laut.de-Kritik
Lichtdurchwirkte Momente im düster dräuenden Malmstrom.
Review von Yan VogelSanctuary-Sänger Joseph Michael und Ex-Iced Earth-Gitarrist Jake Dreyer haben Witherfall als Nebenspielwiese gegründet. Spätestens mit dem Meisterwerk "A Prelude To Sorrow" nimmt man das Quintett als eigenständige Formation wahr. Kontakarierten damals einzelne lichtdurchwirkte Momente den düster-dräuenden Malmstrom, so treten diese vereinzelten positiven Aspekte auf dem Nachfolger eigenständig hervor. Die Basis auf "Curse Of Autumn" ist nach wie vor technisch versierter US-Metal, wobei noch stärker die Gesangeskünste von Michael im Vordergrund stehen.
Dieser Ansatz mündet in wahre Stimmfonien, die in der Bandbreite und Anlage einem Freddie Mercury ähneln. Im Metal-Bereich agiert er auf dem Level eines Jon Oliva (Savatage), des zu jung verstorbenen Nevermore-Fronters Warrel Dane oder der Jag Panzer-Sangessirene Harry Conklin.
Das theatralische Element kommt in sämtlichen Facetten zum Tragen; sei es in einer straighten Nummer wie "As I Lie Awake" mit ihrem Gothik- und Dark Wave-Touch, der beinharten Thrash Metal-Harke "The Other Side Of Fear" oder den szenisch komponierten Longtracks "Tempest" und "... And They All Blew Away", die einen Vielseitigkeitspreis gewinnen durch die Integration akustischer Parts, neoklassischer Ausflüge und Todesblei-Abgründe. Zusätzlich pflegen die beiden Hauptkomponisten einige kurze Zwischenspiele und Introduktionen ein.
Das Quintett kennt sich aus in der Historie des US-Metals. Mal sägt ein Riff wie aus den Händen eines Chuck Schuldiners, mal erklingt ein Voicing wie aus der Feder von Annihilators Jeff Waters. Im nächsten Moment taucht die Band wiederum in die vertrackten Geisteswelten von proggigen Vertretern wie Dream Theater oder Psychotic Waltz ein.
Neben den Benchmarks in Form der Stimme und der Gitarre trägt auch die Rhythmus-Gruppe zum Wiedererkennungswert mit bei. Mit Marco Minnemann (Steven Wilson, The Aristocrats) drapiert sich ein äußerst kundiger Schlagzeuger auf dem Schemel. Dessen Finesse harmoniert wunderbar mit den anspruchsvollen Arrangements. Der Drumsound gerät indessen dünn. Es fehlt der Punch und der Hall auf der Snare verwässert das Klangbild. Anthony Crawford spendiert einige coole Basslinien, die eher dem Fusion-, Jazz- und R'n'B-Bereich entstammen als den klassischen Metal-Spielarten.
Mit Blick auf das Menschenbild erteilen Witherfall der Idee eines göttlichen Wesens voll Güte und Gnade eine eindeutige Absage. Nach dem Tod des Gründers und Drummers Adam Paul Sagan, dem man "A Prelude To Sorrow" gewidmet hat, fokussiert man sich auch auf "Curse Of Autumn" auf die Spezies Mensch als Zellhaufen, der wenig Licht und viel Schatten einfängt. Erwähnung finden neben den lautstarken Passagen auch die wenigen ruhigen Momente. "River" und das Boston-Cover "Long Time" führen in die Tiefen der Melancholie.
Der schmale Grat zwischen Sein und Nicht-Sein hat durch die kriminellen Machenschaften ihres Produzenten gänzlich neue Aspekte bekommen. Dass Jon Schaffers Gedankenwelt so weit gediehen war, dass er jüngst seinen Worten Taten folgen ließ, ahnten nur die wenigsten in seinem Umfeld. Auch das Quintett arbeitete munter mit dem Iced Earth-Mastermind und trägt jetzt die Last von dessen Verfehlungen auf den eigenen Schultern. Die Produktion ist die Antithese zum elaborierten Anspruch der Gruppe. Schaffer arbeitet entgegen der feinen Klinge, mit der Michael und Dreyer agieren, mit dem rostigen Schlachtermesser. Entsprechend roh und unbearbeitet klingt "Curse Of Autumn".
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