laut.de-Kritik
Lässige Lebensreise durch Americana-Gefilde.
Review von Alexander KrollJemals gewünscht, in der Zeit zurückzureisen und etwas anders zu machen als beim ersten Mal? "I Wouldn't Change A Thing" meint Ray LaMontagne. Getragen von schwebenden Pedal-Steel-Klängen erzählt der 51-jährige US-Folkrocker auf dem zweiten "Long Way Home"-Track von seinen Erlebnissen, den Höhen und Tiefen. Singt von Schicksalsschlägen. Davon, hart auf dem Boden aufgeschlagen zu sein. Doch verändern, singt er lautstark, verändern würde er nichts.
LaMontagne, der seine Karriere Anfang der 90er Jahre startete, bleibt seinem Weg und seinem Sound tatsächlich auch auf dem neunten Album treu. Aufgenommen im Heimstudio in den Hügeln von Western Massachusetts und produziert mit Floating-Action-Frontmann Seth Kauffman, bringt "Long Way Home" frischen Wind ins Urmotiv des Lebens als Reise. Inspiriert von Townes Van Zandts Liedzeile "Where you been is good and gone / All you keep is the getting there", entsteht eine lässige Philosophie, die gleichzeitig eine Zeitreise durch Americana-Gefilde der 60er und 70er Jahre liefert.
Auf neun Tracks kanalisiert LaMontagne, der 2011 mit dem Grammy ausgezeichnet wurde, altbewährte Muster und berühmte Vorbilder im Sinne einer nostalgischen, aber immer beseelten, bereiten Ausrichtung. Über leichte Harmonien und Melodien der Laurel-Canyon-Ära dechiffriert der Singer-Songwriter das Leben in seinen Spuren, Kerben und schmerzenden Wunden, wie auch in seinen Sehnsüchten und Träumen, gekrönt vom strahlenden Appell, alles schaffen zu können.
Mit den Backing Vocals des Alabama-Duos The Secret Sisters reizt der Opener "Step Into Your Power" das 70s-Spektrum des Albums zugunsten einer fulminanten Soul-Funk-Gospel-Hymne aus. Der mit "I Wouldn't Change A Thing" grandios gesetzte Americana-Fokus überzeugt bei mehreren Stücken. Mit schwelgendem Zeitlupenvortrag und einer Mundharmonika-Reverie, die selbst Neil Young neidisch machen würde, breitet "And They Called Her California" die oft besungene Westküste vor den Hörern aus, als wäre es zum ersten Mal.
Auch "The Way Things Are" gelingt das Kunststück, alte Weisheiten durch feine Nuancen neu zu entdecken. Über andächtiges Fingerpicking und gedoppelten Filigrangesang, die früher bei Simon & Garfunkel und später bei den Fleet Foxes das Geheimrezept bildeten, zielt LaMontagnes Blick auf nichts weniger als das Wesentliche. Vom oberflächlichen Superstar-Image und der Übermacht des Kapitalismus hält der ehemalige Schuhfabrikarbeiter wenig: "Spending all your days just chasing money / Fame is just a game, it’s empty honey / That’s the way things are".
Zwischen souveränem Spiel und leichten Überzuckerungen bewegen sich die Van Morrison-Reminiszenzen "Yearning" und "My Lady Fair" wie auch die Instrumentaljams "La De Dum, La De Da" und "So, Damned, Blue". Poetisch abgerundet wird das Konzept der Lebensreise durch den Titeltrack. Anknüpfend an naturlyrische Traditionen entwickelt "Long Way Home" ein bittersüßes Szenario. Gekonnt schlägt das Finale den Bogen von meditativen Sommerbildern wie Wiesen und Feldern, Fröschen und Pekannüssen hin zu melancholischen Ausblicken auf den unvermeidlichen Herbst und Winter.
"Summertime must yield to fall / And that's what hurts me most of all (...) Winter come to us all my friend / Just as every childhood has an end". Entstehen und Vergehen. LaMontagne konzentriert sich auf die mächtigsten aller Formeln. Jene, die sich nicht verändern lassen.
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