laut.de-Kritik
Kluger Rap kann so stylisch sein.
Review von Thomas HaasEs liegt in der Natur der Sache, dass Promotionstexte zur Übertreibung neigen. Auch bei Serious Kleins Debüt schrecken die zuständigen Agenturen nicht vor überbordenden Lobhudeleien zurück und ernennen "You Should've Known" kurzerhand zum "ambitioniertesten internationalen Debüt, das ein Rapper aus Deutschland je veröffentlicht hat". Rumms. Dazu könne die Platte "locker in der Weltklasse mitspielen". Derartige Behauptungen muten zwar etwas überheblich an, im Kern liegen die PR-Leute allerdings nicht falsch. Zumindest im vorliegenden Fall.
Die Spurensuche beginnt in Bochum, der grauen Ruhrpott-Stadt, die bis dato nicht zwingend als Brutstätte englischsprachiger Rapmusik in Erscheinung trat. Dort tüftelt ein gewisser Serious Klein, dessen Wurzeln gleichermaßen in Deutschland wie Ghana liegen, seit Jahren am Auftakt einer womöglich fulminanten Karriere. Seine ersten öffentlich wahrgenommenen Gehversuche macht er bei der Berliner Talentscouting-Instanz Jakarta Records. Dort deutet er mit nur wenigen Songs sein riesiges Potential an und erlaubte sich bis heute genau genommen keinen einzigen geschmacklichen Fehltritt. Das liegt nicht zuletzt am Aachener Produzenten Rascal, der unweigerlich mit dem Namen Serious Klein verbandelt ist und auch bereits eine Grammy-Auszeichnung sein Eigen nennt. Das "Duo" pflegt seit der ersten Stunde eine soundästhetische Vision, die schon früh an den Sound von Top Dawg Entertainment erinnerte.
Serious' Debütplatte trägt ihren Titel "You Should've Known" also schon zu recht - spätestens dann, wenn man dieses Album in ein paar Jahren in der Retrospektive betrachten wird. Es bedarf keiner sonderlich ausgeprägten Vorstellungskraft um sich auszumalen, dass Serious Klein bald auch über die hiesigen Landesgrenzen hinaus ein Begriff sein wird. Denn das Debütalbum des Mittzwanzigers überzeugt auf fast allen Ebenen - Vergleiche mit den ganz großen Vorbildern aus Übersee sind nicht sonderlich verwegen.
Bevor das Album jedoch auf konzeptueller Ebene greift, will Serious es allen zeigen. So fühlen sich zumindest weite Teile der ersten Albumhälfte an. Tracks wie "91 Flex" oder "Boy Boy" fallen unter die Songkategorie, die der geneigte Raphörer als Representer bezeichnet. Wenig bis keine Kompromisse, eine ausgezeichnete weil dynamische und präzise Raptechnik und druckvolle Instrumentale von Rascal lassen früh erkennen, dass Serious sein Handwerk ausgesprochen gut beherrscht. Diese harte Gangart funktioniert auch in anderen Kontexten: "Voodoo Money", der mittlere Teil der "Money"-Song-Trilogie, beschäftigt sich mit der blinden Obession des schnellen Geldes: "Stack my money sky high, never slow / It's only dollar bills in my rodeo". In der allerhöchsten Liga spielt dabei nicht zuletzt Rascals Samplekunst: Er verarbeitet eine Line aus Rich Boys "Throw Some D's" derart geschickt zur Hookline, dass eine gänzlich neue Energie entsteht.
Die große Stärke von "You Should've Known" liegt allerdings in seiner Consciousness. Als Hörer spürt man schnell, dass der junge MC das Herz am rechten Fleck trägt - nicht weniger als die Aufforderung zur Selbstliebe ist eine seiner wichtigsten Botschaften. An unzähligen Stellen der Platte wird das deutlich - am eindrücklichsten vielleicht in "Junior" und "Thought I Let You Know", die beide als Hommage seinen verstorbenen Vater gerichtet sind. Für die ganz großen Gefühle in letzterem Song ist Jerome Thomas zuständig, der eine Hookline säuselt, die nicht nur stimmlich Erinnerungen an D'Angelo weckt.
Im bärenstarken "Black On Black" thematisiert Klein die Rolle als Sohn von Geflüchteten in Deutschland und macht bildgewaltig deutlich, welche gesellschaftlichen Vorbehalte nach wie vor präsent sind: "Thought we made it of the boat / But a n*gga still a n*gga, still irrelevant / In the land where I am from / We never dare to think about a black president". Zur inhaltlichen Schwere findet Rascal auf Produzentenseite den genau richtigen, zunächst zurückhaltenden Gegenpol. Nur damit sich wenig später, in den entscheidenden Passagen des Songs, schauderhafte Bassläufe tief ins Mark graben und das Gewicht der Aussagen unterstreichen. Nichtsdestotrotz endet der Song mit einem positiven Aufruf: "May your speakers bump it loud / Black on black / My fist be raised / My voice be raised / I am proud/ Black on black / I matter". Word.
"You Should've Known" besitzt eine ganze Palette dieser emotional aufgeladenen Momente: "Fly Love" als rührende Liebeserklärung, "Needs And Wants" als Quasi-Outro mit dem immerguten JuJu Rogers - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Besonders beeindruckt, wie komplett Klein dabei als MC agiert. Neben einem besonderen Gespür fürs Beatpicking tragen dazu seine extrem wandlungsfähigen Flows bei. So bringt er schlussendlich zwei Komponenten zueinander, die sich in den Augen vieler widersprechen: musikalischer Style und inhaltliche Komplexität. Dadurch gerät die Platte nicht nur zum Versprechen für die Zukunft, sondern löst dieses kurzerhand ein. Zur eingangs bemühten Weltklasse ist der Weg tatsächlich nicht weit - die größere Frage dürfte sein, wann Serious Klein endlich die verdiente Aufmerksamkeit zuteil wird.
1 Kommentar
Hätte ich mit schon viel eher anhören sollen, damn.