laut.de-Kritik
Der Dinosaurier des Songwriting covert sich selbst.
Review von Philipp GässleinRandy Newman ist eine Ikone. Ein gängiges Zitat: "Es gibt zwei Sorten von Newman-Songs. Die guten und die Meisterwerke" trifft sein bisheriges Schaffen ganz gut. Sein letztes Album, "Bad Love" erschien 1999. Seitdem war es recht ruhig um den Mann, der von sich selbst sagt: "Singen gehört zu den Sachen, in denen man besser wird, je älter man wird. Es ist eine Frage der Übung." Nun denn - im November feierte Randy Newman seinen 60. Geburtstag. Zeit genug, seine Stimme zu perfektionieren.
Dieser Mann hat seine Finger in vielen Töpfen. Seine Songs wurden unter anderem von Three Dog Night, Ray Charles, Joe Cocker, Dusty Springfield und anderen Größen des Musikgeschäfts gecovert. Newman's Stücke haben einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, nicht zuletzt durch die Coverversionen. "You can leave your hat on", "Mama told me not to come", "Sail away" - jeder kennt die Songs, die wenigsten können jedoch ein Gesicht damit verbinden.
Ironisch, wie Randy Newman ist, verarbeitet er diesen Missstand auch sogleich im Cover, auf dem er dem Hörer lediglich seinen Rücken zeigt. Noch ungewöhnlicher sich die musikalische Gestaltung. Randy Newman verzichtet auf jegliche Orchsterarrangements und präsentiert seine Klassiker in abgespeckter Version. Lediglich ein Konzertflügel dient als musikalische Untermalung seiner whiskygetränkten Stimme. Klingt zwar deutlich weniger spektakulär, rückt seine schwarzhumorigen und satirischen Texte allerdings umso mehr ins Rampenlicht.
Die 18 Songs passen so perfekt aneinander, als säße man in einem Konzert. Den Anfang macht "It's Lonely At The Top", und das ist angesichts seines Status' und des solistischen Arrangements der CD sogar doppelt selbstironisch. Auch das zweite Stück, "God's Song (That's why I love mankind)" kommt von seinem 1972er Meisterwerk "Sail Away". Aus der Sparte "persönliche Katastrophen" steuert er noch "Let Me Go" aus dem Film "The Pursuit Of Happiness" bei, bevor "Rednecks" einen inhaltlichen und auch musikalischen Wechsel einläutet. Während er von der Unterdrückung schwarzer Frauen in den Südstaaten berichtet, wird die Musik auf einmal blueslastig, wo sie davor noch sehr jazzig angehaucht war.
Der nächste Höhepunkt der Platte ist "You Can Leave Your Hat On". Sowohl Joe Cocker als auch Tom Jones hatten versucht, ihren Sexbombenstatus durch ihre Version zu festigen. Randy Newman zeigt klar auf, wie der Song eigentlich zu verstehen ist: als Geschichte eines verklemmten Mauerblümchens. Ironie zu verstehen, ist halt keine Selbstverständlichkeit. Weiter geht es mit politischen Seitenhieben. "The World Isn't Fair" rechnet mit Karl Marx ab, in "Political Science" schlägt er vor, die Vereinigten Staaten sollten doch einfach alle außenpolitischen Gegner mit Bomben zupflastern. Ein glänzender Beweis, dass die Satirik Newmans auch nach 30 Jahren noch immer nicht an Aktualität eingebüßt hat. Mit "The Great Days Of Europe" aus "Bad Love" bringt Newman auch einen Auszug seines aktuellen Schaffens mit auf die CD, bevor sie mit den traurigen "In Germany Before The War" und "Ragtime" melancholisch ausklingt.
Die puritanische Inszenierung stört spätestens nach dem ersten Durchgang keinen aufmerksamen Hörer mehr, und auch das hohe Alter merkt man Newman dank Transponierungen in "Marie" und "Living Without You" kaum an. Die Zusammenarbeit mit Produzent Mitchell Froom, bereits auf "Bad Love" sehr erfolgreich, erweist sich immer mehr als Glücksfall. So entsteht Vorfreude auf den zweiten Teil des Songbooks und die drei Livekonzerte in Deutschland Anfang 2004.
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