laut.de-Kritik
Black-Metal-Genreshifting – ohne dass man's merkt.
Review von Alex KlugSchon zwei Dekaden haben Wolves In The Throne Room bald auf dem Buckel – und immer noch ist es schwer zu fassen, wie sehr diese Band doch im Augenblick lebt. Ihre früher wortwörtlich atemberaubenden Weihrauch-Zeremonien haben die Weaver-Brüder vom Club erfolgreich nach Wacken und ins Behemoth-Vorprogramm katapultiert, ihre 2000er-Werke listet man im Wikipedia-Genre Blackgaze™ längst als unumgängliche Referenzwerke.
Die sich angesichts dieses Mikrolegendenstatus aufdrängende Frage nach der Notwendigkeit neuen Outputs beantworteten die Wölfe schon 2017 mit einem überdeutlich gejaulten "JA". Und auch "Primordial Arcana" lässt sich unter keinen Umständen seine Daseinsberechtigung absprechen. Vor allem nicht, wenn der Spagat zwischen "die Band erkenne ich an der ersten Note" und "mit diesem Album haben sie sich wirklich weiterentwickelt" so glückt wie hier.
Doch der Reihe nach: Ja, die Takte des Openers lassen eindeutig darauf schließen, um welche Band es sich hier handelt. Ein Zauber, der nicht vielen anderen Blackgaze™-Gruppen innewohnt. "Mountain Magick" geht ohne Umschweife voll auf die rollende Doublebass und kurz erwischt uns wieder diese Glückseligkeit, ein paar Burzum-Vibes zu spüren, ohne die Musik eines peinlichen Vollzeitfaschos streamen zu müssen. Aber anderes Thema.
Auch Nummern wie "Masters Of Rain And Storm" bieten den vertrauten, viel zitierten "Cascadian Black Metal", der den Wölfen aus dem Nordwesten 2006 aufs internationale Parkett verhalf. Der Blick auf die Songlängen anno 2021 unterstreicht aber auch, dass Wolves In The Throne Room mittlerweile andere Songwriting-Prioritäten setzen als noch vor 15 Jahren.
Ob "Primordial Arcana" nun nach dem Motto 'schnelllebige Songs für schnelllebige Zeiten zwischen Festival-Gigs, Instagramming und großem Relapse-Records-Deal' agiert, sei einmal dahingestellt. Wirklich magisch ist jedenfalls, wie es der Gruppe gelingt, ihre phänotypischen Feinheiten in einer Handvoll Fünfminutern (ja hallo!) auf ihre Essenz zu reduzieren.
So büßt "Mountain Magick" schon nach wenigen Minuten an Raserei ein und lässt sich auf gefühligen Lead-Heulereien davontragen. Ganz ehrlich: Was Wolves In The Throne Room hier in nicht einmal sechs Minuten reißen, ist genau so wenig bodenständig wie verschwenderisch. Keine Note der Lead-Melodie wird verschenkt, keine stumpfsinnigen Riffs werden bis zum Erbrechen wiederholt – und wer sein Schwarzmetall ohne totgetriggerte Wummerdrums mag, ist hier sowieso schon mal richtig.
Ja, Pink Floyd-Vergleiche sind peinlich, aber der Rest des Albums unterstreicht: In "Primordal Arcana" steckt ebenso viel von "Dark Side Of The Moon" wie von "De Mysteriis Dom Sathanas". Spannendste Verschiebung der Parameter: Die von der Band seit weit über einer Dekade eingesetzten Analogsynthesizer kommen diesmal in so richtig üppiger Menge auf den Tisch. Dungeon Synth statt Post-Rock-Seuche: "Spirit Of Lightning" lebt vom simplen Synth-Motiv, das mellotroneske "Eostre" bietet teuflisch unkitschige Auenland-Enya-Romantik.
Den Sack zu macht dann aber "Underworld Aurora": Nach der künstlerisch etwas zu ambitionierten Instrumental-Schlafpille "Celestite" von 2014 wagen sich Wolves In The Throne Room ein weiteres Mal an synthetisierte Ambient-Chorsounds – und finden diesmal endlich den richtigen Grip. Der Siebenminüter kombiniert krachend-hallige Snare- und Beckenschläge und bekannte Tribaltrommeln mit düsteren Synthesizer-Schattierungen und fischt dabei gelegentlich so unverblümt im 80er-Coldwave-Teich, dass man kurzzeitig vergisst, welches szenekulturellen Zugehörigkeitsempfindens wegen man sich jetzt eigentlich diesen Nietengürtel bei EMP bestellt hat.
Denn am Ende ist's ja doch egal, wie voll der Warenkorb schon ist. Für "Primordial Arcana" kann nur dasselbe gelten wie für seine Vorgänger: Shut up and take my money!
3 Kommentare mit 2 Antworten
Fans der ersten Stunde werden vielleicht wieder "Verrat" rufen. Für mich ihr bestes Album bisher. Und mal ehrlich ...
so'n krassen Stilwechsel wie DEAFHEAVEN leisten sich die Buben hier beiweitem nicht
Deafheaven können damit auch gleich in der Shoegaze-Versenkung verschwinden. Keine Ahnung wer nach einem Alcest 2.0 gefragt hat.
>und fischt dabei gelegentlich so unverblümt im 80er-Coldwave-Teich, dass man kurzzeitig vergisst, welches szenekulturellen Zugehörigkeitsempfindens wegen man sich jetzt eigentlich diesen Nietengürtel bei EMP bestellt hat
Ach komm. Wenn du wirklich so ein Fähnchen im Wind bist und obendrein noch bei EMP einkaufst, dann verzeihe mir, dass ich dich nicht älter als 15 einschätze.
Der Grufti war dem Schwarzmetaller schon immer mehr ein Bruder als der Punk oder spät 2000er Post-Emo.
RIP Pukesocks69.
„Glückseligkeit, Burzum-Vibes zu spüren“???
Sonst geht’s gut?
Was sagt der Therapeut?
Gute Besserung!