laut.de-Kritik
Gute Songarbeit in zu altbackenem Gewand.
Review von Artur SchulzDa ist er wieder. Mittlerweile 71 Jahre alt, aber mit einem geradezu unverschämt guten Aussehen beschenkt. Einem Udo Jürgens nimmt jeder Zeitgenosse Gerüchte um etwaige Amouren eher ab als so manch jüngerem Spund, der gerade mal die 50 überschritten hat. Und auch heute noch steht bei seinen stets ausverkauften Konzerten dieser Udo spezifische Mädchen-Prototyp dicht an der Bühne: Mit 17 Jahr und blondem Haar produziert er jene Frischzellen, die den österreichischen Sänger und Komponisten scheinbar für immer jung erscheinen lässt. Wenn das doch nur auch auf sein neues Album übertragbar wäre.
Nach einigen etwas durchschnittlich geratenen Veröffentlichungen zeigte beim 2002 erschienenen Werk "Es Lebe Das Laster" die Qualitäts-Tendenz wieder nach oben. Leider ist es bei "Jetzt Oder Nie" allzu oft nur bei der Tendenz geblieben. Das liegt nicht an Jürgens' Klasse als Sänger, auch nicht an der Anzahl gelungener Kompositionen oder den ordentlichen Texten, sondern an der zu altbackenen Arrangement-Präsentation.
Flott-swingend startet der Titeltrack und erfreut mit der Textzeile "Lass uns die Sonne fangen/dem Glück in die Bluse langen". "Bis ans Ende meiner Lieder" ist die erste Ballade, in der der Sänger seine ganz persönlichen Gedanken und Träume reflektiert. Dieses Feld bearbeitet er zusätzlich in "Mein Weg zu mir". Allerdings erreichen diese Songs nicht die Klasse von früheren Titeln zum Thema, wie etwa "Mr. Einsamkeit" oder "Traumtänzer". Rhythmisch mehr Fahrt nimmt Udo dann wieder mit "Frauen" auf. Hier singt der wissende Kenner! Und weiter geht die Reise durchs Udoversum:
"Verdammt in alle Einsamkeit" erinnert im Aufbau stark an den Klassiker "Ich Weiß, Was Ich Will". Einer der Höhepunkte des Albums ist das in Ausführung, Text und Komposition voll überzeugende "Nicht heute Nacht". Da blitzt nicht nur alte Klasse auf, sondern ist eindeutig wieder da.
Zwischendurch mal beschwingt, dann wieder nachdenklich erreicht das Album mit dem wohl für die kommende Tour als Schlussakkord gedachten "Danke" ein etwas durchschnittliches Ende. Denn auch dieses Thema hat Udo Jürgens etwa mit "Da Capo" früher schon packender bearbeitet. Und hier taucht auch wieder das Hauptmanko des Longplayers auf: Die allzu biedere Inszenierung. Die Soundverpackung bleibt meist in einer betulichen 80ger-Jahre-Instrumentierung stecken. Die oft zu zahme Schlagzeugarbeit muss ebenfalls auf der Negativseite verbucht werden. Udo hat auf "Jetzt Oder Nie" durchaus wohlschmeckende Pralinen versteckt, leider hinkt die Verpackung dem Inhalt oft hinterher. Die große Ausnahme: Mit der Ballade "Die Sehnsucht bleibt" gelingt ein transparentes und detailreiches, sehr genau auf den Song zugeschnittenes Arrangement. Dieser Titel zählt sogar zu den schönsten Songs, die Udo in den vergangenen zehn Jahren komponiert hat. Hier passt wieder alles zusammen – was ihm bei so manch anderem Track nicht gelingt.
So reicht es knapp, sehr knapp für eine positive Albenbewertung. Dies ist in erster Linie der noch immer faszinierenden Präsenz von Udos unverwechselbarer Stimme und einer überwiegend gut ausgefeilten Songarbeit zuzuschreiben. Denn die kann selbst uninspirierte Arrangements nicht gänzlich zerstören.
Vielleicht sollte Udo Jürgens auch einmal darüber nachdenken, sich und seine Songs – im Rahmen eines experimentellen Albums - in andere, frischere Hände zu begeben. Gibt es doch hierzulande genügend gewachsene Künstler, die für ein solch interessantes Projekt denkbar wären. Was käme heraus, wenn Udo mal – als Beispiele - mit den Humpes, Rosenstolz, Till Brönner oder Element Of Crime kollaborierte? Könnte ein verdammt spannendes Album werden – und der eventuelle Beginn eines Spätwerks, das dem Rang und der Klasse eines Udo Jürgens eher gerecht werden würde, als allzu lang nur auf eine angestaubte "Nummer sicher" zu bauen.
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