9. September 2011
"Viele Songs hatten wir noch nie gespielt"
Interview geführt von Maik LenzeRHCP-Sänger Anthony Kiedis und Bandfrischling Josh Klinghoffer sprachen mit uns über "I'm With You", die neue Besetzung, das Leben als Rockstar, Fleas Liebe zum Klavier und den Kölner Promogig.Locker und humorvoll präsentierte sich die Abordnung der Red Hot Chili Peppers beim Interview im Kölner Hyatt Hotel. Es ist der Tag nach dem "I'm With You"-Promogig am 30. August im E-Werk, der in Hunderte Kinosäle weltweit übertragen wurde.
Während der alte Hase Anthony die Fragen so smart und routiniert parierte, dass er nebenher noch genügend Zeit fand, kunstvolle Zeichnungen aufs Papier zu werfen, gab sich Bandfrischling Josh im Interview eher bescheiden: ein entspanntes Doppel, keine Frage.
Mir hat euer "I'm With You"-Premierengig gut gefallen, aber es gab offenbar technische Probleme auf der Bühne, ihr musstet ein Lied wiederholen.
Josh: Ja, es gab einen Fehler, noch bevor gesendet wurde.
Anthony: Das war weniger auf der Bühne ein Problem, als es für die Leute im Kino geworden wäre. Die Vocals fürs Kinosignal waren ausgefallen. Aber am Ende hat ja alles geklappt. Trotzdem, es ist schon verrückt. Es gibt enorme technische Herausforderungen, wenn man so eine Show fährt: Einen guten Gesamtsound produzieren, und ihn dann an hunderte Kinos rausschicken. Aber gut, die Sache mit dem Sound ist unser Job. Damit hast du als Band immer zu kämpfen, etwa weil du dauernd die Venues wechselst. So ist das eben.
Josh: Als wir den Song zum zweiten Mal spielten, wars für mich viel relaxter. Die Nummer ("Did I let You Know", die Red.) fällt mir aufgrund der unterschiedlichen Gitarrensounds wohl am schwersten. Beim zweiten Mal liefs besser. Fand ich ganz lustig, zumal man das den beiden Versionen anhören kann.
Anthony: Der zweite Durchgang lief auch bei mir besser.
Ich fand ganz lustig, dass ich während eures Gigs zwei Mal auf die Toilette musste - und jedes Mal hörte ich denselben Song.
Anthony: Gut, dass du nicht drei Mal pissen musstest, oder? Sonst hätten wir die Nummer noch mal spielen müssen (alle lachen).
Ist es eigentlich besser, ein Album am Stück durchzuspielen oder eine individuelle Setlist zu erstellen?
Eine Platte am Stück spielen, finde ich schwierig. Wir haben das bis gestern auch noch nie vorher gemacht. In der Regel hat das Zusammenstellen einer Livesetlist viel mit Dynamik zu tun - ein großer Unterschied zum Erstellen einer Albumtracklist. Dazu kommt, dass die Scheibe auch für uns noch neu ist: Die Hälfte der Stücke haben wir bis gestern noch gar nie live gespielt. Ich musste mich stark konzentrieren. Ehrlich gesagt hätte uns mehr Vorbereitungszeit nicht geschadet, aber die gabs halt nicht.
Warum habt ihr eigentlich nach dem Album nicht noch mehr alte Gassenhauer drauf gelegt?
Josh: Satellite time.
Anthony: Eigentlich wollten wir noch mal auf die Bühne, um weiterzuspielen. Aber um ehrlich zu sein, habens wirs irgendwie nicht mehr auf die Reihe gekriegt.
War trotzdem ein ganz spezieller Gig. Und "Give It Away" habt ihr ja gespielt ...
Anthony: Außerdem kommen wir bald wieder nach Deutschland zurück.
Steht eigentlich schon fest, wie lange ihr mit dem neuen Album touren werdet?
Anthony: Ich glaube, die Antwort darauf will ich eigentlich gar nicht wissen! Ein Jahr fände ich angenehmer als zwei, aber daraus wird vermutlich nichts ... ich freue mich zwar aufs Touren, aber ich möchte mit Josh gerne neue Songs schreiben ... bevor ich 50 werde (alle lachen).
Wir brauchen hier in Deutschland immer gute Festivalheadliner, beispielsweise für Rock am Ring, da habt ihr ja schon vor Jahren gespielt ...
Anthony: Aha? Okay ... Ich denke, für kommenden Sommer stehen auch Festivalshows an.
Gut, das hab ich auf Band!
Anthony: Ich werde es im wundervollen Dekolletee von Emma verstecken. Darf man hier so was eigentlich sagen?
Josh: Bestimmt.
Anthony: Ich liebe Emma.
Wer ist Emma?
Anthony: Sie ist unsere Bookerin - nein, schon eher ein Art Familienmitglied.
"Ich liebe die Hater. Ich liebe sie."
Mein Lieblingslied vom neuen Album heißt "Monarchy Of Roses" - und trotzdem hab ichs einfach nicht geschafft, die Refrainmelodie mitzusingen ...Anthony: Das spricht schon mal nicht für eine erfolgreiche Single ...
Das wäre eine tolle Single!
Anthony: Hast du beim Singen grundsätzlich Schwierigkeiten?
Ja, wahrscheinlich.
Anthony: Was bist du von Haus aus? Tenor, Barriton?
Ziemlich tief.
Anthony: Vielleicht solltest du es mal mit Joshs Parts versuchen. Andererseits übernimmt er die hohe Stimme ... Wie auch immer, das war ein sehr spontaner Melodieeinfall. Ich kam drauf, als ich Josh und Flea beim Spielen zuhörte. Es war ein tolles Gefühl, als ich diese Chords und Rhythmen hörte, es klang sehr harmonisch. Die Vocalmelodie machte den Sack endlich zu.
Der Song wurde zuvor immer wieder umgeschrieben. Wir wussten nicht so recht, wie wir die heavy Parts mit den anderen verbinden sollten, wie lang diese sein sollten usw. Am Ende haben wir doch was Schlüssiges hingekriegt. Ich wär froh, wenns die nächste Single werden würde. Ich weiß nicht genau warum, aber ich freu mich riesig, dass wir dieses Stück gemacht haben.
Jedenfalls kann man zu einigen Songs richtig gut tanzen.
Josh: Das finde ich gut! Tanzbarkeit ist sehr wichtig für mich. Eines der wichtigsten Dinge, wenn man Musik macht, aus meiner Sicht.
Anthony: Das kommt mir sehr entgegen. Tanzen kann dir das Gefühl geben, dich mit dem ganzen Kosmos zu vereinigen. Schön, wenn wir dafür den Soundtrack liefern.
Manch alter Peppers-Fan findet das nicht so toll und meint, das sei kein Funkrock mehr, schon eher Pop oder sogar Dance (Josh lacht).
Anthony: Ich liebe die Hater. Ich liebe sie. Auch sie werdens irgendwann kapieren. Es ist funky, es wird funky. Der Funk ist nicht mehr so offensichtlich, er wird trügerisch, er kommt aus dem Verborgenen. Wer ihn nicht mehr findet, hat den Funk wahrscheinlich selber verloren.
Wie auch immer, auf der neuen Platte zeichnen sich meiner Meinung bereits Liveklassiker ab. "Look Around" zum Beispiel, da ging das Publikum gestern voll mit.
Anthony: Danke. Chris, unser Mädchen für alles auf der Bühne, wär da sicher sofort dabei. Manchmal spielt er Keyboard, wirft den Klick an oder macht die Drums startklar.
Josh: Er hat immer ein Auge auf Chad. Damit nichts schief geht
Anthony: Und ich immer eins auf Chris. Er fing gestern Abend bei "Look Around" an.
Josh: Als Babysitter taugt er auch noch.
"Wir haben keinen Masterplan"
By the way, Josh: Gestern Abend sah es so aus, als würdest du schon ewig bei den Peppers Gitarre spielen. War es so einfach, ein festes Bandmitglied zu werden?Josh: Ja, im Sinne von: Vier Freunde machen zusammen Musik. Wir sind eben befreundet, und die anderen liegen mir sehr am Herzen. Insofern wars leicht.
Wie hat sich denn der Songwritingprozess mit Josh verändert?
Anthony: Eine neue Person bringt automatisch Veränderung mit sich, aber es war trotzdem sehr leicht für uns alle, zusammen Musik zu machen. Wir haben nicht darüber nachgedacht, sondern es passieren lassen. Viel wichtiger war, es zu tun, einzustöpseln und loszulegen. Der Rest passiert von alleine, wenn man wirklich zusammen Musik machen will. Im Prinzip läuft das seit unseren Anfangstagen so: Man jammt, bringt neue Ideen auf, baut auf diesen auf, hört sich gegenseitig zu.
Flea spielt neuerdings auch Klavier. Eine Trompete hört man auch mal ...
Anthony: Flea spielt schon lange Trompete, länger als er Bass spielt. Auf der neuen Scheibe spielt er sie aber nicht. Das war Michael Bulger.
Josh: Momentan sieht sich Flea eh nicht als Trompeter. Das ist auch eines der Instrumente, denen du dich wirklich mit aller Aufmerksamkeit widmen musst.
Das Klavier spielt auf der neuen Platte aber eine ziemlich wichtige Rolle.
Anthony: Ja, das war eines der Dinge, die er während unserer Auszeit anpackte. Flea wollte seine Fähigkeiten am Klavier erweitern und fürs Songwriting nutzen. Er hat auch ein paar Semester Musiktheorie studiert und die Theorie dann am Klavier umgesetzt. Ein durchaus dominantes Element auf der neuen Platte. Eine coole Sache. Hat unsere Möglichkeiten definitv erweitert.
Themenwechsel: Anthony, du bist mittlerweile ja Vater. Ich hab selber zwei kleine Söhne - welche Auswirkungen hat das auf dein tägliches Leben, besser dein Rockstarleben?
Anthony: Eine wundervolle Sache. Aber ich finde nicht, dass ich das Leben eines Rockstars führe ...
Wohl eher nicht mehr ...
Anthony: Ich habe das so nie empfunden. Ich weiß auch nicht, was das heutzutage bedeutet. Natürlich führte ich ein exzentrisches, interessantes Leben, würde das aber nicht als Rockstarleben kategorisieren. Das sagt mir nichts, scheint mir auch nicht erstrebenswert zu sein. Das machte in den Siebzigern Sinn, aber seitdem fühlt sich das eher wie ein Softdrink an. Jedenfalls begleitet mich mein Sohn auch auf Tour, er genießt sozusagen eine 'Education on the road'. Seine Lehrer heißen Josh Klinghoffer, Chad Smith und Flea, von den Nannys mal abgesehen.
Wenn ihr auf euren Backkatalog und die neue Platte schaut - zeichnet sich schon ab, wohin die Reise musikalisch gehen wird?
Josh: Wir planen da nichts, das passiert alles natürlich. Wir haben jede Menge Songs zusammen gemacht - ohne vorherige konkrete Vorstellungen - und haben dann die genommen, die am besten harmoniert und für uns alle funktioniert haben.
Anthony: Ich habe keinen Masterplan, empfände ich auch als Einschränkung. Wir leben im Moment. Gerade geht es um die neuen Songs, und wir sind in Köln. Morgen in Paris, dann in London, das wird spannend, weil wir dort in einem kleinen Club spielen. Das wollen wir genießen und auskosten, statt darüber nachzudenken, was wohl in einem Jahr oder so sein könnte.
Josh: Ich hatte eine wunderbare Zeit, als ich Songs schrieb und sie mit der Band aufnahm. Ich hoffe, dass das so bleibt. Ist das schon ein Masterplan? Keine Ahnung. Hat einfach Spaß gemacht.
Noch keine Kommentare