laut.de-Kritik

Der Alt-Rock der Australierinnen berührt und reißt mit.

Review von

Was rumpelt und pumpelt in meinen Boxen herum? Ich meinte, es wären die 1990er, doch handelt es sich um das Voiid-Debütalbum. Vier Australierinnen, die dem Alternative Rock und feministischen Punk frönen, den man zu Beginn der 1990er noch bequem in die Schublade Grunge packte.

Seit ihrer rauen DIY-EP "Pussy Orientated" von 2017 entwickelten sie sich Stück für Stück weiter. Verglichen mit damals, klingen Anji Cannon (Vocals), Mina Cannon (Drums), Antonia Hickey (Bass/Vocals) und Kate McGuire (Guitar/Vocals) heute fast schon bieder, aber längst noch nicht brav. Dafür sorgte erstmals auch Hilfe von außen. Matt Cochran und Caleb Anderson halfen bei den Aufnahmen. Dennoch, Fehler bleiben erlaubt. Mal stolpert das Tempo, mal geht ein Ton daneben. Alles okay.

Zwischen den nach wie vor allgegenwärtigen feministischen Texten sortieren sich nun Beobachtungen über Angstzustände und zwischenmenschliche Beziehungen ein. Weg von allgemeinen Themen, öffnet sich nun das persönliche Tagebuch. Fällt der erste Teil von "Watering Dead Flowers" noch deutlich freundlicher aus, kippt die Stimmung thematisch in der zweiten Hälfte und erhält eine weitaus düstere Note.

Der Opener "And So Two" lässt erst mal die Frage aufkommen, ob die Boxen noch richtig funktionieren. Aber keine Angst, dass soll so. In jedem weiteren Moment des Albums spürt man die Vorbilder, hört man Elemente von Beabadoobee, L7, HoleL7Juliana Hatfield oder That Dog heraus. Am besten funktioniert der Longplayer aber, sobald Voiid den Dreck auspacken. Etwa dann, wenn "Invalidate Me" im Gitarrenspiel leichte Ähnlichkeit zu Nirvanas "Heart-Shaped Box" aufweist.

Im brutal wütenden "Feminine When?" fragen sich Voiid, wie oft sie noch denselben feministischen Song schreiben müssen. Die Realität: Wahrscheinlich leider immer und immer wieder. In "Her Hair Floats" und "Free Kitten" schleichen sich Synthesizer ins Soundbild. Was gerade dem Erstgenannten einen Hauch von Shoegaze beschert. Darauf folgt mit "Daisy" ein kurzes Gruselliedchen.

Das herausragende "Little Sibling" bietet im Arrangement Parallelen zu Smashing Pumpkins "Disarm" und gibt dies im Refrain auch unverhohlen zu: "Me there is no thirteenth song on siamese dream". Die Glocken müssen aber draußen bleiben. "The Bedroom" beendet das Album ebenso ruhig wie düster - die wohl wei besten Songs des Longplayers. Dass es zusammen mit "Free Kitten" ausgerechnet diese zwei ruhigen Tracks als akustische Version auf die "'Under The Tree' Edition" schafften, stellt wohl die kleinstmöglichste Herausforderung dar.

"Watering Dead Flowers" ist sicher vieles, aber nie innovativ. Aber muss Musik zwingend innovativ sein? Wie viele großartige Acts gäbe es nicht, wenn es immer nur Innovation gehen würde? Reicht es nicht, wenn sie berührt und mitreißt? Genau das gelingt Voiid mit ihrem Debüt.

Trackliste

  1. 1. And So Two
  2. 2. Lexapro
  3. 3. Invalidate Me
  4. 4. Little Sibling
  5. 5. Ctrl Alt
  6. 6. (Delete)
  7. 7. Swallower
  8. 8. Feminine When
  9. 9. Her Hair Floats
  10. 10. Daisy
  11. 11. L'amour Fou
  12. 12. Free Kitten
  13. 13. The Bedroom
  14. 14. Little Sibling (Acoustic)
  15. 15. Free Kitten (Acoustic)
  16. 16. The Bedroom (Acoustic)

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Voiid

Sobald man, wie die Australierinnen Voiid, als Vorbilder Hole, L7, Juliana Hatfield, That Dog oder Beabadoobee nennt, steht die Richtung schon fest. Munter …

Noch keine Kommentare