laut.de-Kritik
Unverbrauchter Indie-/Britpop? Das war einmal.
Review von Toni HennigThe Rifles stiegen vor zehn Jahren zum Next Big Thing in UK auf und überzeugten vor allem auf "Great Escape" (2009) mit unverbrauchtem Britpop und Indierock. Dieser zitierte sich nicht nur durch die Jahrzehnte, sondern sprühte nur so vor Jugendlichkeit und Leichtigkeit. Auch die Songs auf "Big Life" kommen aus dem Bauch heraus. In den Black Barn Studios ihres Mentors Paul Weller arbeitete man mit Produzent Charles Rees ohne Zeitdruck an dem Doppelalbum. Trotzdem könnten The Rifles langsam ein paar frische Ideen vertragen.
Der Opener "Groundhog Day" enthält knackige Indieriffs, präzises Schlagzeugspiel, einen vor sich hin brummenden Bass, sowie einen Refrain zum Mitsingen - alles, was man von The Rifles kennt. Leider ändert sich dieses Rezept kaum. In "Radio Nowhere" vernimmt man eine wehmütige Johnny Marr-Gedächtnisgitarre und in der Single "Numero Uno" leichte Ska-Rhythmen. Klingt nett, aber nicht sonderlich originell.
So zitiert man sich im weiteren Verlauf durch den Indierock der 80er, 90er und 00er Jahre. Leider zeigt die Band zu wenig Mut für frische Ideen, die das Songwriting in eine überraschendere Richtung lenken könnten. Die erste CD bietet den typischen Rifles-Sound, nur eben sechs bis sieben Jahre zu spät.
In "Victoria" klingt der Refrain schon ziemlich austauschbar. Für eine Akustikversion am Ende reicht es trotzdem noch. Die Dreingabe erweist sich mit Streichern und einem leichten Anflug von Jazz an der gedämpften Trompete gelungener als der Ausgangssong.
"Jonny Was A Friend Of Mine" wartet dagegen mit schönen Beatles-Referenzen am Piano auf und beendet diese an zündenden Ideen mangelnde Durststrecke mit einem sehr schunkelbaren Pub-Song. Mit "Young For A Day" folgt eine 60s-inspirierte Akustik-Folk-Nummer mit Kindergesängen am Ende, in seiner Schlichtheit sehr wohltuend.
"Big Big Life" leitet die zweite CD ein, lässt mit Streichern schlimme Erinnerungen an Coldplay aufkommen und schwingt sich anschließend auf zu einer euphorischen Nummer samt 70s-Solo an der Gitarre zum Abgewöhnen. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen. Das anschließende "Motorway" versprüht nicht ganz zufällig einen spürbaren Manic Street Preachers-Vibe und stellt sich mit lässiger Coolness als ein Highlight auf "Big Life" heraus.
Die zweite Hälfte des Albums beginnt angenehm frisch, die Hooks erweisen sich dann aber wieder wenig griffig und eher austauschbar. Da braucht es in "Go Do What You Like" schon einen trinkseligen Ausflug am Barpiano. Die Rolling Stones-Referenzen bringen wieder Schwung in die Bude. Letztlich täuschen alle guten Momente und der lässige Motorradflair einiger Songs aber nicht darüber hinweg, dass man hier einiges hätte weglassen können, um die dauerhaften Ermüdungserscheinungen in Grenzen zu halten.
1 Kommentar
Beim ersten Durchhören war ich enttäuscht, irgendwie fehlte der Saft. Die Gewehrsalven aus Gitarrenstakkato und Drumgewitter, die auf den ersten beiden Alben den Sound prägten. Aber das Ding entwickelt sich, mittlerweile höre ich da mehr gute als fade Songs raus. "Victoria" ist tatsächlich zum vergessen. Ganz anders aber "Wall around your Heart" oder "Independence". Ein abwechslungsreiches Album, dem nur leider die ganz grosse Power-Nummer à la "Science in Violence" fehlt.