laut.de-Kritik
Wie aus abgehalfterten Country-Stars Legenden wurden.
Review von Giuliano Benassi"Willie's the outlaw coyote. Waylon's the riverboat gambler. I'm the revolutionary communist radical and John's the father of our country", beschrieb Kris Kristofferson das Projekt The Highwaymen, das er mit seinen Kumpels Willie Nelson, Waylon Jennings und Johnny Cash Mitte der 1980er Jahre auf die Beine stellte.
Befreundet waren sie schon lange, doch ihr Stern war zu diesem Zeitpunkt tief gesunken. Wie auch der des Genres, das sie repräsentierten. 1985 erklärte die New York Times Country gar für tot. Synthies waren in, Akustikgitarren out.
Das gemeinsame Album "The Highwaymen" erreichte 1985 zwar die Spitzenposition der Country-Charts, genreübergreifend bedeutete das aber einen ernüchternden 92. Platz. Wenig besser erging es ihrer zweiten Studiomühe "The Highwaymen 2", das 1990 erschien.
Immerhin reichte es diesmal für eine Tour. Dass der Mitschnitts ihres Auftritts am 14. März 1990 in New York erst 26 Jahre später erscheint, zeugt ebenso vom damaligen Mangel an Interesse wie der Veranstaltungsort, das wenig spektakuläre Nassau Coliseum im noch weniger spektakulären Vorort Uniondale auf Long Island.
Dabei wurden die vier Wegelagerer, die sich zu diesem Zeitpunkt noch schlicht "Nelson, Jennings, Cash, Kristofferson" nannten, von Musikern begleitet, die den Country über Jahrzehnte geprägt hatten. Unter ihnen Schlagzeuger Gene Chrisman, die Gitarristen J. R. Cobb und Reggie Young, Keyboarder Bobby Emmons und Robby Turner (Pedal Steel). Die Elemente für einen denkwürdigen Auftritt waren also alle vorhanden.
In der Tat ist der Mitschnitt des fast dreistündigen Aufritts eine lohnenswerte Investition. Die Qualität von Ton und Bild ist hervorragend. Erstaunlich, wie lebhaft Cash zu diesem Zeitpunkt noch klang, bevor er mit Rick Rubin ab 1994 Grabesstimmung verbreitete (und dadurch ironischerweise auferstand). Erstaunlich auch, dass sich Nelsons Organ über den Zeitraum von bald 60 Jahren so wenig verändert hat. Kristofferson war und ist ein besserer Songschreiber als Sänger und Jennings liefert Authentizität in Form von Kaputtsein.
Neben den pflichtgemäßen Auszügen der beiden Alben, die ohnehin fast nur Coverversionen beinhalteten, stellt sich die Tracklist im Wesentlichen aus Stücken der vier einzelnen Künstler zusammen. Zwar klappt das gemeinsame Singen nicht immer perfekt, wie etwa in Cashs Gassenhauer "Ring Of Fire", doch bleiben genügend gelungene Momente, darunter Jennings' Klassiker "Mammas Don't Let Your Babies Grow Up To Be Cowboys", Steve Goodmans "City Of New Orleans" und die Ballade "Always On My Mind". Bei "Sunday Morning Coming Down" kommen zwischendrin Autor (Kristofferson) und bekanntester Interpret (Cash) zusammen.
Unnötig verhunzt fallen Kristoffersons "Help Me Make It Through The Night" und "Me And Bobby McGee" aus. Wollten sie da versuchen, Garth Brooks Konkurrenz zu machen? Mehr Pop als Country zeichnet auch die damalige Single "Silver Stallion" aus. Doch spätestens mit dem schunkelnden und mit obligatorischen Boom-Chika-Boom-Rhythmus versehenen "I Still Miss Someone" ist die Welt wieder in Ordnung.
Zum Schluss darf Johnny Cash Shel Silversteins "A Boy Named Sue" alleine vortragen, bevor das Quartett Jennings' "Why Me" und "Luckenbach, Texas" sowie Nelsons Evergreen "On The Road Again" anstimmt. Neben dem Mitschnitt aus New York, der auf die ersten zwei CDs verteilt ist und auch auf DVD gut rüberkommt, bietet die Sammlung Stücke von zwei Auftritten bei Farm Aid 1992 und 1993. Eine jährlich stattfindende Benefizveranstaltung, zu denen maßgeblichen Initiatoren Willie Nelson zählt.
"Shipwrecked In The Eighties" fasst die Situation der Interpreten ziemlich gut zusammen. Als Schmankerl gibt es eine Studioversion von Bob Dylans "One Too Many Mornings", die Jennings und Cash 1986 für ein gemeinsames Album aufnahmen und bei der Nelson und Kristofferson nachträglich ihre Stimmen hinzugefügt haben.
Das üppige Set zeigt schön, wie aus abgehalfterten Gestalten posthum Legenden wurden. Das hatten sie in ihrem einzigen gemeinsamen Hit "Highwayman" bereits 1985 prophezeit: "And when I reach the other side / I'll find a place to rest my spirit if I can / Perhaps I may become a highwayman again / Or I may simply be a single drop of rain / But I will remain / And I'll be back again, and again and again and again and again."
1 Kommentar
5 Sterne! Alles andere wäre nicht gerechtfertigt in meinen Augen. Legenden unter sich, kann nur gute Musik rauskommen. Gott sei Dank wird Cashs Erbe nicht verramscht wie bei Elvis the Pelvis^^.