laut.de-Kritik

Banken ausrauben, Liebe machen, Swastikas an die Wände malen.

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Placebo zählen zu den Bands, deren Repertoire aus zwei verschiedenen Liedern besteht, einem schnellen und einem langsamen. Diese erhalten über die Jahre zwar ein neues moderneres Gewand, der musikalische Baukasten bleibt aber derselbe.

"Pure Morning" und "Taste In Men" gelten als sich spiegelnde Ausnahmen, die nur die Regel bestätigen. Spätestens mit "Sleeping With Ghosts" hatten sie ihre Fertigkeiten auf Albumlänge optimiert. Ab nun war alles gesagt.

Eine der Stärken und zugleich Schwächen Placebos stellt der charismatische Sänger Brian Molko dar. Seine Stimme verfügt über einen hohen Wiedererkennungswert. Zugleich schränkt er mit seinem gleichförmigen Vortrag, der kaum Höhen und Tiefen kennt und nur über wenige emotionale Möglichkeiten verfügt, seine Band stark ein.

Die Vorabsingle "Too Many Friends" ließ Schlimmstes für den siebten Longplayer "Loud Like Love" erahnen. Ungelenk widmen sich Placebo dem Thema Online-Kommunikation und soziale Netzwerke. Dabei klingt der mittlerweile 40-jährige Molko wie ein alter Mann, der mit gestelzten Worten und hohem Fremdschamfaktor über Dinge spricht, die er nicht mehr versteht.

"My computer thinks I'm gay / I threw that piece of junk away / On the Champs-Elysees / As I was walking home." 2013 sollte es schon lange egal sein, ob ich Frauen, Männer oder beides liebe. Aber was macht Molko? Der ehemals ach so androgyne Alternative-Rockstar latscht sinnbefreit und nur des Reims wegen über die Pariser Prachtstraße und schmeißt mit Computern um sich, sobald diese auch nur daran denken, ihr Besitzer könnte schwul sein. Selbst als Metapher oder ironisch verstanden: Hier vermischt sich ein blödsinniges Bild mit einer noch viel dämlicheren Aussage.

Zeitgleich werben Plattenfirma und Band auf Facebook aggressiv für den neuen Longplayer. Unter dem "Too Many Friends"-Video finden sich Postings, die von einem längst überfälligen Thema sprechen. Eine geradezu paradoxe Situation. Dabei hat sich selbst der letzte Schlagersänger bis hin zu Ralph Siegel ("Facebook Uh, Oh, Oh") bereits ausgiebigst mit der Materie beschäftigt.

Aber zum Glück findet sich ja immer ein Schuldiger. Auch in diesem Fall. "The applications are to blame / For all my sorrow an my pain." Das ist textlich so platt, das ich mir nicht zum letzten Mal auf "Loud Like Love" wünsche, dass Molko in Mandarin anstatt in gut verständlichem Englisch singt.

Zeilen wie "Love on an atom / Love on a cloud / To see the birth of all that isn't now / Can you imagine a love that is so proud / It never has to question why or how?" ("Loud Like Love") oder "Whenever I was feeling wrong / I used to go and write a song / From my heart / But now I fear I've lost my spark" ("A Million Little Pieces") verstärken diesen Wunsch noch.

Überraschenderweise schaffen es Placebo trotzdem schnell zurück in die Spur. Denn bis "Too Many Friends" auf der Bildfläche erscheint, liegt bereits ein fulminanter Start mit dem Titeltrack und "Scene Of The Crime" hinter uns. Kantenlos, doch ebenso energiegeladen und enthusiastisch mischen Placebo ihren neuen Longplayer erst mal gehörig auf.

Gerade "Loud Like Love" mit seinen Synthesizer-Fanfaren und dem "Breathe / Believe"-Wechselspiel wirkt wie ein funkensprühende Gegenentwurf zu der düsteren Vergangenheit. Eine Dringlichkeit, die auch "Rob The Bank" durchzieht, das aber durch seine gezwungene Zuckerwatten-Anarchie auf halbem Wege scheitert. Banken ausrauben, Liebe machen, Swastikas an die Wände malen.

In der zweiten Hälfte drosseln Placebo das Tempo erheblich. Nur der Babylon Zoo-Industrial-Sound aus "Purify", manch ein auflodernder Augenblick im elektrischen "Exit Wounds" und die The Edge-Gitarre in "Begin The End" unterbrechen die Behaglichkeit. Immer wieder stellt Olsdal seine überschaubaren Fähigkeiten am Keyboard unter Beweis. Drei Tasten dürften ihm hierzu genügen.

Im zum Herzen gehenden "Bosco", nach einer italienischen Weinsorte benannt, kämpft Molko gegen die Alkoholsucht und deren zerstörerische Konsequenzen für eine Beziehung. Trotz des bleischweren Textes, bleibt der Song mit seinen ansteigenden Geigen larmoyant und zuckerweich. "I was so delicate when we began, so tender when I spoke your name / But now I'm nothing but a partisan to my compulsion and my shame /You know, I'm grateful - I appreciate / But in fact, it's pitiful how I suck you dry."

Vor "Loud Like Love" nahm sich Molko Radioheads "In Rainbows" als mögliches Referenzalbum zur Brust. Auch Einflüsse von afrikanischer Instrumentalmusik, klassischen Pianisten, oder sphärische Sigur Rós-Sounds sollen laut Presseinfo zu finden sein. Hören kann man davon freilich herzlich wenig. Placebo bleiben Placebo bleiben Placebo. Am Ende steht ein poppiges und eingängiges Album, befreit von den Ecken und Kanten der Vergangenheit. Nicht mehr, nicht weniger.

Trackliste

  1. 1. Loud Like Love
  2. 2. Scene Of The Crime
  3. 3. Too Many Friends
  4. 4. Hold On To Me
  5. 5. Rob The Bank
  6. 6. A Million Little Pieces
  7. 7. Exit Wounds
  8. 8. Purify
  9. 9. Begin The End
  10. 10. Bosco

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