laut.de-Kritik

Sein leicht angeharschtes Organ adelt noch die letzte Schnulze.

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"Schreib' mal eine Seal-Kritik, ohne den Namen seiner Gattin fallen zu lassen." Mal ganz im Ernst: Das sollte kein Problem darstellen, schließlich erarbeitete sich der Sänger bereits vor seiner Eheschließung einen respektablen Ruf. Höllisch tanzbar war sein Output einst auch einmal, bevor er in "Kiss From A Rose"-Schmusegefilde abglitt - man denke nur an die Kooperation mit Adamski, wahrhaftig ein "Killer"-Track.

Seals gesangliche Fertigkeiten stehen ohnehin weitgehend außer Frage. Druck- und gefühlvoll zugleich lässt sich seine Stimme in keines der gängigen R'n'B-Klischees pressen. Sein leicht angeharschtes Organ verleiht auch der letzten Schnulze eine unverwechselbare Note. So ertrage ich notfalls auch die eine oder andere Jaul-Nummer. Doch die, stelle ich mit Vergnügen fest, sind auf dem mittlerweile fünften Studioalbum des Sängers gar nicht vertreten.

Bei der viel strapazierten "Rückkehr zu den Ursprüngen", von der der zugehörige Pressetext schwärmt, handelt es sich ausnahmsweise nicht um eine hohle Phrase. Gleich der Eröffnungstrack spottet seinem sperrigen Titel: "If It's In My Mind It's On My Face" kommt mit wummerndem Beat geradezu Lenny Kravitz-mäßig rockend daher und verpasst dem doch sehr speziellen Gesang eine absolut clubtaugliche Montur.

Den Anforderungen der Tanzfläche wird auf ganzer Länge Rechnung getragen: Schnurgerade Beats, discotypische Handclaps und synthetische Soundflächen verbinden sich zu geschickt auf Funktionalität produzierten Dance-Tracks. Es verwundert nicht weiter, dass hier mit Stuart Price der Mann zugange ist, der bereits Madonnas "Confessions On A Dance Floor" produktionstechnisch Beine machte.

Seine digitalen Rhythmen konstruieren zwar (beispielswiese in "Loaded") kunstvoll gewirkte Spannungsbögen, geraten aber dennoch zuweilen arg absehbar. Speziell dann, wenn das hunderste Gewitter (sinnigerweise in "Just Like Before"), das tausendste Meeresrauschen ("The Right Life") und das millionste Plastikstreicherarrangement ausgepackt werden.

Interessant wird es in Seals "System" immer dann, wenn der Sound Ecken und Kanten entwickelt und dadurch gleichzeitig greifbarer und schwerer zu klassifizieren scheint. Die Akustikgitarre, die sich in "Rolling" bereits mühelos neben dem Beat behauptet, muss sich im weit schräger angelegten "Immaculate" erst ihren Weg bahnen: lange nicht so eingängig, dafür um Welten interessanter als ein aalglattes "Amazing".

Das Duett "Wedding Day" lässt zwar Schlimmstes befürchten, gerät jedoch nicht ansatzweise so schmalztriefend wie befürchtet. Im Gegenteil: Anfangs erinnert der schlanke Aufbau sogar etwas an Princes unkaputtbaren Hit "Kiss". Inhaltlich wie musikalisch bringt diese Nummer allen außer den beiden Betroffenen jedoch herzlich wenig.

Immerhin wissen wir jetzt, warum Topmodels in der Regel Kleider vorführen statt zu singen: In gleicher Weise, wie Seal einzigartig klingt, wenn er sich nicht gerade, wie hier, in Schmachtfetzen hüllt, wirkt seine Holde austauschbar. Mehr als ein "Ganz nett" ringt sie mir damit nicht ab. Übrigens: Sie heißt Heidi Klum, und ich habe verloren.

Trackliste

  1. 1. If It's In My Mind, It's On My Face
  2. 2. Amazing (Thin White Duke Edit)
  3. 3. Just Like Before
  4. 4. Loaded
  5. 5. Wedding Day
  6. 6. System
  7. 7. Dumb
  8. 8. The Right Life
  9. 9. Rolling
  10. 10. Immaculate
  11. 11. Amazing

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