laut.de-Kritik

Der All Them Witches-Gitarrist kann auch instrumentalen Metal.

Review von

Den Absprung aus dem Geheimtipp-Underground haben All Them Witches spätestens mit ihrem letzten Album "Dying Surfer Meets His Maker" geschafft. Die Liveshows des Quartetts aus Nashville genießen nicht bloß wegen ihrer Jameinlagen einen Ruf als Psychedelic-Mekka. Weder Jam- noch Live-Atmosphäre wird man wohl in naher Zukunft bei Woodsplitter, dem Sideproject des All Them Witches-Gitarristen Ben McLeod, schnuppern können. Der kompositorischen Vielseitigkeit seiner Hauptband steht er allerdings auch auf "Inflamed" in Nichts nach.

Wer ob des verwandten Acts erwartet, Woodsplitter wäre ebenfalls im psychedelischen Rockbereich zuhause, würde mit 70er-Klangästhetik liebäugeln und zu abgerissener kurzen Hose und Mickey Mouse-Tanktop passen, täuscht sich doch ziemlich gewaltig. Zwar sind derartige Tendenzen ab und an zu erkennen, das große Gesamtbild prägt allerdings ein wesentlich metallischerer, düsterer Grundton.

Black Metal-Anleihen finden sich auf "Inflamed" ebenso wie drückende Doom- und präzise Tech-Riffs. Ja, Groove gibts auch – allerdings keinen leichtfüßigen Rock'n'Roll-Groove, sondern vielmehr schweren, tiefgestimmten Neo-Thrash meets Russian Circles-Groove ("Shipwreck'd"). Souverän wechselt McLeod zwischen Zeitlupe ("Fatty’s Waltz") und treibendem Up-Tempo – gerne bedient er sich beidem im selben Song (z.B. "Inflamed, Pt. 1", "Pile").

Genauso handhabt er das Verhältnis Laut/Leise bzw. Sanft/Hart. Eben denkt man noch, die verzahnten, melodisch wie rhythmisch beeindruckenden Clean-Passagen in "Pile" und "The Weather Outside Is Frightful" wären die absoluten Highlights der Platte – wenn dann allerdings in beiden Fällen unheilvolle Riffgewitter reinrasieren, ist man sich plötzlich gar nicht mehr so sicher.

Eigentlich ist es völlig unnötig zu erwähnen, dass "Inflamed" ein reines Instrumental-Album darstellt. Daran, Vocals zu vermissen, denkt man frühestens, wenn McLeod seinen Ritt durch eine faszinierende stilistische Bandbreite beendet hat. Das geschieht im Grunde zwar viel zu schnell – denn einerseits geben die vielschichtigen Kompositionen bestimmt keinen Anlass auf die Uhr zu gucken und andererseits verspürt McLeod kein Verlangen, seine musikalischen Ideen endlos in die Länge zu ziehen und Wiederholung um Wiederholung einzubauen –, allerdings existiert ja der berühmte Repeat-Knopf und dieses Album dürfte so mancher Heavy Rotation standhalten.

Am wohlsten fühlt sich Woodsplitter bei Songlängen um die vier Minuten. Da kommt es recht gelegen, dass McLeods (der ganz nebenbei nicht nur sämtliche Musikspuren in Eigenregie eingespielt hat, sondern auch für die Produktion verantwortlich zeichnet) wohl größtes Talent, die Fähigkeit zum Songaufbau ist. Egal ob das fertige Stück nun zwei oder acht Minuten lang geht: jede Idee bekommt die Zeit und Luft zum Atmen, die sie braucht – und bekommt im passenden Moment die geeigneten Ergänzungsmelodien oder -rhythmen. So umkreisen sich in "Liturgy" beispielsweise zwei Tremolosalven, von denen eine eher den Part beunruhigenden Zwielichts übernimmt, die andere dagegen gleißendes Sonnenlicht verkörpert. Zusammen ergibt sich eine Ambivalenz, die sich McLeod das ganze Stück über zunutze macht: Auf Blastbeats und Gojira-Staccatos folgen weiche Lead-Arpeggios.

Und so lassen sich am Ende eben doch gewisse Parallelen zu All Them Witches nicht von der Hand weisen. Denn so anders die musikalische Ausrichtung Woodsplitters auch sein mag und ob er sie nun in Psycho-Prog Rock- oder in instrumentales Post-Irgendwas-Metal-Gewand kleidet – Ben McLeods Harmonieführung klingt so unverbraucht wie derzeit kaum eine andere.

Trackliste

  1. 1. Liturgy
  2. 2. Shipwreck'd
  3. 3. Fatty's Waltz
  4. 4. Pile
  5. 5. Inflamed, Pt. 1
  6. 6. Inflamed, Pt. 2
  7. 7. Bow
  8. 8. The Weather Outside Is Frightful

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