laut.de-Kritik

Bastard aus trippigem Dancefloor, Jazzbar und irischem Herzblut.

Review von

Na, das wurde ja Zeit! Fast zehn Jahre nach dem letzten Lebenszeichen "Overpowered" beehrt Róisín Murphy die Öffentlichkeit endlich wieder mit einem neuen Album: "Hairless Toys" ist ein herausragender Bastard aus trippigem Dancefloor, verrauchtem Jazzschuppen und irischem Herzblut. Ihre acht neuen Lieder bilden ein kreatives Ausrufezeichen der Extraklasse.

Zum Glück beherzigt Rosheen die alte Inselweisheit des "Never change a winning team!". Getreu dieses Mottos schnappt Murphy sich einmal mehr den erprobten Kumpel Eddie Stevens samt seiner Fähigkeiten als gehobener Arrangeur, Produzent und Co-Songwriter. Doch das heißt längst nicht, dass La Moloko und der Brite an jeder ausgelutschten Milchkanne halten. "Hairless Toys" schnappt sich stattdessen eine ordentliche Kelle postmodernen House-Clubs, kontrastiert das Klang gewordene Neonflackern mit organischem oldschool Jazz und sogar etwas Blues.

Das sinnliche Ergebnis sollte die Freunde ihrer alten Band und Neueinsteiger gleichermaßen in Ekstase versetzen. Von Platte zu Platte perfektioniert die Irin ihre Vision der musikalischen Verschmelzung von Steckdose und Tradition. Der exzentrische Stevens erweist sich über das gesamte Album als absoluter Qualitätsgarant für dieses Konzept. Sein großes Plus liegt in der Fähigkeit, sowohl reine Clubästhetik zu verstehen (etwa in der Zusammenarbeit mit Fatboy Slim) als auch den handgemachteren oder improvisatorischeren Kontext von Konzerten. Nicht umsonst ist er seit "Ruby Blue" fester Bestandteil ihrer Liveband.

Obwohl beide Seelen ihrer Kunst stets präsent sind, hat diese Januskopf-CD zwei recht unterschiedliche Gesichter. Die ersten drei Lieder gehören vor allem in den Club. "Gone Fishing" verführt als schlafwandlerisches Rauschmittel aus angefrickelten Midtempo-Jazz-Kapriolen und chillender Elektronik. Die inspirierten Details sind schlichtweg der Wahnsinn. Wenn inmitten des Duells von funky Guitar und Percussion für nur wenige Sekunden das Echo einer angedeutenen Rockgitarre zur Stippvisite auftaucht, schnalzt man mit der Zunge.

Das folgende "Evil Eyes" lässt im Gesang der Strophe - ganz ohne Selbstaufgabe - einen leichten Touch of Grace Jones zu und hätte auch gut auf "Hurricane" gepasst. Höhepunkt der Floor-Passagen ist dennoch das fast zehnminütige "Exploitation". Sein treibender Rhythmus marschiert unaufhaltsam voran, während ein höchst effektives Piano dazu das sphärische Echolot gibt. Über allem thronen die von Minute zu Minute verschwitzteren Vocals Murphys. Wer dieses Stück zweimal hintereinander hört, bleibt für den Rest des Tages in Trance gefangen.

Das charmante "Uninvited Guest" geleitet mit niedlichen "whoa-whowhow", "Dabbadabb"-Backingvocals und gepfiffenem Part lässig über zum verquarzten Teil des Albums. Und hier steigert sich die ohnehin bislang schon superbe Scheibe noch einmal. Mit "Exile" haut die Frau aus Arklow einen ungewohnt knarzig-lasziven Irish-Blues heraus, mit dem sie sich auch nicht vor Landsmann und Urgestein Van Morrison ("Streets Of Arklow") verstecken muss. "... and face another hurricane to get back home."

Im grandiosen Schluss-Duo "Hairless Toys (Gotta Hurt)"/"Unputdownable" lohnt es sich, sein Augenmerk auf das Zusammenspiel von Piano/Keyboards und Gesang zu lenken. Finster, melancholisch und dabei doch so zuckersüß setzt sich das intensive Lied im Ohr fest. Durch die Halleffekte zwischen Jazz und Ambient klingt es fast ein wenig, als würde Róisín gleichzeitig von Pianist Harold Budd und Keyboardikone Rainer Brüninghaus (Jan Garbarek) begleitet. Beide Songs bilden als Arrangement das absolute Meisterstück von Eddie Stevens.

Doch bevor das Album in totaler Depression versinkt, rettet sie die Pulsadern ihres Publikums auf den letzten Metern noch mit einem hymnisch-fröhlichen Einschub. Urplötzlich ist dann alles recht schnell vorbei. Doch nach der Platte ist vor der Platte und die Repeat-Taste grinst einen bereits erwartungsfroh an. Schon lange habe ich kein Album mehr gehört, dass auf so zeitgemäße Art so unangestrengt zeitlos klingt. Róisín Marie Murphy gelingt mit "Hairless Toys" die beste Platte ihrer Karriere und nebenbei ein Meisterwerk.

Trackliste

  1. 1. Gone Fishing
  2. 2. Evil Eyes
  3. 3. Exploitation
  4. 4. Uninvited Guest
  5. 5. Exile
  6. 6. House Of Glass
  7. 7. Hairless Toys (Gotta Hurt)
  8. 8. Unputdownable

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