laut.de-Kritik

Besser mehr Rammstein-Vibe als Bourani-Duselei.

Review von

"Es ist Zeit für uns, zu gehen", heißt es auf "Gipfelstürmer" von 2014. Dieses Versprechen erneuert die Band seitdem alle Jahre wieder: "Zeit Zu Gehen" erschien auf dem Live-/ sowie Unplugged-Album von 2015, der zweiten Best Of-Scheibe (2017) und nun auch auf "Lichterland". Die erste CD der Compilation vereint ein Best Of aus 21 Tracks, die zweite birgt 14 Weihnachtssongs. Hat der 'offizielle' Austritt vom Grafen 2016 denn nicht gereicht? Muss man unbedingt eine Band am Leben erhalten, die ihren letzten Atemzug spätestens vor fünf Jahren getan hat?

Wie auf den beiden Best Of-Vorgängern auch fokussiert sich "Lichterland" auf die Erfolgszeit nach "Grosse Freiheit". Dabei steht das Feature mit Bourani ("Wie Wir Waren") symptomatisch für die Wischi-Waschi-Auswahl an Pop-Balladen. Nur wenige Passagen sparen mit dem Weichspüler: "Abwärts", "Hinunter Bis Auf Eins" und "Spiegelbild" gehören zu den härteren Liedern auf der Liste.

Tatsächlich findet sich aber auch ein 'neuer' Song. "Lichtermeer" gab es bisher nur als Demo-Version. Die Singleauskopplung versucht dem inhaltsleeren Wortgebilde mit Streichern und Klavier einen dramatischen Auftritt zu geben. Betonung auf 'versucht'. Denn bei Zeilen wie "Neue Wege, neue Ziele / Im Rückenwind voran / Lichter funkeln in der Ferne / Bin glücklich, doch hab' Angst" gibt es nicht viel zu retten. Da könnte man auch gleich sagen: 'Drei Steine, einer gleicht dem anderen, sie liegen vor mir, ich bin traurig'. So viel zur Tiefe des Inhalts.

Auf der nächsten Compilation (und die wird sicherlich erscheinen) sollten Unheilig vielleicht wieder mehr an ihre früheren Fans denken. Dann käme zumindest mehr Abwechslung heraus. Außerdem schlägt sich der missglückte Rammstein-Vibe immer noch besser, als die permanente Bourani-Duselei.

Wo wir gerade von den Anfangszeiten sprechen: Schon 2002 veröffentlichte Unheilig eine Weihnachtsscheibe ("Frohes Fest"). Damals interpretierten sie Weihnachtsklassiker neu und drückten ihnen einen düsteren Sound auf: Immer noch besser, als die Weihnachtslieder, die sie hier nun auf der zweiten Scheibe versammeln. Die meisten Tracks stammen dabei aus der Feder des Grafen. Drei Gottesdienst-Banger schafften es aber dennoch in die Tracklist ("Macht Hoch Die Tür", "Leise Rieselt Der Schnee", "Es Kommt Ein Schiff Geladen").

Wie bereits auf "Frohes Fest" fungiert die Adventszeit als Rahmen mittels düster gehaltenen Zwischenteilen ("Die Erste Kerze", "Die Zweite Kerze", usw.). Und wenn der Graf den dramatisch pathetischen Larry raushängt, kommen schlagerhafte Eigenkreationen wie "Engel Der Verkündung" heraus: Feinste Florian Silbereisen-Emotionen treffen auf Möchtegern-Drama.

Ganz zu Schweigen von "Macht Hoch Die Tür"- im Rock-Pop-EDM-Gemisch: Da würde es nicht wundern, wenn der Youtube-Kanal von Bibel TV bald die Rechte anfragt. Man möchte ja schließlich auch das junge Publikum 'catchen'. Meine Wenigkeit tut nun, was Unheilig und der Graf, schon vor mindestens fünf Jahren hätten machen sollen: Gehen und die Lauschlappen reanimieren.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Lichter Der Stadt
  2. 2. Geboren um zu leben
  3. 3. Wie Wir Waren (feat. Andreas Bourani)
  4. 4. Lichtermeer
  5. 5. So Wie Du Warst
  6. 6. Wir Sind Alle Wie Eins
  7. 7. Abwärts
  8. 8. Mein Berg
  9. 9. Große Freiheit (feat. James Last)
  10. 10. An Deiner Seite
  11. 11. Als Wär's Das Erste Mal
  12. 12. Glück Auf Das Leben
  13. 13. Unter deiner Flagge
  14. 14. Hinunter Bis Auf Eins
  15. 15. Spiegelbild
  16. 16. Stark 2012
  17. 17. Für immer
  18. 18. Astronaut
  19. 19. Ich Würd' Dich Gern Besuchen
  20. 20. Wie In Guten Alten Zeiten
  21. 21. Zeit Zu Gehen

CD 2

  1. 1. Die Erste Kerze
  2. 2. Macht Hoch Die Tür
  3. 3. Stille Winternacht
  4. 4. Der Erste Schnee
  5. 5. Die Zweite Kerze
  6. 6. Engel Der Verkündung
  7. 7. Leise Rieselt Der Schnee
  8. 8. Weihnachtszeit
  9. 9. Sterne Hoch
  10. 10. Die Dritte Kerze
  11. 11. Weihnachtssaat
  12. 12. Ein Kommt Ein Schiff Geladen
  13. 13. Winter
  14. 14. Die Vierte Kerze

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