laut.de-Kritik

Reflektionen eines Hypebeast-Spekulationsobjektes.

Review von

Es gibt ein Interview mit Apple Music, indem Teezo Touchdown und Zane Lowe wirken, als würden sie kollektiv auf Ecstacy trippen, so wie sie in Seligkeit schwimmen, Artists wie Tyler The Creator oder BNYX anrufen und sich darin suhlen, wie sehr Teezo das nächste große Ding sein wird. Es gab lange keinen Artist mehr im Hip Hop-Kosmos, dessen Erfolg so sehr auf der Aussage stützte, dass er dieser neue, große, ambitionierte Artíst (Akzent auf dem i, französisch betont, zwirbelnder Schnurrbart ist) sein wird. Nach groß angelegten Features auf Alben von Tyler und Travis Scott gilt es nun, diesen Vorschusslorbeeren gerecht zu werden. Und immerhin hält der Mann mit den Eisennägeln im Haar das Versprechen, ein adäquat weirdes Album zu machen. "How Do You Sleep At Night" ist ein musikalischer Schleuderwaschgang über das Leben als Hypebeats-Spekulationsobjekt. Aber was macht diese Weirdness eigentlich aus?

Erst einmal wirft er alles in den Ring, was seine breite musikalische Sozialisierung und der aktuelle Zeitgeist an Schnittmengen hergeben. Er selbst nannte das eine Kreuzung aus R'n'B und BoomBap, das ... wirkt aber nicht wie die adäquateste Beschreibung dessen, was hier passiert. Auf dem Opening "OK" kanalisiert er Weezer-Singalongs, zwischendurch bekommt man Plugg N B-Gesäusel, dazwischen regelrechte Roadtrip-Indie-Jams. Vom Rapper lässt er eigentlich nur die Präsentation und die Kanye-eske Auteur-Rolle übrig, gerappt wird hier kaum.

Generell: Eine der ersten Dinge, die auffallen, ist seine Flexibilität mit der Stimme. Man merkt, dass Young Thug oder Playboi Carti mit ihren komischen, ausufernden Stimm-Experimenten Spuren hinterlassen haben, viele Songs setzen auf mutige Vocal-Gimmicks, manche klingen überraschend solide, wieder andere wie die bizarren "Weeees" auf "UUHH" übersetzen sich nicht. Irgendwie ist es frustrierend, wie sehr er das Image von musikalischer Kreativität mit dem Brechhammer zu forcieren scheint (die Nägel müssen aber wohl auch für etwas da sein); gleichzeitig kommt man nicht drumherum zu respektieren, dass dieses Album sich wirklich alle Mühe gibt, die Hörer*innen zu unterhalten.

Wir können also als Zwischenstand bestätigen, dass wir hier ein irgendwie ambitioniertes, schwer festzunagelndes (ich bin so lustig) Album vor uns haben, das wie viele spannende Musik der Gegenwart Blutgrätsche auf Genregrenzen macht. Aber mir kommt es bei jedem Hördurchgang so vor, als hätten wir hier viele Finten und einen relativ hohlen Kern vor uns. All die Spielereien, all die Heldenverehrung und all die Vielseitigkeit machen, dass man sich nicht langweilt, aber um was geht es auf diesem Album eigentlich?

Der Titel hilft nicht viel weiter. "How Do You Sleep At Night" scheint sich als Kernfrage in den ersten Songs als Frustration auf eine Ex abzuzeichnen, diese Idee geht aber nirgendwohin, denn viele Songs scheinen relativ klar als Vorstellungen eines Artists angelegt. Songs wie "You Thought", "Impossible" oder "Daddy Mama Drama" bauen erst diese universellen Sentiments auf, simples Songwriting, fast auf eine komische Art und Weise Beatles-ig, vor allem, weil Teezo auch eine kindliche Naivität vorbringt.

Aber oft verbergen sich hinter diesen universellen "du denkst dies, du denkst das"-Lines dann doch wieder sehr spezifische Abhandlungen über Teezos sehr spezifische Situation. "Impossible" scheint da das beste Beispiel, nicht nur, weil der Song über die Möglichkeit des Künstlerlebens spricht: "Maybe you wanted to be an artist / But everybody always called you weird / Maybe you wanted to be a rockstar / But somebody told you, you was too old / Maybe it was all these things / Why your record never sold / Who wants to hear a sad song? / They never seem to top the charts" ist kristallklar: Ein seit zehn Jahren in der Musikindustrie sumpfender Dude zu sein, der für den kommerziellen Durchbruch für zu weird gehalten wurde, das ist sehr spezifisch.

Am Ende der Platte fängt er sich auf "Stranger" und sagt: "I'm strange to you, but you're not strange to me". Und damit könnte man vielleicht den Kern dieses Albums festlegen. Teezo ist so ein seltsamer Charakter, weil er sich als dieser anarchistische Grassroots-Weirdo hinstellen möchte, aber man merkt, dass er sehr viel Zeit in diesem Sumpf verbracht hat. Er hat sich quasi mit dem Nagelkopf aus der Seelenlosigkeit wiedergeboren und predigt nun kindliche musikalische Naivität.

Zu sagen, "How Do You Sleep At Night?" wäre als Album nicht spannend, wäre gelogen. Aber es fühlt sich auch nicht ganz richtig an zu sagen, es würde perfekt funktionieren. Es ist die Installation eines Charakters von einem ebenso talentierten wie taktierenden Artist, der die Nische an Weirdness sucht, um gerade weird genug zu sein. Und die Fallhöhe kommt dadurch zu Stande, dass er offensichtlich nun alle seine zehn Jahre an Cosigns dafür aufbraucht, dass dieser Eindruck stehen bleibt. Hat er es geschafft? Frustrierenderweise: Ein bisschen. Es sind starke Songs auf diesem Album, aber ausgerechnet die Genre-Spannweite hindert ihn vielleicht insgesamt daran, einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Man geht mit einem gewissen Gefühl, wer Teezo Touchdown ist, aber so richtig trifft es den Nagel noch nicht auf den Kopf.

Trackliste

  1. 1. OK
  2. 2. You Thought (feat. Janelle Monae)
  3. 3. UUHH
  4. 4. Sweet (feat. Foushee)
  5. 5. Impossible
  6. 6. Neighborhood
  7. 7. Mood Swings
  8. 8. Too Easy (feat. Isaiah Rusk)
  9. 9. Familiarity
  10. 10. I Don't Think U C Me (feat. Isaiah Rusk)
  11. 11. Daddy Mama Drama
  12. 12. Nu Nay
  13. 13. Stranger
  14. 14. The Original Was Better

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Teezo Touchdown

Es ist ungewöhnlich, ein Portrait für einen Artist, dessen Durchbruch in den Zweitausend-Zwanzigern passiert, irgendwo um 2010 zu beginnen. Aber genau …

Noch keine Kommentare