laut.de-Kritik

Wie man mit Tiefgang die Leichtigkeit des Seins feiert ...

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Mein Lieblingssong ist schnell ausgemacht. Es ist der Opener "Women Of Santiago", der mich an "From Above" aus Viktorias letzten Album "My Swedish Heart" erinnert, und in den ich mich unsterblich verliebte. Noch nie in meinem Leben hatte ich auf einer dreistündigen Autofahrt ausschließlich ein Lied gehört, bis Viktoria Tolstoy mit "From Above" kam. "Women Of Santiago" hat ebenfalls gute Chancen, seinen Platz auf höchster Rotationsstufe einzunehmen. Einfach eine wunderschöne Komposition, die das Herz aufs Angenehmste berührt.

Doch bevor ich mich ausschließlich an diesem Song ergötze, auch der Rest des Albums wärmt die Seele. "Have A Good Time", das ursprünglich aus der Feder von Paul Simon stammt, spielt geschickt mit einem 7/4-8/4-Wechsel zwischen Strophe und Refrain, und verweist auf das Grundanliegen des Albums: "Man sollte das Leben nicht ständig so schwer nehmen" meint Viktoria Tolstoy klipp und klar. Was sie nicht meint, ist, es sich allzu einfach zu machen. Eher schon, wie man mit Tiefgang die Leichtigkeit des Seins feiert.

Und wie sie feiert! "Te Amo Corazón", eine der weniger bekannten Prince-Nummern, steckt sie in ein sanftes Bossa-Kleid, das dem Song hervorragend steht. Das Peter Gabriel-Cover "Kiss That Frog" attackiert mit ordentlich Boogie-Power, die Stevie Wonder-Nummer "Can't Help It" groovt in treibenden Jazzachteln.

Viktorias Lieblingsstück, "Absentee", knüpft von seinem Catch-Faktor an "Women Of Santiago" an und offenbart abermals die kompositorischen Fähigkeiten ihres Songschreiber-Teams, das hauptsächlich aus Lars Danielsson, Caecilie Norby und Jacob Karlzon besteht. "In ihm geht es darum, vollkommen unbeschwert und frei zu sein. Das ist vielleicht auch das geheime Motto der Platte. Denke nicht, fühle!"

"Die Originalversion dieses Liedes ist total hysterisch. Es war eine Herausforderung, daraus einen Song zu machen" kommentiert Tolstoy Van Morrisons "The Way Yong Lovers Do", dem sie eine extrem groovige Modern-Jazz-Attitüde verleiht. Eine gehörige Portion Blues und Soul haucht sie Seals "Don't Make Me Wait" ein. Alan Parsons "Old And Wise" ergreift als perlende Pianoballade Besitz von Herz und Seele, und leitet das Album genauso attraktiv aus, wie es mit "Woman Of Santiago" seinen Anfang nahm.

Neben den Coverversionen, die sie aus ihrer heimischen Plattensammlung erntete, sind die Eigenkompositionen das eigentliche Highlight von "Pictures Of Me". Die Titel agieren auf oder sogar über Augenhöhe mit den Songs von Prince, Simon, Seal & Co. - und verleihen dem Album wahren Glanz. Viktoria Tolstoy ist mit "Pictures Of Me" ein großer Wurf gelungen, der dem nahenden Herbst die drohende Tristesse raubt und ihn in ein sanft-goldenes Licht taucht. Have a good Time!

Trackliste

  1. 1. Woman Of Santiago
  2. 2. Have A Good Time
  3. 3. South
  4. 4. Te Amo Corazón
  5. 5. Two Sails
  6. 6. Kiss That Frog
  7. 7. Absentee
  8. 8. Strollin'
  9. 9. Don't Make Me Wait
  10. 10. Can't Help It
  11. 11. Green Little Butterly
  12. 12. The Way Young Lovers Do
  13. 13. Old And Wise

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