laut.de-Kritik
Erbauungszweckpop with a little help from Ed Sheeran.
Review von Franz MauererErinnert ihr euch an den einen Typen, diesen kurzen Blonden, der in dieser einen Game Of Thrones-Folge mit den Soldaten am Lagerfeuer abhing? Ja, also dieser Typ hat Westlife dazu überredet, nicht nur (aber auch) mit aufgewärmten Songs bei Tourneen durch die Mercedes-Benz-Arenen dieser Welt zu cashen, sondern en plus ein neues Album mit dem schönen Namen "Spectrum" aufzunehmen. Für das schrieb er dann auch gleich ein paar Songs. Da der gute Ed das Gitarrespielen mittels Westlife-Songs lernte, kann er damit einen Punkt von seiner Eimerliste streichen.
Westlife waren als "große" Boyband relativ spät dran. Dieser typisch seichte, im Veröffentlichungs-Frenzy der 00er-Jahre geprägte Radiosound ist in dieser Form heute kein angesagtes Erfolgsinstrument zur Gewinnung neuer Fans mehr, was auch schon Take That bemerkten, und daher vor kurzem auf "Odyssey" vorsichtige musikalische Experimente wagten. Eine Swift oder ein Sheeran achten nämlich durchaus genau darauf, sich nicht allzu weit vom Sound-Zeitgeist zu entfernen, um attraktiv für neue Hörer zu bleiben.
Der Albumtitel ist allerdings nicht Programm, Songs wie das fürchterlich formelhafte "Dance" sind keineswegs eine Weiterentwicklung zum 2010 erschienenen Vorgängeralbum "Gravity" oder irgendeinem anderen Vorgänger. Jeder dieser Songs hätte genau so gut vor zwanzig Jahren erscheinen können. Totalausfälle wie die anbiedernde Schmonzette "My Blood" und der Erbauungszweckpop von "Take Me There" samt völlig unauthentischer Midtempo-Wohohoh-Choräle jagen einem ebenso wie die viel zu gewollte Stadionhymne "Hello My Love" kalte Schauer über den Rücken. In den ganz besonders schwachen Momenten zu Beginn des Albums (absurderweise allesamt als Singles ausgewählt) säuseln Westlife Dinge wie "Say my name, when you're hurting, darling" und überschreiten damit oftmals persönliche Schmerzgrenzen.
Für ihre "The Twenty Tour" engagierten sie zwar ein Cirque Du Soleil-Akrobatikteam, die Produktion von "Spectrum" hingegen bleibt angenehm zurückgenommen. Selbst die zahlreichen käsigen Streicherpassagen ähneln zu keinem Zeitpunkt einer Wall Of Sound. Eine gute Entscheidung, da so die Stimmen der vier Bandmitglieder den Raum bekommen, den sie verdienen. Schmerz und Trauer transportieren sie durchaus ("One Last Time"), anders als bei den Liebesballaden, bei denen Leidenschaft fehlt. Leider sind Harmoniepassagen spärlich vorhanden, wie überhaupt Byrne und Egan solo deutlich mehr Platz einnehmen als Feehily und Filan. Der Anfang von "Repair" zeigt, dass Westlife als poppigere Fleet Foxes oder Beach Boys–Coverinterpreten eine hervorragende Besetzung wären.
Die Mehrzahl der Songs dümpelt jedoch belanglos vor sich hin, hinzu kommt der glatte und eindimensionale instrumentale Mix. So gut Langzeit-Kollaborateur Steve Mac, der nach Sheeran die meisten Songs geschrieben hat, die Stimmen auch ausgestaltet, so billig klingen die Streicher und so sehr liegt alle Begleitmusik gefühlt auf einer Line. Die Bandleader Feehily und Filan waren an genau zwei Songs beteiligt, so dass die Frage erlaubt sein muss, wieso man als Mittvierziger mit einer langen Karriere nicht auch selber ein paar Songs schreiben kann. Dann stellte sich der Uncanny-Effekt, das nicht abzuschüttelnde Gefühl, hier nur Söldnern zuzuhören, vielleicht auch weniger schnell ein.
1 Kommentar
„Vicky wo ist dein Baby?“
„Hab ich getauscht gegen ne‘ Westlife CD“
„Wie konntest du das tun?“
„Ja ich weiß, die sind Scheisse“