Porträt

laut.de-Biographie

Throbbing Gristle

Als sich Genesis P-Orridge, Cosey Fanny Tutti, Peter Christopherson (alle drei waren davor Mitglieder der Extremperformance-Gruppe Coum Transmissions) und Chris Carter 1975 zu Throbbing Gristle zusammenschlossen, erstarrte das Vereinigte Königreich gerade unter den Attacken wütender Punks. Punk hatte sich, so schien es zunächst, den eindeutigen Spitzenplatz in der Musik-Provokationsskala gesichert. Throbbing Gristle sahen darin eine Herausforderung, und übertrafen die Punkbewegung in Sachen Schock und Provokation bei weitem, so daß einer ihrer Auftritte sogar zu einer Eingabe im Parlament führte.

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Auf ihrem eigenen Label "Industrial Records", das später als Namenspatron einer ganzen Musikrichtung Geschichte schreiben sollte, veröffentlichten sie ab 1976 alle ihre Platten, da sich die Majorlabels geweigert hatten, derartige Extremgeräuschkulissen auf Vinyl zu pressen. Songstrukturen im traditionellen Sinne sucht man auf Alben wie "20 Jazz Funk Greats" von 1979 meist vergebens. Geräusche werden zu Klangcollagen weiterverarbeitet, die zumeist eine Herausforderung an die Toleranz der Zuhörer darstellen. Es ist ein Verdienst von Throbbing Gristle alle traditionellen Hörgewohnheiten nachhaltig in Frage gestellt zu haben, was Jahre später Bands wie den Nine Inch Nails zu Gute kam.

Nach ihrem Zwischenspiel als Throbbing Gristle, die sich nach ihrem letzten Konzert am 29.5.1981 in San Francisco auflösten, erschienen Cosey Fanny Tutti und Chris Carter fortan als Chris&Cosey mit melodischem Synthiepop in den Charts und Genesis P-Orridge und Peter Christopherson gründeten das Multimedia-Projekt Psychic TV, bevor Peter Christiopherson dann 1983 Psychic TV wieder verließ, um mit John Balance die Experimental-Band Coil ins Leben zu rufen.

In der Retrospektive wurden Throbbing Gristle zu einer der wichtigsten, weil unkonventionellsten Band der 70er Jahre erklärt und werden auch heute noch von nicht wenigen Musikerkollegen als prägender Einfluss hervorgehoben. Ein Tag vor Weihnachten 2002 erscheint mit "24 Hours" erstmals auf CD eine Wiederveröffentlichung der legendären Box. Mute Records feiert damit das 25-jährige Jubiläum von Industrial Records und gibt eine umfassende Einführung in die Band und die Industrial Music. Und die Veröffentlichungswut hält an: im Juni 2003 erscheint eine neue Throbbing Gristle-Compilation.

Als lange Zeit undenkbar galt dagegen eine Reunion der Kultband. Im Mai 2004 ist es so weit: Unter dem Motto "Many Happy Returns - A Celebration of Industrial Music in the 21st Century" treten im englischen Rye nahe Manchester Coil, Carter Tutti, Thee Majesty und auch die Helden von Throbbing Gristle noch einmal live auf. 2007 ist die Zeit der endgültigen Wiedervereinigung gekommen. Throbbing Gristle treten im Rahmen des Donaufestivals in Krems auf und veröffentlichen mit "Part Two - The Endless Not" ihr erstes Album seit mehr als 25 Jahren. 2010 stirbt Peter Christopherson im Alter von 55 Jahren.

Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Jackie Breyer nimmt P-Orridge über die Jahre immer zwingender das Thema Gender ins Visier. Sie kreieren das multigeschlechtliche Wesen Breyer-P-Orridge, in dem beide Persönlichkeiten verschmelzen: Zwei Körper, eine Seele. P-Orridge lässt sich Brustimplantate einsetzen, Breyer unterzieht sich Gesichtsoperationen. Musikalisch reaktiviert er mit PTV3 eine neue Version von Psychic TV, die in losen Abständen weltweit Konzerte gibt. Am 14. März 2020 stirbt P-Orridge in seiner Wahlheimat New York. Er kämpfte zwei Jahre lang mit Leukämie.

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