laut.de-Kritik

Alle Stärken der Band kraftvoll und vielfältig gebündelt.

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Nach der Tour zu "Dissociation" soll für die Mathcore-Spezialisten von The Dillinger Escape Plan Schluss sein. In einem Interview für The Independent verkündete Gitarrist und letztes verbleibendes Gründungsmitglied Ben Weinman jüngst die Auflösung des Fünfers, stellte jedoch Material für ein weiteres Album in Aussicht. Mit der US-Hardrock-Supergroup Giraffe Tongue Orchestra schlug er zuvor ein neues Kapitel auf. "Dissociation" bündelt daher die Stärken der Band aus New Jersey auf knapp 50 Minuten.

Der Opener "Limerent Death" beginnt mit schrägen Taktwechseln und eingestreuten Moshparts energetisch und wuchtig. Sänger Greg Puciato spuckt Gift und Galle. Cleane Gesangsparts dominieren dagegen "Symptom Of Terminal Illness". Die melodiöse Hook im Faith-No-More-Stil setzt sich mit Leichtigkeit im Kopf fest. Auf "Irony Is A Dead Scene" arbeitete die Band schon 2002 mit dem musikalischen Tausendsassa Mike Patton zusammen. Stimmlich kommt Puciato dem Vorbild an vielen Stellen erstaunlich nahe.

In "Wanting Not So Much To As To" herrscht mit jazzigen Gitarrentupfern anschließend wieder Chaos. Trotzdem hält der Track ein paar Alternative-Rock-Riffs im At-The-Drive-In-Stil parat. Monotonie und Langeweile kann man The Dillinger Escape Plan nicht vorwerfen. Breakcore-Beats in bester Aphex-Twin- und Squarepusher-Manier schleudert "Fugue" dem Hörer entgegen. Für genug Irritation sorgt der Fünfer aus New Jersey immer noch.

Zu "Low Feels Blvd" lässt es sich dann wieder ausgezeichnet moshen. Als Kontrast lockert ein sommerlicher Gitarrenpart das Geschehen auf. Den letzten Anflug ausgelassener Lebensfreude fegt "Surrogate" danach punkig und rotzig hinweg. Trotz melodischer Feinheiten geht der Song gnadenlos nach vorne. Das ändert sich auch mit "Honeysuckle" nicht. Bei aller Brachialität lässt zwischenzeitlich ein schräges Gitarrenriff an die leichtfüßigen Momente von John Zorns Jazzcore-Gruppe Naked City denken.

Leider können The Dillinger Escape Plan das Niveau nicht auf voller Distanz halten. Den beiden folgenden Tracks mangelt es an einprägsamen und genialen Parts. Aufgrund musikalischer Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit besitzen sie nur wenig Spannung. Die Band findet zum Ende hin aber wieder in die richtige Spur. Zwischen Aggression und Sensibilität pendelt das folgende "Nothing To Forget" hin und her.

Der Titeltrack rundet das Album eindringlich und hervorragend ab. Melancholische Streicher bauen zunächst Spannung auf, bis abstrakte elektronische Spielereien à la 65daysofstatic einsetzen. Die Streicher schwillen in der Mitte ähnlich wie bei Radiohead auf und ab, Greg Puciato trägt mit seinem emotionalen Gesang die Ballade in ferne Galaxien. Den wenigen schwachen Songs auf der Platte hätte man so viel Experimentierfreude gerne gewünscht.

The Dillinger Escape Plan erfinden das Rad nicht neu, brillieren dennoch auf qualitativ hohem Level. Mit dem Ende dieser Mathcore-Institution geht der Metal- und Hardcore-Szene viel Kreativität und Wahnwitz verloren. Die Band hat schon klügere und ausgefeiltere Alben als "Dissociation" geschrieben. An Intensität und Kraft hat der Fünfer aus New Jersey über die Jahre aber kaum eingebüßt. Obwohl sich die Songs erst nach mehreren Hördurchgängen erschließen, gibt es auf der Platte dafür um so mehr gelungene Details zu entdecken.

Trackliste

  1. 1. Limerent Death
  2. 2. Symptom Of Terminal Illness
  3. 3. Wanting Not So Much To As To
  4. 4. Fugue
  5. 5. Low Feels Blvd
  6. 6. Surrogate
  7. 7. Honeysuckle
  8. 8. Manufacturing Discontent
  9. 9. Apologies Not Included
  10. 10. Nothing To Forget
  11. 11. Dissociation

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4 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    ich bin zu dumm und zu stumpf für mathcore. ohne dieses gefrickel könnten every time i die oder dillinger escape plan, converge, shai hulud und co so geile bands sein. es fängt immer geil an und gibt echt viele coole parts... aber dann dieses gefrickel.... das packe ich nervlich nicht

  • Vor 7 Jahren

    Unkonventionell, kompromisslos und unvergleichlich...wie viele Bands gibt es wohl von solch Kaliber. Ähnlich wie z.B. die kongenialen Kollegen Blood Brothers, the Chariot ect. gibt es in dieser Liga leider recht absehbar ein Art von Energieimplusion durch Leistungsdruck. Nebenbei ist es auch recht undankbar solch Nischenmusik auf diesem Niveau zu betreiben. Vom der Produktion bis zum Livebetrieb ist man wahrlich immer mit 1000% dabei und kann doch kaum davon Leben. Logischer Schritt könnte sowas wie Heaven Shall Burn oder Parkway Drive sein aber der Spagat wäre zu groß und die Kompromisse zerstören die Freiheit. Jetz also entscheiden sich auch DEP für Feierabend und geben nochmal richtig Gas zum Abschied. Definitiv nicht mehr so eingängig wie der Vorgänger aber weiterhin erkennbar in allen Musikrichtungen wildernt. Nebenbei geht hier nichts...wer einfach so mal durchzappen möchte geht gnadelos unter. Lässt man aber den Hammer auf Distanz schwingen perlen die Vorbilder der Jungs von DEP aus allen Facetten des Wahnsinns im logischen Detail. Oberfläch ist es Krach aber mit dem richtigen Fokus eine der liebevollsten Hommage an die Kunst des Mu­si­zie­ren im klassischen Sinne. Wers nicht begreift hat meinen vollsten Respekt. Dissociation bekommt volle 5/5 Punkte

  • Vor 7 Jahren

    Nein es hat zuviel negative Einflüsse auf den Toni.....ihr habt ihn nicht so wie ich erlebt und wollt es auch nicht wissen!

    Ganz ehrlich, das was ich mir anhörte von der Scheibe, war nix für 50 Jahre, ich werde halt alt. ;) Halb gehörte 3/5.