laut.de-Kritik

Eine starke Frau mit beeindruckender Persönlichkeit.

Review von

"Bin wieder da, dem Feuer entflohen", informiert Senait, und ich stelle fest: Ich habe Hemmungen. Darf man über der Arbeit einer Künstlerin, die ein schwereres Schicksal hinter sich hat, als sich die meisten Menschen hierzulande auch nur ansatzweise vorzustellen vermögen, Kritik ausgießen? Darf man bemängeln, dass von Senaits afrikanischem Erbe in der Musik nichts zu spüren ist, sich das Ergebnis eher nach einer Eric-Clapton-Unplugged-Produktion denn nach dem Werk einer Tochter des Schwarzen Kontinents anhört? Ist es nicht viel mehr nachvollziehbar, eine Vergangenheit als Kindersoldatin in einer Rebellenarmee im afrikanischen Bürgerkrieg ruhen zu lassen und anstelle der durchlebten Schrecken lieber banales Beziehungsgeplänkel zum Thema zu machen?

Irgendwie schon, allerdings bezahlt Senait diese Entscheidung mit einem hohen Preis: "Mein Weg" wirkt über weite Strecken musikalisch beliebig und präsentiert sich inhaltlich belanglos bis zur Schmerzgrenze. Gleich die Eröffnungsnummer "Das Schicksal", dominiert von Senaits klarer Gesangsstimme und Maic Burckhardt an der E-Gitarre, wirft mit Binsenweisheiten um sich, dass man schützend die Hände über die Ohren legen möchte. "Das Schicksal vergisst niemanden von uns / Was du daraus machst, liegt in deinen Händen / Das Glück steht nicht vor deiner Tür / Du musst es suchen gehen", belehrt Senait die Welt. "Man muss weinen, um lachen zu können / Man muss Fehler machen, um daraus zu lernen." Schwer vorstellbar, auf diese Weise andere Reaktionen als ein gelangweiltes "Ach, was du nicht sagst, Mädchen" zu ernten.

Senaits Stimme bildet durchgehend das beherrschende Element. Häufig von akustischer Gitarre, gelegentlich auch von gedämpften Trompetenklängen ("Hey Du") oder einem klagenden Saxophon ("Schrei") begleitet, steht stets der Gesang und damit bedauerlicherweise auch der Text im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sorry, aber schwülstige Liebesphantasien vom blauäugigen, namenlosen Traumprinzen, die in "Mit Dir" in entsetzlichen Floskeln der Sorte "Mit dir weiß ich, was Liebe heißt / Der Sinn meines Daseins bist nur du" gipfeln, lösen bei mir grundsätzlich eher Brechreiz als romantische Gefühle aus.

"Das Spiel" erinnert (zumindest im Refrain) ein wenig an Love Unlimited, nach erhobenem Zeigefinger tönende Zeilen ("Krieg dein Leben in den Griff / Werde ein besserer Mensch") verderben allerdings auch hier die Freude am - zumindest stellenweise - souligen Fundament des Songs. Nach dem trotzigen "Ich Bin OK" reiht sich eine melancholische Nummer an die andere. Inhalte werden ausschließlich über die Texte vermittelt. Es gelingt Senait kaum, Stimmungen über die allzu austauschbare musikalische Ausführung zu transportieren. Die Stimmung in "Hey Du" und "Schrei" wirkt vollkommen identisch, obwohl sie Stationen einer Beziehung besingt, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Es sind allerdings tatsächlich in erster Linie die Texte, die den Gesamteindruck stören. Senait Mehari wirkt bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie ihre Muttersprache wählt, um Welten besser. Möglich, dass es sich bei "Libey" ebenfalls um schmachtende Liebeslyrik handelt. Vielleicht gibt "Kap Geza Hadime" inhaltlich auch nicht viel her - da ich es nicht verstehe, vermag ich mich hier an der ruhigen, trotzdem energiegeladenen Stimme, die über dem atmosphärischen Instrumental zu schweben scheint, tatsächlich zu erfreuen, wenngleich sich auch an dieser Stelle die Produktion als sehr auf den europäischen Geschmack zugeschnitten zeigt. Afrikanische Klänge sucht man bei Senait leider vergebens.

"Doch ich habe meinen Weg gewählt / Und am Ende wartet mein Sieg." Der sei einer starken Frau mit wahrhaft beeindruckender Persönlichkeit und Ausstrahlung von Herzen gegönnt.

Trackliste

  1. 1. Das Schicksal
  2. 2. Hey Du
  3. 3. Mit Dir
  4. 4. Kap Geza Hadime
  5. 5. Ich Bin OK
  6. 6. Das Spiel
  7. 7. Weck Mich Auf
  8. 8. Was Passiert
  9. 9. Schrei
  10. 10. Wenn Die Nacht
  11. 11. Libey
  12. 12. Verzeih Mir
  13. 13. Das Wahre Leben

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