von Gilmour, bietet aber sonst keinen nennenswerten Mehrwert.
Ebenfalls vorher unveröffentlicht ist die aus Proben zur Tour stammende Interpretation von "Lost For Words", die allerdings auch nichts wesentlich Neues bietet. Das gilt auch für die mitgelieferte frühe Version von "High Hopes", die den Song im ausgereifteren Demo-Stadium mit marginal anderen Lyrics einem noch etwas kürzeren und unstrukturierten Solo zeigt. Zwar macht diese Fassung bereits enorm Spaß. Sie zeigt aber auch ebenso deutlich auf, weswegen sie im Vergleich zur finalen Version aus Gründen der historischen Nachvollziehbarkeit eigentlich eher als Bonusbeigabe taugt.
Mit "Shine On You Crazy Diamond (Parts 1-5)" aus "Wish You Were Here" (1975) und "Comfortably Numb" aus "The Wall" befinden sich noch zwei Mitschnitte des legendären, von Pink Floyd angeführten Konzertes für die Silver Clef Award-Gewinner im britischen Knebworth aus dem Jahr 1990 auf den "Highlights". Zu Anlass der Veröffentlichung von "The Later Years" erscheinen diese unter Mithilfe von Gastmusiker*innen wie der Saxofonistin Candy Dulfer, der ursprünglichen "The Great Gig In The Sky"-Sängerin Clare Torry, dem für die Orchestrierung von "The Division Bell" verantwortliche Keyboarder Michael Kamen sowie den Background-Sängerinnen Sam und Vicki Brown hervorragend interpretierten Songs dieses Konzertes erstmals auf CD.
Wer bereits ein Best Of-Album wie "Echoes" besitzt, das ebenfalls die Spätphase der Band abdeckt, der braucht diese aus "The Later Years" zusammengestellte "Highlights"-CD höchstens aus Gründen der musikhistorischen Vollständigkeit. Anders sieht es mit der massiven 16-Disc-Box aus. Diese enthält als wichtigste Beigaben das neu abgemischte und mit Neuaufnahmen ergänzte "A Momentary Lapse Of Reason". Zudem die vollständigen, erstmals auf DVD und Blu-ray veröffentlichten Mitschnitte des 1989er Venedig-Konzertes auf dem Markusplatz und des 1990er Knebworth-Konzertes. Diese bildtechnisch komplett überarbeiteten Aufnahmen wurden bisher nur via TV ausgestrahlt.
Weiterhin enthält die Box einige Stunden unveröffentlichtes Musik- und Filmmaterial, darunter auch die letzte gemeinsame Performance von Gilmour, Mason und Wright beim 2007er Syd Barrett Tribut-Konzert. Darüber werden sich allerdings nur Floydianer mit dem entsprechenden "Money" im Geldsäcklein freuen, da die Box mit einem Preis von 345 Flocken doch enorm zu Buche schlägt. Es bleibt zu hoffen, dass die einzelnen Bestandteile, wie bereits bei "The Early Years" geschehen, nachträglich auf gesondert erwerbbaren Tonträgern erscheinen.
7 Kommentare mit 13 Antworten
Geil! Bin die letzten Monate eh wieder häufig auf einem Floyd-Tripp und konnte den Spätwerken der Band schon immer viel abgewinnen. Für mich persönlich ist The Division Bell eines ihrer besten Alben und die dazugehörige Tour in Worten eigentlich nur noch unzureichend zu beschreiben. Find es ausgesprochen schade, von "Lost For Words" praktisch keine live- oder alternative Versionen zu finden. Insofern bringt die Box mir persönlich definitiv einen Mehrwert. Auch "Sorrow" ist ein monumentaler Song, bei dem ich auf den neuen Mix gespannt bin. Wenn es dieselbe Version von "High Hopes" ist, die sie bereits vor ein paar Wochen veröffentlicht haben, muss ich leider sagen, dass die tatsächlich nichso gut ist. Hatte mich sehr drauf gefreut, aber alleine die Glocke, die in dieser Demo noch in einem anderen Takt klingt, stört mich dann doch zu sehr. Der Glockenschlag ist so eingebrannt in der finalen Version, dass jede Abweichung dessen nur Verwirrung beim Hören stiftet. Egal, gibt ausgezeichnete Konzertaufnahmen, da kann man sich immer bedienen.
Den ersten Teil der Sammlung hab ich mir in Teilen auch durchgehört und war sehr angetan. In jedem Falle hat man als Pink Floyd-Verehrer wieder Stoff für die nächsten Jahre, um sich ganz gemütlich damit zu beschäftigen.
Es gibt keine bessere Musik auf dieser Welt. Es ist spannend die Entwicklungsschritte, wie bei High Hopes, hören zu können.
Du meinst die gähnende Langeweile in den neueren Songs gemischt mit den grandiosen Soli von Gilmour? ja.
Nein, PL meint das so wie er das gesagt hat und ich kann ihm nur zustimmen.
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Sorrow 2019 ist ziemlich verhauen.... der Rest auch uninteressant bis einfältig. Im Stream mal reinhören, OK. Als Tonträger sollte man lieber seine Sammlung komplettieren zum Beispiel die Sauverful oder die Atom Heart. Den Rest habt Ihr ja schon
Ich liebe Pink Floyd und habe mir auch die "Early Years"-Einzelboxen vor einigen Jahren geholt. Für diejenigen, die sich nicht die große Sammelbox holen wollten, gabs damals die erschwinglicheren Varianten ohne die Memorabilia und die Bonus-Aufnahmen (auf "Moonhead" müsste man dann leider verzichten). Vielleicht wird das ja hier auch noch nachgeschoben. Denn über 300€ für gesammelte Werke aus der unterm Strich schwächsten Bandphase (falls man bei Pink Floyd von so etwas sprechen kann) sind schon sehr happig. Zumal es abgesehen von den zuvor unveröffentlichten Live-Mitschnitten wenig wirklich Neues gibt.
Ich bin begeistert....habe mir nur die günstige CD gekauft und bin begeistert...schöne Zusammenstellung....super Sound...Sorrow in der Version...genial...vielleicht würde ich anders urteilen wenn ich mir das große Paket gekauft hätte....die zusammengestelle CD aus dem großen Paket finde ich Klasse und für den Preis völlig ok...läuft bei mir rauf und runter.....es wird halt nix neues mehr geben....leider....Gilmour in Wiesbaden....Waters in Köln...Mason bald in Luxemburg....leider getrennt...man darf doch noch träumen....