laut.de-Kritik
Wo bleibt der Mut zum Experiment?
Review von Martina KellnerMehr als zwanzig Jahre Bandgeschichte haben Tim Burgess und seine Mannen mittlerweile auf dem Buckel. Einige Fehltritte und so manchen Schicksalsschlag galt es in dieser Zeit zu überstehen. Mit "Who We Touch" legen sie bereits ihren elften Longplayer vor. Der klingt oft wohlig, hier und da aber auch nachdenklich.
Die Gefühle geraten ins Wanken: "Eine emotionale Reise" umschreibt Frontmann Burgess das Album. Als selbsternanntes Ziel wollte man diesmal den "Sound des europäischen Winters" nachempfinden. Eine musikalische Kehrtwende zeichnet sich dabei jedoch nicht ab.
Die Brit-Rocker wissen, was sie wollen: Fachmännisch arrangierte Songs, wohldurchdachte Melodien, hymnischer Gesang. Der Opener sträubt sich da noch etwas, zeigt sich auffällig krachig, anfängliche Joy Division-Reminiszenzen inklusive. Entgegen der Lyrics geht es in "Love Is Ending" außerdem recht vital zur Sache. In "My Foolish Pride" ist der typisch helle Gesang von Burgess in lieblichste Gitarren verpackt: harmoniesüchtig wie sonst die The Magic Numbers.
"Your Pure Soul" ist ein echter Ohrwurm, "Sincerity" fährt mit gewagten Shoutings auf. Das gefällt! Insgesamt bleiben die Briten aber der bekannten Linie treu. Experimentierfreude spürt man den Herren abgesehen vom Eröffnungsstück nur beim Bonustrack an. Ein wenig befremdlich wirkt die Spoken-Word-Kollaboration mit Penny Rimbaud (ehemals Drummer der britischen Punk-Band Crass), weil man hier stimmlich ganz auf Rimbaud setzt, der in punkto Grusel, Grauen, Gänsehaut schwer zu toppen ist. "Trust In Desire" irritiert, weil es an Snow Patrol und One Republic zugleich erinnert.
Das wunderbar britpoppige "Oh!" und das bedächtige "You Can Swim" stimmen dann wieder mehr als gnädig. The Charlatans haben mit "Who We Touch" eine Platte für die treuen Fans gemacht.
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