laut.de-Kritik
Progressive Metal mit ausgefeilten Details.
Review von Yan VogelRituale und Religionen, Macht und Ohnmacht durchziehen das dritte Album "Lykaia" der schwedischen Progger Soen als übergeordnete Themen. Dafür steht auch der Wolf, dessen Antlitz auf dem Cover prangt und der zentraler Bestandteil des archaischen Festes Lykaia im antiken Griechenland war. Bei diesem Initiationsritus verwandelten sich junge Männer der Überlieferung nach in Werwölfe und verfielen dem Kannibalismus. Ein schönes Sinnbild für die häufig sinnlose Unterscheidung in Mensch und Tier, da instinkthaftes Verhalten in vielen Situationen den Verstand übertölpelt, wofür der Rückgriff auf Gewalt und das Anflehen höherer Mächte in extremen Situationen stehen.
Der Bandname Soen ist eine Wortneuschöpfung, die für eine assoziationsfreie Beschäftigung mit der Musik stehen soll. Natürlich treten beim ersten Hören der Musik dennoch die Referenzen zu Tage. Der Beginn von "Orison" könnte Tool-typischer nicht sein. Viele harte Riffs könnten ob ihrer melodisch-vertrackten Struktur auch dem Handgelenk von Kollege Mikael Åkerfeldt (Opeth) entstammen. Der Geist von Pink Floyd steht unverkennbar Pate für die beiden elegischen Stücke auf dem Album "Lucidity" und "Paragon". Es sind die Details, die bei diesem Album den Unterschied machen.
Joel Ekelöfs Gesang operiert in der Schnittstelle von Frontmännern wie Akerfeld, Mariusz Duda (Riverside), Serj Tankian (System Of A Down) sowie Maynard James Keenan und hält jeden Vergleich mit diesen Größen stand. Das Schlagzeugspiel von Martin Lopez (ex-Opeth, ex-Amon Amarth) fällt äußerst songdienlich aus und besticht mit seiner dynamischen Darbietung und dem vielfältigen Einsatz von Percussions. Bassist Stefan Stenberg komplettiert das tolle Rhythmusgespann. Die Sounds von Organist von Lars Åhlund und das abwechslungsreiche Gitarrenspiel von Marcus Jidell erstrahlen aufgrund der analogen Aufnahme transparent, so dass jeder audiophile Musikhörer auf seine Kosten kommt.
In den Progressive Metal des Debüts pflegte das Quintett auf dem Zweitwerk "Tellurian" atmosphärische Neuerungen in ihr Soundbild ein, die nun noch stärker zum Tragen kommen. Insgesamt haben die Schweden ihre Stücke gestrafft und mit mehr Melodien versehen. Gleichzeitig hat die Band ihr Zusammenspiel intensiviert und legt mehr Wert auf Details, ohne unnötig Riff auf Riff folgen zu lassen.
Das Resultat sind eindringliche Songs mit harten und leisen Momenten und einigen Überraschungen wie dem orientalischen Abschluss in "Jinn". Trotz der Fokussierung auf Melodien bleiben gerade Stimmungen im Gedächtnis hängen, ohne genau die Steinchen im Mosaik benennen zu können. Dazu trägt auch die Verquickung des mythologischen Konzepts mit der Verarbeitung persönlicher Erfahrungen wie Verlust und Depression bei.
Ein ähnlicher Ansatz wie beim jüngsten Meisterwerk der Landsmänner von Pain Of Salvation, an dessen emotionale Wucht Soen nicht ganz heranreichen. In Punkto Eigenständigkeit und Originalität machen die Schweden dennoch einen großen Schritt nach vorn und treten aus dem Schatten der oben genannten Bands.
2 Kommentare mit 6 Antworten
für mich das musikalische äquivalent zu eingeschlafenen beinen - eher unangenehm im sitzen, aber geradezu höllisch wenn man aufsteht und rumläuft
versteh nich ganz wo da eine äquivalenz ist? meinst du dann übertragen unangenehm während dem anhören und nach dem anhören ist es plötzlich höllisch?
Gibt's eigentlich noch Gitarrenmusik, die nicht klingt wie aus dem letzten Jahrhundert?
Vll. so 'ne Mischung aus HC, Mars Volta und Future Hendrix? Oder BM mit verzerrten Sounds und Autotune... wir brauchen Space Metal, jetzt?!
Wäre nicht schlecht.
Hipster Blogger würden sich instant einscheissen.
https://www.youtube.com/watch?v=CDgbYF48UPw
Kann man nebenbei mal im Auto hören, aber mehr nicht.