laut.de-Kritik
Verspielte Aggression anstatt zuckeriger Pop-Trap.
Review von Yannik GölzWer seine Platte und seinen Künstlernamen "Nasty" tauft, der muss etwas im Köcher haben, das diesem vielbeschworenen Adjektiv auch irgendwie gerecht wird. Die bisher eher für zuckerigen Pop-Trap bekannt gewordene Maryland-Rapperin Rico Nasty ändert auf ihrer neuen Platte den Kurs so rabiat in Richtung dreckigem Turn-Up, dass sie ihrem Titel nun wirklich gerecht wird.
Schon Singles wie "Trust Issues" machten unmissverständlich klar: Mit Pop ist es in dieser Ära ihrer Karriere nicht mehr weit her. Der Bass ist verzerrt, als wären da Produzenten aus Florida am Werk, die Drums scheppern härter und rücksichtsloser durch die Trap-Pattern. Aber auch Rico wirkt auf dieser Platte wie ausgewechselt. Mit etwas bornierter, gerotzter Delivery und druckvollen Vocals findet sie eine neue Sparte, die tatsächlich überaus "Nasty" klingt.
Diese neue Sparte funktioniert für ein paar Tracks fast etwas zu gut. Der Opener "Bitch I'm Nasty" oder ein Track wie "Oreo" bestechen mit einer Abgefucktheit, die Stars wie 6ix9ine oder XXXTentacion zu nachhaltigem Erfolg verholfen haben. Aber hinter dem Gimmick steckt ein solider Micskill, denn auch wenn selten wirkliche Killer-Lines auftauchen, bleibt die Qualität der Reime zweifelsohne konstant.
Die Schattenseite dieser Konstanz ist eine gewisse Eindimensionalität der Platte. Songs wie "Hockey" oder "Won't Change" (der Titel hier eine etwas zu selbsterfüllende Prophezeiung) machen zwar per se nichts falsch, wiederholen aber musikalische Elemente, die schon auf der ersten Hälfte der Laufzeit fast totgeritten werden.
Die Gastbeiträge helfen zum Teil, die eventuell aufkommende Monotonie zu durchbrechen. BlocBoy JB und sein Memphis-Hausproduzent Tay Keith kommen mit unsubtil geflippter E-Gitarre für ein paar der lebendigsten Adlibs der Platte. Atlanta-Newcomer Lil Gnar fällt überzeugend in den Gebrüll-Tenor ein. Bisherige High Profile-Kollaborateure wie Lil Yachty tauchen nicht auf, hätten aber vielleicht doch die ein oder andere Facette hinzufügen können.
Wichtiger als die klamme Gästeliste ist hier allerdings die Produktion, die zwar nicht gerade mit großen Namen der Trap-Elite glänzt, dafür aber immer wieder eine interessante Melodie oder ein ungewöhnliches Sample an den Tag legt, um den Songs einen gewissen Extra-Flavour einzubringen. Besonders sticht da "Ice Cream" hervor, auf dem eine nostalgische Chiptune-Melodie Grundlage für einen dreckigen Banger bietet.
Aber auch die klaustrophobischen, bedrängenden Synthesizer auf "Transformer" werten den Song dank Chicago Drill-Flavour zu einem der stärkeren, intensiveren Track der Platte auf. Die Bassline auf "Rage" könnte geradezu zu einem Korn-Track gehören, "Pressing Me" birgt die verschrobene Einfachheit, die zuletzt auch ein Playboi Carti zu großem Effekt verwendet hat.
Pop-Experimente finden im Unterton dann aber doch statt. Der Song "My Oh My" lehnt in eine etwas halbgare Gesangs-Performance, "La La" hingegen nutzt Harmonien zu deutlich gekonnterem Effekt. Die Stärke von Ricos Stimme ist eher der Ausdruck und der Eigenwille, weniger die Fähigkeit, einen Ton all zu lange zu tragen.
Die Platte lebt von einer verspielten Aggression, einer charakterstarken Protagonistin und nicht zu unterschätzenden Vibes. Tracks wie "Trust Issues" oder "Transformers" können sich im Florida-geprägten Zeitgeist mehr als sehen lassen, und auch die anderen Nummern machen für sich betrachtet keine schlechte Figur.
Lediglich dem Gesamtpaket fehlt es insgesamt an musikalischer Reife und an Facetten, um den Sprung zu einem wirklich starken Projekt zu schaffen. Hier und da klingen die Beats etwas billig, manchmal scheint das Songwriting sich zu schnell mit der bewährten Formel abzufinden. Aber auch wenn noch Luft nach oben da ist, zeigt "Nasty" ein klares Potential von einem der viel zu seltenen weiblichen Newcomern in der Trap-Szene.
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