laut.de-Kritik
Dieser Song wird kein leichter sein!
Review von Ulf KubankeScala & Kolacny Brothers haben sich ein neues Thema gesucht. Diesmal interpretieren sie ausschließlich deutschsprachige Rock- und Popsongs. Ein paar Klassiker, ein paar Alternative-Tracks und erfolgreiche Hits der jüngsten Vergangenheit legen alle Trendyness samt Trademarks ab und verwandeln sich in Chorwerke. Das könnte so schön sein. Ist es aber nicht. Nachdem Oonagh bereits das unerträglichste deutsche Album des laufenden Jahres ablieferte, servieren die Gebrüder Kolacny plus Damenchor nun den Langweiler des Jahres.
"Wie Soll Ein Mensch Das Ertragen?" fragte Philipp Poisel vor ein paar Jahren in seinem gleichnamigen Singer/Songwriter-Lied. Gar nicht! S & K plätschern als ebenso harm- wie belangloses Bächlein dahin. Sogar die charismatischsten Vorlagen - etwa Hilde Knefs "Für Mich Soll's Rote Rosen Regnen" - stranden im Niemandsland zwischen Betulichkeit und Beerdigungsbegleitung. Man muss hier gar nicht mehr die Frage stellen, wer nun wo genau rotiert.
"Graue Häuser, ein Junkie im Tran?" Der Fixer im dynamischen und schonungslos beobachteten Wavesong "Berlin" (Ideal) bekommt mit Scala zum Tran noch die passenden Tüten dazu. Der "Universal Tellerwäscher" (Die Sterne) lebt im Original von seiner charmanten Mischung aus Selbstironie und Desillusion. Bei Scala geht der Spirit baden. All diese tollen Nummern - auch Lindenbergs "Cello" - interpretieren sie so mitreißend wie alte Teebeutel im Aschenbecher nach den Zweitaufguss. Doch es wird noch schlimmer. Denn das alles sind noch die besseren Minuten der Platte. Bei der anderen Hälfte der Lieder ist schon die Auswahl der Vorlagen ein echtes Gruselkabinett.
Die Zeilen von Frida Golds "Liebe Ist Meine Rebellion" sind schon im Original pseudobuddhistischer Kalenderblatt-Kitsch fürs Kaffeekränzchen angeheiterter Eso-Tanten. Die bedeutungsschwangere Schwere des Kolacny-Arrangements scheitert überdeutlich beim Versuch, dem Stück eine Tiefe zu geben, die es gar nicht hat. Wenn der alte Sid' Gautama das hört, wird er es sich zweimal überlegen, ob es sich lohnt, 2015 noch mal zu reinkarnieren.
Geht es noch schlimmer? Klar! "Applaus, Applaus" der Überforderungsexperten Sportfreunde Stiller war schon auf "New York, Rio, Rosenheim" öde und gewinnt hier nicht im Ansatz. "Bei Meiner Seele" borgt sich hernach einen Topf Pathos vom Jammerbarden des neuen deutschen Pseudosoul. Dieser Song wird kein leichter sein! Und zur Krönung des aufgeblasenen Niveaulimbos fehlt noch was? Genau, eine Fußballhymne! Am besten gleich die doofste aller Zeiten in Form von Bouranis "Auf Uns".
Mit heiligem Ernst deklamieren Scala "Hier geht jeder für jeden durchs Feuer. Im Regen stehen wir niemals allein./ Ein Hoch auf das, was vor uns liegt / Dass es das Beste für uns gibt." Vielleicht hätten die Brüder und ihre Sängerinnen mal bei Laibach nachfragen sollen, wie man solche Texte gebührend interpretiert, ohne dass es unangenehm reaktionär wirkt. Wer diesen Song für eine tolle Partyhymne oder einen schicken Mutmach-Track hält, hat die ganze Scheibe wahrlich verdient. Allen anderen sei Reinhören vor dem Erwerb von "Unendlich" dringend ans Herz gelegt.
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