laut.de-Kritik
Zwischen infantilem Missverständnis und komischer Bettgeschichte.
Review von Matthias Manthe20 Jahre sind Station 17 schon auf der Bildfläche. In den ausgehenden Achtzigern war in einer Hamburger Wohngruppe die Idee entstanden, geistig behinderte und nicht-behinderte Musiker in einem Projekt zu einen. In Folge dessen arbeitete ein stetig wechselnder Wohngruppen-Chor mit Produzenten wie Holger Czukay, FM Einheit, Thomas Fehlmann, DJ Koze und Cosmic DJ zusammen.
Passend zum Jubiläum sollte nun die Ursprungsidee wiederbelebt werden. Statt wie etwa beim Vorgängeralbum "Mikroprofessor" lediglich in Bezug auf Studiomusiker und Logic-Experten auf Nicht-Behinderte zurückzugreifen, inkorporieren die Songs von "Goldstein Variationen" diverse inländische Pop- und Rockgrößen.
An Instrumenten, Mikrofon und Computer tragen Acts wie Fettes Brot und The Robocop Kraus einerseits, Solo-Artists wie Barbara Morgenstern und Neu!s Michael Rother andererseits zum Gelingen der Stücke bei (die hier zumeist eben keine Tracks sind).
Ziel war offenbar sowohl eine Horizonterweiterung über den im weitesten Sinne Elektro-Krautrock der Vergangenheit hinaus sowie ein sinnlicherer Zugang zur Musik von Station 17. Allzu weit über dieses Bemühen kommt das 13-köpfige Kollektiv plus Gästeliste allerdings oft nicht hinaus. Umrahmt vom Brote-Poprap und Guildo Horn-Schlager bilden Krautrock-Skizzen erneut den Kern.
Dabei wirkt Rothers Instrumental-"Boogie Boogie Baka" zerfahren bis beliebig wie der Songtitel, während Schneider TMs ätherischer Psychedelia-Jam "Jede Nacht" vielleicht irgendwelche Shakren anspricht, aber keine gelungenen Popmomente schafft. Auch Knarf Rellöms Trinity, Ted Gaier & Melissa Logans Beitrag oder Kalabreses schlaffer Minimal-Tech setzen keine echte Duftmarken.
Wie gehabt legen Station 17 Lyrics über die Tonspuren, die zwischen infantilem Missverständnis gegenüber einer hochtechnisierten Umwelt und komischer Bettgeschichte ("Für Heut' Nacht", "Jede Nacht") changieren. Nach wie vor hat es jede Menge naiven Charme, wenn Felix Schnettler sich über den Abwasch beschwert oder Jessica Bastecks Fanbrief an Tokio Hotel-Bill mit Françoise Cactus von Stereo Total anstimmt.
Trotz all dieser Ähnlichkeiten zum bisherigen Output besaß "Mikroprofessor" jedoch die stimmigere Komposition, mehr Deepness. Zu oft verlieren die "Variationen" den roten Faden, verrennen sich in pseudo-surrealer Beliebigkeit und rudimentären Melodien. Vielleicht hätten sich alle beteiligten Musiker eben doch nicht auf einen einzigen Studiotag beschränken, sondern sich viel mehr die Zeit nehmen sollen, ihre Entwürfe dramaturgisch und insbesondere im Albumkontext zuende zu denken. Schade um den ungemindert innovativen Grundgedanken.
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