laut.de-Kritik

Sympathischer Angeber-Swag auf ADHS-Basis.

Review von

Verrückt. Da hat man Deutschrap zum x-ten Mal endgültig abgeschrieben, weil: alles nur noch Autotune, Audemars Piguet und [anderes dummes Argument hier einfügen], und dann kommt da so ein YouTuber mit dem absichtlich hässlich geschriebenen Alias TJ_beastboy und findet einfach so die richtige Ausfahrt. Wohlgemerkt bei 250 km/h und mit einem Nissan Micra namens "Hyperreal-Ravelord".

Ich gestehe, dass ich Dat Adam, das Kollektiv, dem TJ_beastboy einst angehörte, ignoriert habe, weil es per Social-Media-Hype-Hydraulik nach oben beförderten Nachwuchs-Rap ohne Skillz™ für einen stabilen, aufrechten Ehren-Realkeeper nun mal zu ignorieren gilt. Ebenso verhält es sich selbstverständlich für Daniel Tjarks' Solo-Umtriebe als "Taddl" auf YouTube.

Der mafiöse Algorithmus ebendieser Videoplattform spülte mir nun aber unlängst das Kombi-Video zu "1000x Cooler"/"W1nner" vors Visier. Und weil da dabei stand "prod. by Young Kira", der mir mit "Six Feet Thunder" schon mal gut gefiel: Klick.

Stellt sich heraus: Bester Klick des Lebens. Der "beasty boy" (frech!) präsentiert mit dieser EP eine maximal gut gelaunte Stuntshow stilsicher ausgeführten Zeitgeists gepaart mit todsicherer Eingängigkeit. Sei es der sympathische Angeber-Swag auf ADHS-Basis, der beachtlich variable Stimm- und Flow-Einsatz oder die wohldosierten Adlibs. Oder, mit den Worten des Cops auf dem Opener "(Party) Crasher": "Dass er rappen kann muss man ihm schon lassen."

Mystisch verschlüsselt, schwer vernebelt oder anderweitig tiefgründig kommt dabei nix daher. Hier und da mag man sich ein wenig an das großartige "Auf der Jagd nach dem Hak" von Hugo Nameless und Fruchtmax erinnert fühlen, an anderer Stelle meint man kurz, Cro zu hören, nur um auch diesen Gedanken im nächsten Beatwechsel schon wieder zu verlieren. Manchmal schrammt der Plot auch arg an der Grenze zur Albernheit vorbei, Blumentopf lassen grüßen. Aber hey. Dann hör' halt Dead Prez.

Die vier schwer elektronischen Spaßbomben, mit denen sich Young Kira zu mindestens 50 Prozent am Hit-Potenzial dieser EP beteiligt, operieren passend dazu allesamt bei 120 bpm aufwärts. New York dreht sich im Grabe um.

Oben drauf auf diesem Party-Brett aus Turbolader-Synthwave, Bubblegum-Trap und Four-to-the-floor-Metrik surft der skinny boy in XL-Klamotten mit buntem Haupthaar, führt dabei zünftig sein eigenes Vokabular ein, disst flugs den angeschossenen Kollegah und erzählt ansonsten eigentlich nur, wie geil er ist. Respektive das Gegenteil über dich. RAP halt.

Überhaupt, der Look: Wo bei anderen Künstlern gefühlt erst mal drei Alman-Hip Hop-Podiumsdiskussionen zum Thema "Gesichtstattoo – Chancen und Risiken" einberufen werden, kauft man unserem Protagonisten das grelle Gesamtpaket, die Trash-Attitüde und das komplett auf links gedrehte Männlichkeits-Ideal von Sekunde eins an ab.

Während auf der Tonspur noch weitgehend alles "m/f cute und m/f sexy" ist, findet die notwendige Prise Irritation und Kaputtheit dann spätestens auf der visuellen Ebene ihre Repräsentation, denn Blickkontakt zum Abgrund muss schon da sein. Wenn sich der Knabe dann schließlich im Vorbeilaufen auch noch auf zwischenmenschliche Werte beruft und aus Coolnessgründen die Bahn dem Benz vorzieht: Sympathiepunktekonto full.

Gerade mal zwölf Minuten, vier Songs, immer wieder unterbrochen vom wahrscheinlich geilsten Producer-Tag seit Kitschkrieg, dann ist die "Hyperreal-Ravelord"-EP auch schon wieder rum. Vielleicht ist aber gerade das, Stichwort Achterbahn, ein wesentlicher Bestandteil ihrer Herrlichkeit. Wow.

Trackliste

  1. 1. (Party) Crasher
  2. 2. 1000x Cooler
  3. 3. Bla Bla Bla
  4. 4. W1nner

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